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tag : Linke
by : MY
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  • Titel: Unter Linken. Von einem, der aus Versehen konservativ wurde
  • Autor: Fleischhauer, Jan
  • Verlag: Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 978-3499624780
  • Seitenzahl: 384
  • Erscheinungsjahr: 2009
  • Rezensent: Dr. Rainer Zitelmann

Wer dieses Buch lieber meiden sollte, sind eingefleischte Linke – damit meine ich nicht etwa nur die Anhänger der Partei, die sich nach vierfacher Umbenennung (KPD/SED/PDS/Linke) so nennt, – sondern ebenso Grüne, SPD-Wähler und andere linksorientierte Menschen. Nur wenn sie einen ausgeprägten Hang zum Masochismus haben (das denke ich manchmal über mich selbst, wenn ich mir immer wieder Talkshows über „soziale Gerechtigkeit“ anschaue) oder einen ausgeprägten Sinn für Humor (was bei Linken jedoch eher die Ausnahme sein dürfte), werden sie dieses Buch mit Gewinn lesen.

Die übergroße Mehrheit der Leser der IMMOBILIEN NEWS sowie meines Buchportals „Empfohlene Wirtschaftsbücher“, wo diese Besprechung erscheint, ist jedoch nicht der linken Glaubensrichtung zuzuordnen. Sie werden das Buch ebenso mit Genuss lesen wie der Vorstandsvorsitzende einer börsennotierten Immobilien-AG, mit dem ich befreundet bin und der mir von seiner Urlaubslektüre erzählte. Das Buch stand zwar schon länger in meinem Regal, aber bei meinem Urlaub in Ibiza fand ich nach dieser dringenden Empfehlung endlich Zeit, es zu lesen.

Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem so humorvoll und treffend die Gefühlswelt der Linken beschrieben wird wie in diesem. Der SPIEGEL-Redakteur Fleischhauer wuchs in einem linken Elternhaus auf. „Als McDonald’s eine Filiale in unserem Stadtteil aufmachte, hielt mir mein Vater einen ernsten Vortrag über den verderblichen Einfluss amerikanischer Fastfood-Kultur.“ (S. 9) Leider gab es auch keine Orangen zuhause, denn „in diesem Fall waren die zitrusfruchtproduzierenden Länder der Welt für einen Zeitraum, der unglücklicherweise mit unserer Kindheit zusammenfiel, in die Hände von irgendwelchen Caudillos oder anderweitig fragwürdigen Machthabern geraten.“ (S. 13) Spanische Orangen waren tabu wegen des rechten Diktators Franco, südafrikanische wegen der Apartheid, israelische wegen des Schicksals der Palästinenser und amerikanische sowieso wegen ihrer Herkunft aus dem Kernland des Kapitalismus und Imperialismus.

Und als in den Zeitungen stand, dass in Afrika Kinder an Milchpulver von Nestlé sterben, war sofort auch das Nesquik vom Frühstückstisch verschwunden. „Nachdem mich ein Freund darauf aufmerksam gemacht hatte, dass auch Smarties von Nestlé waren, betete ich inständig, meine Mutter möge das nie herausfinden.“ (S. 12)

Bei Gesprächen am Frühstückstisch war klar, wie die Welt geordnet war: Es gab die Guten, das waren die Linken, die sich für alle Armen, Unterdrückten und Entrechteten einsetzen. Und es gab die anderen – die logischerweise nur die Schönredner von Unterdrückung und Ausbeutung sein konnten, also die Rechten und Konservativen, die man schnell unter Faschismusverdacht stellte.

Heute, so Fleischhauer, hat sich die Linke in der politischen Kultur in Deutschland durchgesetzt. „Ein zeitgenössisches Theaterstück, das nicht kritisch mit der Marktwirtschaft abrechnet? Undenkbar. Ein Künstler, dem bis zur Abwahl von George W. Bush zu Amerika nicht auf Anhieb Guantánamo, Abu Ghraib und die fehlende Unterschrift unter dem Kyoto-Protokoll einfiel? Indiskutabel. Rock gegen links? Ein Scherz.“ (S. 14)

Um Argumente geht es dabei nicht unbedingt, sondern es geht um etwas, das nach linker Lesart viel „authentischer“ ist, um Gefühle. Was mit „authentisch“ gemeint ist? Fleischhauer zitiert aus einem anderen Buch: „Authentisch ist, wenn in einer Bürgerversammlung fünf hochkarätige Wissenschaftler dargelegt haben, warum der Neubau eines Golfplatzes kein bedrohliches Risiko darstellt, und dann einer aufsteht und sagt: ‚Aber ich habe Angst.‘ Dann können die fünf Experten einpacken. Und die Journalisten wissen, wem sie ihr Mikrophon unter die Nase halten.“ (S. 317) Das eigene Empfinden wird zum Maßstab der Weltbeurteilung. „Was macht das mir dir?“ lautet die Frage und „Wie geht es dir damit?“ (S. 318)

Was ist jedoch links? Nach dem Selbstverständnis der Linken ist es das Eintreten für alle, die auf irgendeine Weise „Opfer“ sind, also für Minderheiten, für Arme, für Gedemütigte. Das klingt sympathisch. Aber wer ist heute Opfer? Genau genommen sind das alle, oder zumindest fast alle (ausgenommen sind auf jeden Fall Investmentbanker, Manager und Immobilienhaie). Opfer zu sein ist, so Fleischhauer, heute so etwas wie ein Ehrentitel und garantiert gleichermaßen Mitgefühl wie auch soziale Leistungen und umfängliche Betreuung durch den Wohlfahrtsstaat. Über einen Mangel an Mandanten, also an Opfern, könne sich die Linke nicht beklagen. „So wie sie es sieht, kann nahezu jeder Beistand brauchen: Wer das noch nicht gemerkt hat, der hat sich nur noch nicht richtig umgesehen. Es gibt so viele Möglichkeiten, zum Opfer der Gesellschaft zu werden, sich benachteiligt oder entrechtet zu fühlen. Es reicht schon, dass man Frau ist oder alleinerziehend oder im falschen Teil Deutschlands geboren. Mit einer bestimmten Herkunft und sozialen Stellung ist man sogar gleich mehrfacher Diskriminierungsfall. Jetzt kommt es darauf an, die Adresse zu finden, bei der man seine Ansprüche geltend machen kann.“ (S. 28)

Als ich diese Zeilen las, fiel mir eine Anzeige aus der linken „taz“ ein, in der eine Selbsthilfegruppe von „schwarzen Lesben“ Mitstreiterinnen suchte. Sie seien, so hieß es dort, schließlich gleich dreifach benachteiligt und ausgegrenzt, nämlich als Frauen, als Schwarze und als Lesben. Das klingt so wie drei Ehrentitel oder ein Orden mit drei Sternen.

Diskriminierung kann überall lauern, auch da, wo man sie auf den ersten Blick gar nicht vermuten sollte. Fleischhauer berichtet von einem Arbeitgeber, der einen kostenlosen Werkskindergarten für seine Mitarbeiter einrichten wollte. Eine gute Sache, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Doch bei näherer Betrachtung sieht die Sache ganz anders aus, denn ein homosexuelles Betriebsratsmitglied meldete Ausgleichsansprüche an. Begründung: Er habe ja nichts von der sozialen Wohltat. Ein klarer Fall also von „Entgeltdiskriminierung“. Fazit: „Der Arbeitgeber verzichtete lieber auf den familienfreundlichen Plan, als sich in eine Gleichstellungsdiskussion zu verstricken.“ (S. 35)

Das Absurde: Je weniger wirkliche Diskriminierung es gibt, desto lauter wird der Aufschrei über eine angeblich überall verbreitete Ausgrenzung und Benachteiligung. Nichts ist so absurd, dass es sich nicht in der bundesdeutschen Wirklichkeit tatsächlich so ereignet hätte. Auf Initiative von Frauenverbänden tragen Sturmtiefs seit dem Jahre 1998 in ungeraden Jahren männliche Namen und in geraden weibliche, um einer Diskriminierung vorzubeugen. (S. 45) Heute, im Jahre 2014, würde so etwas bestimmt anders laufen: Der Vorschlag würde wohl lauten, generell alle Sturmtiefs mit männlichen Namen zu belegen, sozusagen als historische Wiedergutmachung für eine zum Himmel schreiende und leider erst jetzt – viel zu spät! – erkannte Ungerechtigkeit, die Frauen über Jahrhunderte benachteiligte, weil Sturmtiefs mit weiblichen Namen belegt worden waren.

In Berlin war man da schon konsequenter: Hier gibt es einen Senatsbeschluss, dass neue Straßen nur noch nach Frauen benannt werden dürfen, damit die Gleichberechtigung irgendwann auch im Stadtbild erreicht ist. (S. 45)

Der Feminismus hat vom obersten Bundesministerium bis zur kleinsten Amtsstube in der Kleinstadt überall Einzug gehalten – und sorgt vor allem dafür, dass feministische WissenschaftlerInnen an lukrative Aufträge kommen. Das Bundesverkehrsministerium gab 324.000 Euro für eine Studie über „Gender Mainstreaming im Städtebau“ aus, und das Bundesumweltministerium 180.000 Euro für eine Studie zum „Gender Mainstreaming“. Hier wurde unter anderem festgestellt, dass es geschlechterpolitisch sinnvoll sei, wenn es „Motorsägenkurse für Frauen“ gäbe. (S. 49)

Harte Vertreterinnen des Feminismus meinen, das Geschlecht sei sowieso nur eine gesellschaftliche Konstruktion und durch geeignete (Um-) Erziehungsmaßnahmen ließen sich langfristig alle Unterschiede egalisieren. Überhaupt sollen alle Unterschiede zwischen den Menschen eingeebnet werden, so das große linke Programm. Fleischhauer zeigt auf, wie die Linke in einer langen Tradition utopischer Gesellschaftsentwürfe steht, denen allen eines gemeinsam ist: Der Glaube, dass Gleichheit die Menschen glücklich mache. „Zentrales Anliegen aller Utopien ist die Gleichheit, nicht im Sinne der Rechtsgleichheit, das wäre zu einfach, sondern der Gleichheit der Lebensverhältnisse.“ (S. 73)

Wo Ungleichheit herrscht, sind die „Opfer“ per Definition schuldlos. Das gilt für sozial Schwache und Hartz-IV-Empfänger ebenso wie selbstverständlich auch für „BürgerInnen mit Migrationshintergrund“ (wie es politisch korrekt wohl heißt). Wer die Schuld für mangelnde Integration nicht ausschließlich bei der Mehrheitsgesellschaft der Deutschen suche, sondern auch bei denjenigen, die nicht bereit seien, die deutsche Sprache zu lernen und die hier herrschenden Normen zu akzeptieren, werde rasch unter den Generalverdacht der „Ausländerfeindlichkeit“ gestellt.

Hinter der „Ausländerfreundlichkeit“ der Linken stehe jedoch oft eher ein – um es vorsichtig zu sagen – gespaltenes Verhältnis zum eigenen Volk und zum eignen Land. „Lasst uns mit den Deutschen nicht allein“, lautete ein in der linken Szene beliebter Spruch. „Tatsächlich hat sich gerade auf der Linken die Idee festgesetzt, man müsse das Deutsche durch Zuzug von außen gewissermaßen verdünnen, so wie man eine toxische Substanz durch Verwässerung unschädlich macht… In einer Art fortdauerndem Exorzismus sollten die Ausländer helfen, den deutschen Dämon in Schach zu halten.“ (S. 262)

Der Autor zeigt, wie in fast allen Lebensbereichen der deutschen Gesellschaft jenes Denken Einzug gehalten hat, das auf den Umbruch von 1968 zurückgeht. Das gilt für die Justiz, wo das Verständnis für die als „Opfer“ verstandenen Straftäter zu einem massiven Rückgang von Gefängnisstrafen geführt habe, ebenso wie für das Bildungssystem, das einstmals vorbildlich in Deutschland war und heute international in einen bedauernswerten Rückstand geraten sei.

Fleischhauer hat ein grandioses und witziges Buch geschrieben, das ich jedem zur Lektüre empfehle. Ich würde mir für eine Neuauflage ein ergänzendes Kapitel wünschen oder – besser noch – ein neues Buch des Autors zu diesem Thema: Warum wurde und wird der linken Ideologie so wenig Widerstand entgegengesetzt? Warum haben Konservative und Liberale oft ein schlechtes Gewissen und argumentieren meist aus der Defensive? Bei jeder Talkshow kann man sehen, wie sich der Konservative oder der Vertreter der Wirtschaft bei einem Linken oder Grünen anbiedert und beteuert, eigentlich sei man gar nicht so weit auseinander usw. usf. Linke tun das nicht.

Das linke Milieu in seiner reinen Form, wie es der Autor beschreibt, ist vielen Lesern sicherlich fremd. Mir nicht, weil ich selbst aus einem linken Pfarrhaus komme, an einer linken Gesamtschule in Hessen unterrichtet wurde und selbst in meiner Jugend weit links gestanden habe – so wie der Autor. Vielleicht kann nur derjenige das linke Milieu und Denken wirklich verstehen, der selbst einmal links war.

Aber das egalitäre Denken hat, und dies ist das eigentlich Schlimme, inzwischen Einzug gehalten weit über das linke Milieu im engeren Sinn hinaus. Es ist in weiten Teilen der Union heute ebenso zuhause, wo man für Mindestlohn und Mietpreisbremse eintritt. Zuletzt hat die linke Ideologie die Wirtschaft erfasst. Kaum ein Vorstandsvorsitzender kann heute eine Rede halten, ohne darin von „Nachhaltigkeit“ zu sprechen. Und natürlich muss auch ein entsprechender „Nachhaltigkeitsbericht“ verfasst werden, in dem das Unternehmen genauestens erklärt, was es zur Rettung des blauen Planeten vor dem finalen Klimakollaps beizutragen hat. R.Z.



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