Auf den ersten Blick war ich ein wenig skeptisch: Das Buchcover mit einem roten Panikknopf und das Versprechen, „Überlebensregeln“ für den Fall aufzustellen, „wenn Geld stirbt“, erzeugte bei mir Assoziationen zu Untergangsbüchern, in denen apokalyptische Szenarien für den Fall des großen Finanzcrashs aufgestellt werden und den Lesern empfohlen wird, sich zu Hause mit Waffen einzudecken, um marodierende Banden nach dem „Tag X“ abwehren zu können. Doch abgesehen davon, dass der Autor an einer Stelle empfiehlt, sich ein paar Lebensmittelvorräte für den Fall zu kaufen, dass die Nahrungsversorgung vorübergehend zusammenbricht, findet sich in dem Buch nichts dergleichen.
Ich räume ein, dass ich die meisten Befürchtungen, die der Autor in diesem Buch artikuliert, durchaus teile.
Was den Euro anlangt, so schreibt der Autor treffend: „Tatsächlich stellt sich zumindest die Frage, ob die Euro-Zone scheitern könnte, überhaupt nicht mehr: Sie ist längst gescheitert. Sämtliche Regeln, die das Funktionieren der europäischen Währungszone langfristig gewährleisten sollten und dies durchaus hätten können – insbesondere der Maastricht-Vertrag von 1992 und der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt einige Jahre später -, sind bei den ersten Schwierigkeiten aufgegeben und des facto (aber nicht de jure) für null und nichtig erklärt worden.“ (S. 10)
Die EZB, die in ihrem am Bundesbank-Modell ausgerichteten Entwurf unabhängig und ausschließlich der Preisstabilität in der Euro-Zone verpflichtet sein sollte, machte sich in der ersten Krise ihres Bestehens sogleich von Regierungen abhängig und gefährde mit einer Politik, die in der Bundesbank-Ära unvorstellbar gewesen wäre, die innere Stabilität des Euro.
Doch nicht nur der Euro könne das Vertrauen der Menschen irgendwann verlieren, so die These des Autors, sondern auch die Währungen der USA, von Großbritannien und Japan. In der langfristigen historischen Analyse sieht der Autor die tiefere Ursache für die Finanzkrise in der Aufgabe des Goldstandards der Währungen. „Mit dem Ende der Bretton-Woods-Ära war dieser Stabilitätsmechanismus Geschichte. Die Goldreserven, aufgrund der Knappheit des Edelmetalls von begrenztem, nur langsam wachsendem Volumen, hielten die Neigung von Staaten und Regierungen, über ihre Verhältnisse zu leben, nicht mehr im Raum. An ihre Stelle war das getreten, was Wirtschaftswissenschaftler fiat money nennen, aus dem Nichts von Notenbanken erschaffenes Geld.“ (S. 27) 1971 lagen die Schulden der US-Regierung bei 400 Mrd. USD, heute braucht die US-Regierung gerade einmal drei Monate für die Anhäufung eines solchen Schuldenbergs, der sich derzeit auf 16 000 Mrd. USD beläuft (S. 30).
Welche Strategien gebe es, damit der Schuldenberg, den die Eurozone, aber auch Japan und die USA angehäuft haben, wieder abgebaut werden könne? (S. 42 ff.)
- Wirtschaftswachstum. Dies war das Mittel, mit dem beispielsweise die USA nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Schulden abbauten. Aber ein so hohes Wirtschaftswachstum, das dies möglich wäre, sei in vielen Ländern heute undenkbar.
- Konsequente Sparsamkeit: Dies führe zwangsläufig dazu, dass die Regierung, die diese verordne, abgewählt werde.
- Staatspleiten: Solche gab es Hunderte in der Geschichte, doch die Kosten wären heute immens.
- Inflation: Der Autor hält es für wahrscheinlich, dass dieser „Lösungsweg“ eine entscheidende Rolle spielen werde.
- Finanzielle Repression: Auch dies sei ein entscheidendes Mittel von Staaten, die Schuldenproblematik in den Griff zu bekommen.
Man könne den Notenbanken einerseits zugute halten, dass sie eine Deflation, deren Gefahr durchaus real gegeben war, verhindert hätten. Doch: „Sie haben dies im Wesentlichen erreicht, indem sie Liquidität in bisher nicht vorstellbarer Menge bereitgestellt, also Geld gedruckt haben. Im Frühherbst 2012 ging es dabei nicht mehr um Milliarden oder Hunderte Milliarden, sondern um das Bereitstellen von Liquidität in unbegrenzter Höhe. Anders ausgedrückt: Sowohl die Fed als auch die EZB haben den Märkten signalisiert, dass sie zur Vermeidung von Deflation und im Sinne einer wirtschaftlichen Stimulierung so viel Geld drucken und in Umlauf bringen würden, bis die Probleme gelöst oder zumindest erträglich geworden seien.“ (S. 58)
Die Zentralbanken und die Politik beteuerten zwar, dass sie rechtzeitig umsteuern und die Liquidität wieder aus den Märkten nehmen werde, wenn dies möglich sei, doch es sei eher unwahrscheinlich, dass dies gelingen werde. Wahrscheinlicher sei, dass diese Politik in einer unkontrollierten Inflation enden werde.
Was sollen Bürger und Anleger angesichts dieser Gefahren tun? Unter der Überschrift „Überlebensregeln“ nennt der Autor folgende Punkte: Zunächst einmal sei es wichtig, die Gefahren nicht zu verdrängen, zudem empfiehlt er ein hohes Maß an Skepsis gegenüber den Verlautbarungen der Politiker.
Als eine Art von Versicherung gegen den schlimmsten Fall, nämlich den Zusammenbruch des Finanzsystems, empfiehlt der Autor, Bargeld und Lebensmittel in der Reserve zu haben. Darüber werden viele Leser und Kritiker des Buches sicherlich den Kopf schütteln, und ich gestehe, dass ich selbst diesen Rat nicht umgesetzt habe. Andererseits: Was schadet es, für den Notfall eine bestimmte Menge Bargeld oder Lebensmittel zu haben und wer will wirklich sicher ausschließen, dass es zu einem Szenario kommt, bei dem sich derjenige freut, der diesen Tipps gefolgt ist?
Was die Geldanlage betrifft, so kann man dem Autor auf jeden Fall uneingeschränkt zustimmen, wenn er schreibt: „Das größte Risiko der Geldanlage liegt auf absehbare Zeit nicht mehr darin, dass Vermögenswerte im Wert schwanken – eine Besonderheit von Anlagen wie Aktien oder Fonds, die viele Privatanleger schwer erträglich finden. Das entscheidende Risiko liegt darin, dass scheinbar sichere, in ihrem Nominalwert nicht schwankende Anlagen – zum Beispiel Guthaben auf Sparbüchern oder Anleihen – ihren inneren Wert verlieren: die Kaufkraft.“ (S. 104) Was Anleger für besonders spekulativ halten, nämlich Aktien, Immobilien oder Gold, sei zwar nominal unsicher, real aber relativ sicher.
Die Empfehlungen in dem Buch sind denn auch nicht überraschend: Anleger sollten Lebens- und Rentenversicherungen, Sparbücher, Zertifikate und Anleihen meiden und auf Immobilien, Gold und Aktien setzen.
Völlig zu Recht warnt der Autor, dass besonders eine Gruppe der Gesellschaft hohen Risiken ausgesetzt sei, nämlich „die Reichen“. „Im Visier von Politik und Gesellschaft steht dabei eine gesellschaftliche Minderheit, die Gruppe der ‚Reichen‘, die trotz ihres relativen Wohlstands bei Wahlen auch nur eine Stimme pro Kopf haben. Sie können in einer Demokratie von den finanziell weniger gut Gestellten mühelos überstimmt werden. Wer ‚reich‘ ist oder als solcher wahrgenommen wird, hat an dieser Stelle der Historie etwas Pech“, wie etwa die Politik des französischen Präsidenten Hollande belege. Der Autor warnt zu Recht, dass „Eigentumsrechte, einer der Grundpfeiler des westlichen Demokratie- und Rechtsverständnisses, nicht mehr zwangsläufig respektiert werden. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Politik, im Auftun neuer Finanzierungsquellen mit Kreativität gesegnet, eine Umverteilung von Vermögenswerten per Gesetz in die Wege leitet. Das gab es in der deutschen Geschichte mehrmals.“ (S. 145) Denkbar seien etwa Zwangshypotheken auf Immobilien, das Einfrieren von Mieten oder die Einführung von Zwangsanleihen für „Reiche“ und die Wiedereinführung von Kapital- und Devisenkontrollen.
„Es versteht sich, dass viele der aufgeführten Maßnahmen der Finanzfolter marktwirtschaftlichen Prinzipien widersprechen. Das sollte jedoch niemanden zu dem Trugschluss verleiten, dass Regierungen diese Instrumente nicht einsetzen würden. Marktwirtschaftlich geht es bei uns schon lange nicht mehr zu, wie die EZB und ihre Bereitschaft, dubiose Staatsanleihen in unbegrenztem Umfang anzukaufen, eindrucksvoll belegt. Die beschriebene finanzielle Repression der Bürger durch den Staat würde eine Umverteilung von Vermögen nach sich ziehen, die weit über das hinausgeht, was wir uns heute vorstellen können.“ (S. 159) R.Z.