Das soeben erschienene Buch „Mr. Capri Sun“ ist die faszinierende Biografie eines faszinierenden Menschen – ein Buch, das Lust auf Unternehmertum macht und zeigt, was alles möglich ist, wenn man sich größere Ziele setzt. „Sich immer wieder neue Ziele vorzunehmen und sie zu erreichen, diese Einstellung durchzieht daher nicht nur meine persönlichen Lebenserinnerungen, sondern genauso meinen unternehmerischen Einsatz“, schreibt Capri-Sonne-Erfinder Hans-Peter Wild gleich zu Beginn seines Buches.
Der 1941 in Heidelberg geborene Vollblut-Unternehmer gab sich nicht damit zufrieden, in Deutschland erfolgreich zu sein: „Mein Ziel war schließlich von Anfang an, Capri-Sonne und WILD-Flavors zu Global Players zu machen. Man muss sich Ziele setzen und darf sie, trotz mancher Unwägbarkeiten auf der Strecke, nicht aus den Augen verlieren.“ Sein Vater rechnete ihm vor, dass sein Unternehmen, wenn jeder in der damaligen Bundesrepublik nur eine einzige Capri-Sonne im Jahr trinkt, 60 Millionen Beutel verkaufen würde. Seine Mitarbeiter hielten solche großen Zahlen für unrealistisch, aber für Wild waren sie zu klein. Sein Ziel war es, jedes Jahr weltweit mehrere Milliarden Capri-Sonne zu verkaufen – und er hat dieses Ziel, das die meisten Menschen sicherlich als „unrealistisch“ oder gar „unmöglich“ abgetan hätten, erreicht. Heute gibt es Capri-Sun in 100 Ländern.
Große Ziele sind wichtig
Wild schreibt, dass er eigentlich in der Zukunft lebt: „Mein Denken, mein Engagement, meine Investitionen hatten und haben ferne Ziele im Visier. Es handelt sich dabei um konkrete Ziele, die unsere Zukunft sowohl im Unternehmen selbst als auch darüber hinaus sicherer gestalten sollten und formen werden.“ Was treibt Unternehmer wie Wild an? Ich habe es in meinem Buch „Setze dir größere Ziele“ mit dem Begriff „produktive Unzufriedenheit“ bezeichnet, Wild nennt es „Constant Dissatisfaction“, „wenn ein Unternehmer sich mit dem Erreichten nicht zufrieden gibt, sondern konstant auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist“. Denn, so schreibt er an anderer Stelle: Sobald ein Unternehmer „ganz zufrieden ist mit dem, was erreicht hat“, hört er auf, besser werden zu wollen. „Dann baut sein Unternehmen mit der Zeit sukzessive ab.“ Der Ökonom Joseph Schumpeter hat den Typ des Unternehmers und seine Psychologie mit diesen Worten charakterisiert: Derjenige, der etwas „Neues und Ungewohntes“ tun wolle, habe nicht nur mit äußeren Widerständen zu rechnen, „sondern auch solche in seinem eigenen Inneren zu überwinden“. Der von Schumpeter beschriebene Typus des Unternehmers schwimmt „gegen den Strom“. „Die Tatsache, dass etwas noch nicht getan wurde, wird von ihm nicht als Gegengrund empfunden. Jene Hemmungen, die für die Wirtschaftssubjekte sonst feste Schranken ihres Verhaltens bilden, fühlt er nicht.“ Wer dieses Buch liest, wird zahllose Beispiele finden, wie sehr diese Beschreibung auf Wild zutrifft.
Ausdauer und Experimentierfreudigkeit
Vor allem zeigt sein Buch eines: Entscheidend für den unternehmerischen Erfolg ist die Kombination von Ausdauer und Experimentierfreudigkeit. Ausdauer ist wichtig, aber sie führt zu nichts, wenn sie sich nicht mit der Freude am Experimentieren verbindet. Mich erinnerten die Schilderungen, wie schwierig es war, das Produkt Capri Sun zu entwickeln, an die faszinierende Geschichte von McDonalds. Eine „Capri Sun“ und eine Portion Pommes sehen einfach aus, und man ahnt gar nicht, wie schwierig es ist, ein solches Produkt für den Weltmarkt zu perfektionieren, wie viele Schwierigkeiten und Rückschläge überwunden werden müssen. Das gelingt nur, wenn der Unternehmer Freude am Experimentieren hat. „Tatsächlich trifft es auf mich zu“, so Wild, „dass ich für Neues, für Experimentelles stets aufgeschlossen war und bin… Etwa alle fünf Jahre etwas kreativ bedeutend Neues anzufangen, ohne dabei Erfahrungsgrundlagen außer Acht zu lassen, diese Einstellung hat wesentlich dazu beigetragen, dass ich meine zwei weltweit agierenden Konzerne etablieren und ausbauen konnte.“ Zuerst gelang es ihm, mit Capri-Sun die Weltmärkte zu erobern, danach mit seinem zweiten Unternehmen WILD Flavors. Nur wer groß denkt, erreicht auch große Ziele. Groß denken heißt für Wild vor allem, global denken. Anfang der 1960er Jahre war das Unternehmen noch ganz stark auf den deutschen Markt fokussiert. Doch schon früh reifte in ihm der Entschluss, weltweit zu expandieren. Er eroberte ein Land nach dem anderen. 1994 errang Capri-Sun in Kooperation mit Kraft General Food auch in den USA die Marktführerschaft bei flexibel verpackten fruchthaltigen Getränken. „Ein Vierteljahrhundert nach dem Produktionsstart in Heidelberg war somit der sonst umgekehrt übliche Weg auf dem Getränkemarkt geschafft. Die Überraschung war perfekt: Ein Erfrischungsgetränk aus Deutschland hatte den amerikanischen Markt erobert.“
Marketing mit Muhammad Ali
Das wäre nicht möglich gewesen, wenn Wild sich nicht der Bedeutung des Marketings bewusst gewesen wäre. Charakteristisch ist auch hier wieder, dass Wild groß dachte und keine Angst vor dem scheinbar „Unmöglichen“ hatte. Für eine weltweite Expansion brauchte er einen Werbeträger, der weltweit bekannt war. In einer Sitzung mit den Mitarbeitern ging er die Namen von weltweit Prominenten durch, und Wild sagte scherzhaft, dass der Papst seine erste Wahl wäre, aber leider nicht in Frage käme. Das gleiche gelte wohl für den Schwergewichts-Boxweltmeister Muhammad Ali. „Aber im selben Moment, als ich in unserer Sitzung von der schieren Unmöglichkeit gesprochen habe, diesen weltbekannten Sportler für uns zu gewinnen, hatte sich auch schon die Idee in meinem Kopf festgesetzt, ‚den größten Champion aller Zeiten’ zu engagieren.“ Später hat Ali für viele Produkte Werbung gemacht, aber zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nie einen Werbevertrag unterzeichnet. Das „Handelsblatt“ staunte, Wild habe „der gesamten internationalen Werbeelite den wohl zur Zeit zugkräftigsten Werbeträger vor der Nase weggeschnappt.“ Wild hätte es sich einfach machen, sich ins gemachte Nest setzen und die Firma seines Vaters übernehmen können. Doch genau das tat er nicht. Er heuerte bei einem Unternehmen aus einer ganz anderen Branche an und wurde dort nach sechs Wochen zum Geschäftsführer befördert. Das ist natürlich sehr ungewöhnlich, beweist aber neben seinen Fähigkeiten vor allem eines: Wild ist jemand, dem Menschen schnell vertrauen. Vertrauen ist im Geschäftsleben entscheidend. Niemand anders als John D. Rockefeller, einer der reichsten Männer der Geschichte, hat die Bedeutung des Vertrauens immer wieder betont. Menschen, die das Vertrauen anderer Menschen gewinnen, schenken auch selbst anderen Menschen schnell ihr Vertrauen. Wild beschreibt, wie er immer wieder Nachteile in Vorteile zu verwandeln verstand. So gab es beispielsweise keine geeigneten Abfüllmaschinen für die „Capri Sonne“- Getränkebeutel. Und es gab auch keinen Maschinenbauer, der solche herstellen konnte. Andere hätten sich davon abhalten lassen. Wild wurde selbst zum Maschinenbauer und hatte damit einen Vorsprung, denn niemand konnte seine Idee so einfach kopieren, weil ihm dafür die Maschinen fehlten. Ein Kernsatz des berühmten Buches von Napoleon Hill, „Denke nach und werde reich“ lautet: „Jeder Misserfolg trägt für den, der von sich und seinem Ziel überzeugt ist und in seinen Bemühungen nicht nachlässt, den Keim eines weit größeren Erfolgs in sich!“ Beispiele dafür finden sich viele in diesem Buch. In den USA schreiben erfolgreiche Unternehmer häufig Autobiografien – in Deutschland leider sehr selten. Das ist schade, denn im Laufe eines Unternehmerlebens sammelt der Unternehmer viele Erfahrungen, die für jüngere Menschen sehr wertvoll sein können. Zudem motivieren Bücher wie das von Wild und zeigen jungen Menschen eine Alternative zu dem üblichen Leben als Angestellter oder Beamter. Ich finde, Bücher wie das von Wild sollten in Schulen gelesen werden. Ja, Goethe ist wichtig und großartig, aber wie sollen Schüler Lust auf Unternehmertum bekommen, wenn nicht durch die erlebte Geschichte von Unternehmern? Der Lehrer, der selbst nie in der Wirtschaft tätig war, sondern von der Schule in die Uni gegangen ist, um dann wieder zurück in die Schule zu gehen, wird selbst in der Regel keine Lust auf Unternehmertum vermitteln. Ich würde mir wünschen, dass Unternehmer wie Wild ihre Geschichten in der Schule erzählen – und ich bin sicher, für die Schüler wäre das mindestens so spannend wie für den Leser die Autobiografie von Wild ist.