Dieses Buch gehört aus meiner Sicht auf den Nachttisch von jeder Führungskraft. Die Grundthese des Autors, auf der das gesamte Buch aufbaut, besteht darin, dass er sagt: Großartige Führungskräfte sind vor allem großartige Persönlichkeiten. Groth zeigt, wie jeder Manager seine starken persönlichen Eigenschaften nach und nach entwickeln kann. Statt sein Leben auf Karriereoptimierung auszurichten, sollte die Führungskraft andere mit Demut, Akzeptanz, Vertrauen und Liebe führen.
Das Buch beginnt mit zwei Entscheidungen, die jede Führungskraft zunächst für sich treffen muss: 1. Wollen Sie wirklich eine Führungskraft sein? 2. Was für eine Führungskraft wollen Sie sein? Die erste Frage zielt darauf ab, dass viele Manager laut Stellenbeschreibung zwar Führungskräfte sind, aber sich dazu innerlich nie entschieden haben. Dadurch werden sie nicht zum Leader, sondern bleiben eher ein Verwalter. Groth schreibt, dass Leadership-Fähigkeiten ganz überwiegend vom Charakter und der menschlichen Reife des Leaders und nur zu einem kleinen Teil vom Wissen über Führungstechniken abhängen. Bei Managementfähigkeiten sei es genau umgekehrt. Mit dem entsprechenden Managementwissen und der Erfahrung könne man ein guter Manager werden (S. 11). Das ist aber dann eben kein guter Leader, sondern ein guter Verwalter. Bei der zweiten Frage unterscheidet Groth zwei Arten von Vorgesetzten: Es gibt diejenigen, die sich hauptsächlich um sich selbst kümmern und es gibt Vorgesetzte, die sich als Leader erweisen, weil sie außergewöhnliche Persönlichkeiten sind und das Beste in den Menschen wecken (S. 14).
Groth beschreibt in seinem Buch den Weg zum We-care-Leader. Sein Ansatz lehnt sich an das bekannte Konzept des Servant Leadership an, das Robert K. Greenleaf 1970 entwickelte. Der Servant-Leader soll demnach den Untergebenen dienen und zuerst an deren Bedürfnisse denken bevor er die eigenen befriedigt. In diesem Ansatz schwingt ein gewisser Idealismus mit. Einer der berühmtesten Servant-Leader war aus meiner Sicht sicherlich Jesus Christus, der sich letztlich für das Wohl seiner Gefolgsleute sogar kreuzigen ließ. Nicht umsonst gibt es verschiedene Bücher, die sich mit seinen Führungsqualitäten beschäftigen. Groth führt richtig an, dass die meisten seiner Leser sicherlich nicht den Anspruch haben, ihr Leben ausschließlich in den Dienst ihrer Mitmenschen zu stellen: “Mit großer Wahrscheinlichkeit wollen sie Karriere machen und sich selbst und ihrer Familie ein ordentliches Maß an Wohlstand ermöglichen. Deswegen ist meine Empfehlung, nicht ein Servant-Leader, sondern ein We-care-Leader zu werden.” (S. 19).
Im zweiten Kapitel vertritt der Autor die These, dass herausragende Unternehmer und Führungskräfte der Vergangenheit und der Gegenwart Originale mit Ecken und Kanten waren: “Es sind Menschen mit einer einzigartigen Persönlichkeit, an die man sich auch nach einer langen Zeit noch erinnert.” (S. 34). Er kommt zu dem Schluss, dass sich moderne Originale durch die Originalität ihres Denkens, einen hervorragenden Charakter und klare Werte auszeichnen. Groth empfiehlt, dass man sich eine historische Führungskraft heraussucht und sich dann intensiv mit dieser Person beschäftigt. In entscheidenden Situationen fragt man sich dann einfach, wie diese Person wohl gehandelt hätte und hat somit immer ein Vorbild vor Augen.
Außerdem gibt Groth zehn weitere Tipps, wie man von der Kopie zum Original wird. Erstens: Zeigen Sie Humor. Lachen und Humor sind wichtige Gradmesser für eine gute Arbeitsatmosphäre, Produktivität und Führung. Alfred Biolek soll gesagt haben: “Man erkennt den Charakter eines Menschen an den Späßen, über die er lacht.” (S. 43). Zweitens: Seien Sie wahrhaftig. Groth geht es darum, dass Manager versuchen sollten, auch darauf zu achten, Notlügen zu vermeiden. Wenn beispielsweise der mitgebrachte Käsekuchen vom Mitarbeiter nicht schmeckt, mag man ihm das nicht sagen. Doch man sollte ihn auch nicht anlügen und sagen, dass der Kuchen schmeckt. Stattdessen schlägt Groth als Formulierung vor: “Ich liebe Käsekuchen (das ist wahr) und habe mich total gefreut, dass du welchen mitgebracht hast (auch wahr). Das war echt eine super Idee (gemeint ist das Backen und Mitbringen, nicht der Kuchen)!” (S. 46). Auf diese Weise hat man nicht gelogen und dennoch dem Kollegen nicht vor den Kopf gestoßen. Drittens: Wahren Sie Ihre Würde. Um zu erkennen, welche Handlungen unsere Würde verletzen könnten empfiehlt Groth einen Grundsatz von Warren Buffett: “Ich will, dass sich Angestellte fragen, ob sie willens sind, dass jegliche erwogene Handlung am kommenden Tag auf der ersten Seite ihrer Lokalzeitung erscheint, gelesen von ihren Ehepartnern, Kindern und Freunden und recherchiert von einem informierten und kritischen Reporter.” (S. 51). Viertens: Beweisen Sie Rückgrat. Fünftens: Entwickeln Sie Klugheit. Damit ist nicht Wissensaufbau gemeint, sondern die Fähigkeit, einschätzen zu können, in welchen Situationen man handeln sollte und wann nicht. Sechstens: Halten Sie Versprechen. Groth picht darauf, dass man eine Zusage nicht mit einer Absichtserklärung verwechselt. Wenn man jemandem eine Mail für ein bestimmtes Datum zusagt, sollte man es auch einhalten und nicht erst ein paar Tage danach liefern. Siebtens: Übernehmen Sie Verantwortung. Der Führungskraft sollte klar sein, dass sie für alles verantwortlich ist, auch wenn es durch den Fehler der Mitarbeiter geschehen ist. Achtens: Unangenehmes selbst erledigen. Dabei geht es nicht um Arbeiten, die eindeutig in den Bereich des Mitarbeiters fallen. Wer sich als Chef immer die Rosinen herauspickt und das Unangenehme delegiert, wird nicht als Leader wahrgenommen. Neuntens: Sagen Sie, was Sie tun werden, und tun Sie, was Sie sagen. Zehntens: Schreiben Sie eine Gebrauchsanweisung für sich selbst. Dieser Punkt ist ein sehr guter und pragmatischer Tipp. Vor allem neue Kollegen können nicht wissen, worauf der Vorgesetzte Wert legt. Wenn man dann schwarz auf weiß die Do’s and Don’ts vor sich liegen hat, wird vieles sehr viel einfacher.
Im dritten Kapitel erklärt Groth, wie man zu einer wirkungsvollen Persönlichkeit wird. Im Wesentlich hängt dies von zwei Eigenschaften ab, die in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden sein sollten: Warmherzigkeit und Stärke. Wer Wärme, Verbundenheit und Vertrauenswürdigkeit ausstrahlt und gleichzeitig Stärke, Macht und Kompetenz demonstriert, wird von den Mitarbeitern als wahrer Leader wahrgenommen.
Im vierten Kapitel geht Groth vor allem auf die Einstellung der Führungskraft zum Leben ein. Ein Vorgesetzter braucht demnach drei grundsätzliche Eigenschaften: Vertrauen, Akzeptanz und Demut. Der Autor plädiert dafür, dass Führungskräfte Hochmut vermeiden und alle Menschen mit Respekt und auf Augenhöhe behandeln.
Im fünften Kapitel zeigt Groth, worauf Führungskräfte bei der Personalentwicklung achten müssen und gibt folgende Tipps. Erstens: Der Grad des Empowerments sollte sich an den Kompetenzen, der Reife der Persönlichkeit und der Vorerfahrung mit Empowerment des jeweiligen Mitarbeiters orientieren. Empowerment sollte nur Schritt für Schritt erhöht werden, damit sich die Mitarbeiter und die Führungskraft langsam daran gewöhnen können. Zweitens: Fehler sollten differenziert betrachtet werden. Beruhen sie auf klugen und nachvollziehbaren Annahmen, sollte der Mitarbeiter dafür sogar gelobt werden. Drittens: Die Führungskraft soll ihre Mitarbeiter nach Vertrauen und Zutrauen auf einer Skala von 1 bis 10 beurteilen und sie anschließend so behandeln, als hätten sie jeweils drei Punkte mehr. Viertens: Mitarbeitern wöchentlich Feedback geben. Fünftens: Die Führungskraft sollte dafür sorgen, dass die Mitarbeiter regelmäßig die Komfortzone verlassen und in die Wachstumszone eintreten. Sechstens: Vorgesetzte sollten für alle wichtigen Stellen inklusive der eigenen Nachfolger aufbauen, indem sie entsprechend Aufgaben gezielt delegieren.
Im sechsten Kapitel betont Groth, dass eine Führungskraft sich nicht auf die Schwächen und Defizite, sondern auf die Stärken der Mitarbeiter konzentrieren sollte. Insbesondere Persönlichkeitsmerkmale bleiben stabil und können von der Führungskraft quasi nicht geändert werden. Um die Stärken wahrzunehmen, rät Groth, ein Journal anzulegen, in dem die Führungskraft nach und nach alles Positive zu den einzelnen Mitarbeitern aufführt. Außerdem rät er dazu, die Auswahl und die Einstellung neuer Mitarbeiter als absolute Chefsache zu betrachten und eines der Interviews persönlich zu führen.
Im siebten Kapitel regt Groth an, dass jede Führungskraft eine Vision für seinen Bereich entwerfen sollte. Besonders interessant fand ich die Studie, die Groth anführt. Demnach arbeiten in Unternehmen mit mehr Mitarbeiterorientierung deutlich mehr Aktiv-Engagierte.
Kapitel acht ist ein zentrales Kapitel in diesem Buch: Groth stellt das Leadership-Prinzip Nummer eins vor: die Liebe. Dabei betrachtet Groth die Liebe als eine Haltung und Charakterorientierung, die aus vier Elementen besteht. Erstens: Den anderen sehen. Groth hierzu: “Einen Menschen anzusehen schafft Ansehen” (S. 197). Zweitens: Den anderen achten. Führungskräfte sollten die Mitarbeiter sein lassen, wie sie sind und nicht versuchen, sie zu verbiegen und den eigenen Wünschen anzupassen. Den anderen zu achten bedeutet auch, ihn anzunehmen, wie er ist. Drittens: Verantwortung übernehmen. Das bedeutet: Die Mitarbeiter zu schützen, wenn sie Fehler gemacht haben, sich für die Entwicklung der Kollegen einzusetzen, sich für die Mitarbeiter und deren Bedürfnisse einzusetzen und dem Mitarbeiter Rückmeldung zu seiner Leistung zu geben. Viertens: Gutes im Leben anderer bewirken.
Groth gelingt es mit seinem Buch an vielen Stellen zu inspirieren. Besonders anschaulich werden seine Thesen durch ständiges Anführen von Beispielen aus der Praxis. Wem der Ansatz des We-care-Leaders zusagt, muss dieses Buch lesen. A.K.