Mit dem größten Gewinn habe ich immer theoretische Arbeiten zum Immobilienmarkt gelesen, die von Praktikern verfasst wurden. Der Autor dieses Buches ist Insidern in der Wohnimmobilien-Investmentbranche bestens bekannt. Selten ist es jedoch, dass ein Praktiker, der in den vergangenen Jahren Transaktionen mit einem Wert von fast 3 Mrd. Euro begleitet hat, theoretisch darüber reflektiert. Dies ist der Vorzug des vorliegenden Buches, dem man anmerkt, dass der Autor sich einerseits theoretisch mit den Problemen der Immobilienbewertung intensiv befasst hat, andererseits aber auch immer wieder anhand praktischer Beispiele deren Schwächen aufzeigt und daraus eine alternative Methode entwickelt, die er als „Dynamische Methode“ bezeichnet.
Salden stellt ausführlich alle traditionellen Methoden der Immobilien-Wertermittlung dar. Seine zentrale These: In die Wertermittlung müssen bereits potenzielle Wertsteigerungsmöglichkeiten einfließen, und es muss von Anfang an vom Exit her gedacht werden. „Eine Investition beginnt lediglich mit dem Kauf und erstreckt sich über eine Phase der Wertsteigerung oder Wertminderung bis hin zum Verkauf. Nur wenn schon vor Beginn des Investments die gesamte Wertschöpfungskette antizipiert und damit genauer prognostiziert wird, kann der gesamtheitliche Wert einer Investition ermittelt werden.“ (S. 17)
Salden zeigt beispielsweise die Schwäche traditioneller Ertragswertverfahren, bei denen lediglich die ortsübliche, nachhaltig erzielbare Miete in die Berechnung aufgenommen wird. „Differenzen zur tatsächlichen Miete werden als Zu- oder Abschläge zwar verrechnet. Mietsteigerungspotenziale – weil etwa die mit der Immobilie erzielten Mieten unter dem herrschenden Mietniveau liegen – lässt das Ertragswertverfahren aber außer Acht. Es kann nicht erfassen, welche Potenziale in Immobilien, die over- bzw. underrented sind, stecken. Die Differenzen zwischen Mietniveau und den tatsächlichen und gesetzlichen Mieten werden lediglich verrechnet und der Ertragswert der Immobilie wird entsprechend gemindert. Die immensen Wertsteigerungsmöglichkeiten, die in einer Anpassung der Mieten auf Marktniveau liegen, werden an keiner Stelle berücksichtigt.“ (S. 73)
Auch die DCF-Methode habe ihre Schwächen. Insbesondere der lange Betrachtungszeitraum von bis zu 15 Jahren führe zu erheblichen Ungenauigkeiten, da zuverlässige Prognosen der Cashflows für einen so langen Zeitraum kaum möglich seien ( S. 83). Zwar sei im Begriff des Verkehrswerts der Anspruch an eine künftige Wertentwicklung durchaus enthalten, tatsächlich umgesetzt werde dies jedoch in keinem Verfahren, auch nicht bei der DCF-Methode (S. 87).
Die entscheidenden Fragen seien doch: Wie entwickelt sich der Wert einer Immobilie in der Zukunft? Wie kann ich diesen Wert heben? Welche Erlöse können bei einem Verkauf erzielt werden und an wen kann ich verkaufen? „Auf solche Fragen geben die lizensierten Methoden keine Antworten. Das Potenzial, das die Immobilie im Rahmen einer ganzheitlichen Investition besitzt, bleibt ihnen verschlossen.“ (S. 87)
Die von Salden entwickelte „Dynamische Methode“ erkennt den Investitionswert in drei Schritten: Die Analyse des Mikro- und des Makrozyklus (beides wird ausführlich und praxisnah an Beispielen dargestellt) und deren anschließende Harmonisierung im Matching stellen die wesentlichen Analysephasen der dynamischen Immobilienbewertung dar.
Wie ein roter Faden zieht sich ein Gedanke durch das Buch – und dies zeigt, dass es von einem Praktiker im Transaktionsgeschäft verfasst wurde: „ABC: always be closing“. Dies sollte der Leitgedanke bei jedem Investment sein. D.h., schon dann, wenn ich eine Immobilie erwerbe, muss ich mir überlegen, wie ich deren Wert systematisch entwickeln und an welche Käufergruppe ich sie dann letztendlich mit dem höchsten Gewinn verkaufen kann.
Der Autor beschreibt praxisnah und ausführlich die Methoden zur Analyse von Mieterlisten (S. 94 ff.) sowie die Möglichkeiten der Wertschöpfung:
- Beseitigung von Leerstand
- Mieterhöhung bei Fluktuation
- Mieterhöhung von Bestandsmieten
- Kleinere bauliche Eingriffe (Value-Added-Maßnahmen)
- Größere bauliche Eingriffe (Verdichtungsmaßnahmen). (S. 189 ff.)
Um dann den Wert einer Immobilie beim Verkauf bestmöglich realisieren zu können, müsse sich der Eigentümer verdeutlichen, wie das Objekt am Markt platziert werden solle. „Der Moment des Exits aus dem Investitionszyklus ist zugleich der Beginn eines neuen Investmentzyklus unter einem neuen Investor. Daher muss das Investitionsobjekt am Ende eines Investitionszyklus ein Rendite-Risiko-Profil aufweisen, das der neue Investor für einen Einstieg in ‚seinen‘ Investitionszyklus benötigt.“ (S. 206)
Wem das alles noch zu theoretisch ist, der kann – zeitlich befristet – als Leser des Buches Zugang zu der Immobilienbewertungssoftware Uvaluate erhalten und selbst ausprobieren, wie sich eine transaktionsorientierte Bewertung mit der hier entwickelten Methode darstellt. R. Z.