• Startseite
  • Empfehlung des Monats
  • Allgemeine Wirtschaftstitel
  • Finanzen / Geldanlage
  • Biografien
  • Karriere / Management
  • Interviews

Blog Post

by : MY
comment : Off
  • Titel: Reichtum im Urteil der Bevölkerung. Legitimationsprobleme und Spannungspotentiale in Deutschland
  • Autor: Glatzer, Wolfgang; Nüchter, Oliver; Beck, Jens; Bieräugel, Roland; Hallein-Benze, Geraldine; Schmid, Alfons
  • Verlag: Verlag Barbara Budrich, Leverkusen
  • ISBN-13: 978-3-86649-219-6
  • Seitenzahl: 108
  • Erscheinungsjahr: 2009
  • Rezensent: Dr. Rainer Zitelmann

Die vorliegende Untersuchung entstand als Nebenprodukt eines sozialstaatlichen Forschungsvorhabens für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt. Insbesondere werden Ergebnisse von Interviews sowie von Befragungen von insgesamt 5.000 Personen wiedergegeben.

Wer ist überhaupt reich bzw. ein Reicher? Die Forscher fragten nach verschiedenen Dimensionen. Sie wollten von vornherein den Begriff nicht allein auf eine bestimmte Vermögens- und Einkommenshöhe einschränken. Reichsein, so ihre These, könne „vom materiellen Reichtum, vom Geldreichtum entkoppelt werden“ (S.41). Dies erscheint aus meiner Sicht fraglich. In den Fragestellungen wurden die Ergebnisse schon vorweg genommen, wenn z.B. gefragt wurde, ob man jemanden als reich empfinde, wenn er gesund sei. Wer so fragt, erhält natürlich auch entsprechende Antworten: 91% nannten „gesund sein“ als Form des Reichtums. Nun ja, wer viel Geld hat und krank ist, hat natürlich nichts davon. Aber ergibt es wirklich einen Sinn, den Begriff „Reichtum“ so sehr auszuweiten, dass z.B. „Gesundheit“ darunter subsumiert wird? Wenn man anders gefragt hätte, dann hätte sich vermutlich doch herausgestellt, dass die meisten Menschen mit „Reichtum“ vor allem eine bestimmte Geldsumme verbinden.

Diese Frage wurde auch gestellt. Für die meisten Befragten ist jemand reich, der netto zwischen 2.000 und 20.000 Euro/Monat verdient bzw. ein Vermögen im Wert von 50.000 bis zwei Mio. Euro besitzt. Der Median liegt bei einem Nettoeinkommen von 5.000 Euro oder einem Vermögen von 500.000 Euro (der Mittelwert sagt in diesem Fall nichts aus, weil manche Befragte offenbar mit Millionen und Milliarden nichts anfangen können. Die Antworten, ab wann jemand reich sei, reichten bis zu einem geforderten Mindestvermögen (!!) von 100 Mrd. Euro – eine Summe, die jedoch in Wahrheit kein einziger Mensch auf der Welt besitzt, nicht einmal Bill Gates oder Warren Buffett.

Was sind die Gründe, warum Menschen reich sind? Die Antworten auf diese Frage sind sehr interessant. Als Gründe wurden vor allem „Beziehungen“ genannt. 82 Prozent der Befragten sehen dies als wichtigsten Grund für Reichtum – man müsse eben „die richtigen Leute kennen“. 80 Prozent meinen, „bessere Ausgangsbedingungen“ seien der Grund, warum manche Menschen reich sind, andere nicht. 68 Prozent glauben, es liege an besonderen „Fähigkeiten oder Begabungen“. Eine Mehrheit von immerhin 54 bzw. 52 Prozent vermutet „Ungerechtigkeiten im Wirtschaftssystem“ oder „Unehrlichkeit“ der Menschen, die reich sind, als Ursache ihres Reichtums. Immerhin 53 Prozent billigen den Reichen zu, durch harte Arbeit reich geworden zu sein, aber fast jeder dritte glaubt, die Reichen hätten einfach „Glück“ gehabt (S.65).

Ich meine: Dies sind sozialpsychologisch verständliche Entlastungsreaktionen bzw. Lebenslügen derer, die nicht so reich sind. Wer glaubt, andere seien vor allem durch „Unehrlichkeit“ reich geworden, hat eine moralisch schön klingende Erklärung dafür, warum er selbst es nicht zum Reichtum gebracht hat: „Ich bin eben zu ehrlich.“ Oder: „Ich habe kein Glück“, „ich habe schlechtere Ausgangsbedingungen gehabt“, „mir fehlen die Beziehungen“ usw. Was dabei übersehen wird: Gute Beziehungen bauen sich die Reichen oftmals selbst auf und bekommen diese nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Und dass es bei den Reichen mehr unehrliche Menschen geben soll als in der Unterschicht, ist eine Legende, die durch nichts belegt ist.

Immerhin 71 Prozent der Deutschen, so ein anderes Ergebnis der Studie, glauben, „Reiche Menschen genießen im Leben Vorteile, die ungerechtfertigt sind“ (S. 77). Die Studie beruht auf Befragungen der Jahre 2005 bis 2007, also bevor die massive Medienkampagne gegen „Manager“, „Banker“ usw. losging. Ich vermute, würde man die Befragung heute wiederholen, dann würden die hier dargestellten Einstellungen sogar noch deutlicher in Erscheinung treten. Bereits in dieser Studie wurde immer wieder von den Befragten vehement die Meinung vertreten, dass Managergehälter und Durchschnittseinkommen keine „zu großen Divergenzen“ aufweisen dürften (S.34). „Die großen Unterschiede zwischen Managergehältern und Durchschnittseinkommen stoßen bei fast allen Befragten auf Ablehnung. Sie seien für das soziale Klima abträglich und für die weitere gesellschaftliche Entwicklung schädlich. Zwar solle die Leistung eines Managers mit einem höheren Gehalt entlohnt werden, jedoch müsse das Gehalt in einer adäquaten Relation zu den übrigen Einkommen gesehen werden.“ (S.42f.) Aus meiner Sicht ist das eine naive Meinung: Wer bestimmt, welches Gehalt richtig bzw. welcher Unterschied „zu groß“ ist? Entweder kann dies der Markt bestimmen, nämlich Angebot und Nachfrage für die Leistung von Spitzenmanagern. Oder der Staat setzt eine maximale Divergenz bzw. Einkommensobergrenzen fest. Dann haben wir aber kein markt-, sondern ein planwirtschaftliches System und Deutschland wäre im internationalen Wettbewerb um Spitzenkräfte nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Autoren des Buches sympathisieren offensichtlich bis zu einem bestimmten Grad mit den egalitären Auffassungen, die in weiten Bevölkerungskreisen verbreitet sind. So bezweifeln sie, dass der Sozialneid in Deutschland ein verbreitetes Phänomen sei. Man kann die Ergebnisse der Untersuchung jedoch auch durchaus – so wie ich dies in vorliegender Rezension tue – sehr viel kritischer bewerten. Die zu Tage geförderten Fakten sind so oder so interessant.



Social Share

    Aktuelle Beiträge

    • 50 Jahre Entwicklungshilfe – 50 Jahre Strohfeuer
    • „Mr. Capri Sun“ – eine spannende und lehrreiche Unternehmergeschichte
    • Reizwort „Kapitalismus“: Rainer Zitelmann lässt Fakten sprechen
    • Neue Quellen zeigen, warum Deutsche sich der NSDAP anschlossen
    • Frei heraus: Mein selbstbestimmtes Leben
    • Der Kapitalismus muss „korrigiert“ werden.
    • Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima
    • Kritik der intellektuellen Konsum-Verächter

    Neuerscheinung 2022


    Bestellmöglichkeit, Leseproben und mehr... hier

    • Dr. Dr. Rainer Zitelmann
    • Impressum
    • Datenschutz
    • Cookie Einstellungen