Veranstaltungstipp – von Dr. Rainer Zitelmann
Vier Tage habe ich in der Schweiz an dem „Sales Boot Camp“ von Mike Dierssen teilgenommen. Um es vorweg zu sagen: Es hat sich gelohnt, deshalb habe ich mich zum Folgeseminar angemeldet.
Etwa 270 Teilnehmer hatten sich im Rahmen der „Jürgen Höller Academy“ zusammengefunden. Dierssen ist ein humorvoller Trainer, dem man sehr gerne zuhört. Er hätte sicher auch Pantomime-Künstler werden können: Durch seine Glatze wirkt die Mimik bei ihm noch intensiver. Lustig, wenn er einfältige Verkäufer oder schwierige Kunden nachmacht. Wer bei dem Seminar war, konnte nicht nur viel lernen, sondern auch viel lachen. Müde bin ich nicht geworden, obwohl vier Tage lang mein gewohnter Mittagsschlaf ausgefallen war…
Natürlich kannte ich Vieles, was er sagte, aber das ist bei jedem Verkaufstraining so. Die Gesetze des Verkaufens verändern sich schließlich kaum, auch wenn das manchmal behauptet wird. Aber der Wert eines solchen Seminars liegt darin, bekannte Dinge (die man aber oft nicht anwendet) zu wiederholen und dann immer mal wieder neue Ideen oder Varianten „aufzuschnappen“.
Beispiel Einwandbehandlung. Natürlich trug Dierssen Vieles vor, was ich kannte. Aber worüber ich bislang nie nachgedacht hatte: „Es gibt in der Regel nicht mehr als 5 – 7 Einwände, die sich stets wiederholen. Machen Sie sich mal die Mühe, zehn häufig vorgetragene Einwände gegen Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung zu finden. Das wird Ihnen schon schwerfallen.“ Stimmt. Und deshalb lohne es sich, diese Einwände aufzuschreiben und auch schriftlich Wege festzuhalten, wie man damit umgehen kann. Das haben die Teilnehmer des Seminars getan und dann „geübt“, wie sie genau jene Einwände entkräften können, die ihnen immer wieder in Verkaufsgesprächen begegnen.
Eine Methode der Einwandbehandlung, die ich noch nicht kannte, nennt sich die „Warum-doch?“-Methode. Das fand ich interessant, um wirklich die Kaufbereitschaft eines Interessenten zu testen und herauszufinden, ob es beispielsweise wirklich „nur“ am Preis liegt, wenn er nicht kauft, oder ob andere Gründe eine Rolle spielen.
Verkäufer: Was müsste ich heute machen bzw. Ihnen zusagen, damit wir zusammenkommen?
Käufer: Sie müssten 20% mit dem Preis runtergehen.
Verkäufer: Wenn ich das mache, sind wir uns dann sicher handelseinig? Können wir dann die Vereinbarung unterzeichnen?
Käufer: Ja, dann würde ich kaufen.
Verkäufer: Leider kann ich wirklich nicht um 20% mit dem Preis runtergehen. So kommen wir nicht zusammen. Mich würde jedoch interessieren, warum Sie gekauft hätten, wenn ich 20% nachlassen könnte. Können Sie mir die Gründe nennen?
Käufer: (Der Käufer zählt jetzt die Gründe auf, verkauft sich das Produkt selbst. Der Verkäufer kennt damit erstens genau die Kaufmotive und weiß zweitens ziemlich sicher, dass es tatsächlich – in diesem Beispiel – „nur“ am Preis lag. Sonst hätte der Käufer vorher auf die Frage, ob man sich dann „sicher handelseinig“ sei und die Vereinbarung unterzeichnen könne, ausweichend geantwortet).
Verkäufer reden oft zu viel. Einwandbehandlung heißt nicht, lange Reden zu schwingen, sondern in wenigen, klaren Sätzen mit dem Einwand umzugehen. Einwandbehandlungen sind keine ausufernden Erläuterungen und Debatten, sondern knapp vorgetragene Argumente, die „sitzen“. Die Teilnehmer übten das im Seminar in Gruppen und im Partnertraining.
Die erste Reaktion auf einen Einwand ist auch keineswegs, dass man „kontra“ gibt, sondern ehrliches Verständnis zeigt. Es ist wichtig, dass der Käufer sich verstanden fühlt. Wenn der Kunde etwas gesagt hat, braucht und soll der Verkäufer keineswegs immer „wie aus der Pistole geschossen“ antworten. „Es ist besser, zwei Sekunden abzuwarten, nichts zu sagen, zu lächeln, danach dann zunächst zu paraphrasieren, was der Kunde gesagt hat – und dann erst zu argumentieren.“
Eine mögliche Reaktion kann auch Schweigen sein.
Käufer: Sie sind einfach zu teuer.
Verkäufer: Schweigt. So lange, bis der Käufer wieder redet.
Die Methode kannte ich. Aber oft kommt es auf die Nuancen an. „Das Schweigen soll nicht aggressiv oder bedrohlich herüberkommen. Man kann dabei leicht lächeln und mit dem Kopf nicken.“
Viele Verkäufer machen vor allem den Fehler, nicht konsequent genug auf den Abschluss zuzusteuern. Sie reden, reden, reden. Und haben Angst, die Abschlussfrage zu stellen. „Stellen Sie mal nächste Woche bei Ihren Verkaufsgesprächen konsequent die Abschlussfrage sehr viel früher als sonst üblich.“ Viele Verkäufer überhören sogar eindeutige Kaufsignale, reden weiter und „vergessen“ aus Angst vor dem Nein, die Abschlussfrage zu stellen.
Auf Kaufsignale soll man mit der Abschlussfrage reagieren. Viele Verkäufer machen den Fehler, dass sie einfach auf die Frage des Kunden antworten, statt auf das Kaufsignal mit der Abschlussfrage zu reagieren.
Käufer: „Sind auch die Dienstleistungen x und y bei Ihnen inbegriffen?“
Verkäufer: „Sind wir Partner, wenn diese Dienstleistungen auch von uns erbracht werden können und im Preis inbegriffen sind?“
Der vielleicht häufigste Fehler von Verkäufern: Sofort mit der Produktpräsentation zu beginnen. Entscheidend ist die Bedarfsermittlung. Das heißt: Fragen, fragen, fragen. Und herausfinden, was der Kunde will. Wer mit der Präsentation anfängt, bevor er wirklich durch viele Fragen ermittelt hat, was der Kunde will, wird auch nicht verkaufen. Oder höchstens zufällig.
Gut gefallen hat mir auch der Selbsterkenntnisbogen von Dierssen. Wie viel Punkte von 1 bis 10 geben Sie sich für folgende verkäuferische Fähigkeiten?: Kundengewinnung, Beziehungsaufbau, Bedürfnisse identifizieren, Präsentation, Einwandbehandlung, Abschlusstechniken, Weiterempfehlung.
Allein das Ausfüllen dieser Liste führt schon zu einer Selbsterkenntnis, die der erste Schritt zur Verbesserung ist.
Und noch ein Tipp: „Interessiere dich nicht nur für die Firma, die der andere vertritt, sondern auch für den Menschen.“ Menschen kaufen von Menschen. Und von solchen, die ihnen sympathisch sind. Banal? Haben Sie alles schon gewusst? Im Verkauf geht es aber nicht um das „Wissen“, sondern um die Sicherheit in der Anwendung.
Mir hat das Seminar Spaß gemacht. Viele Verkäufer, die ich dort traf, stehen noch ganz am Anfang, sind auch noch recht unsicher. Dennoch können auch Fortgeschrittene eine Menge mitnehmen, wenn sie genau zuhören und mitdenken. Ich bin neugierig auf die Fortsetzung im Januar. R. Z.