Stefan Loipfinger ist zweifelsohne der bekannteste Fondsjournalist und -analyst in Deutschland. 15 Jahre lang hat er sich fast ausschließlich mit geschlossenen Fonds und offenen Immobilienfonds befasst. Seine Marktstudie der geschlossenen Fonds, die er zum Jahreswechsel 2007/2008 an Feri verkauft hat, war und ist das Standardwerk für die Branche. Kurz darauf hatte er erklärt, dass er sich künftig primär anderen Themen zuwenden werde. Seit Ende 2008 liegt die Bilanz seiner journalistischen Tätigkeit in der Fondsszene vor.
Freunde wird er sich mit diesem Buch nicht machen – aber das war auch nie die Maxime seiner Tätigkeit. Er berichtet ausführlich über seine Recherchen zu den schwarzen Schafen der Branche der geschlossenen Fonds. Viele der in dem Buch beschriebenen Anbieter gibt es entweder nicht mehr, weil sie Insolvenz angemeldet haben oder aber sie haben das Fondsgeschäft praktisch eingestellt. Einstmals handelte es sich jedoch um die bekanntesten und größten Fondsinitiatoren in Deutschland: Loipfinger schreibt über Initiatoren wie Anno August Jagdfelds Fundus (35 ff.), die KapHag (42 ff.), den einstigen Marktführer IBV aus dem Konzern der Bankgesellschaft Berlin (55 ff.), die WGS (63 ff.), die HAT (73), Trias (83), Doblinger (85), Kapital-Consult (94 ff.), Dr.Hanne (105 ff.), Egon Banghard (105 ff., 163 ff.), GUB (114 ff.), Cinerenta (134 f.), Apollo Media (134 ff.), VIP (136 ff.,), Bassmann (141 f.), Thomae & Partner (142 f.), Bast Bau (144), Victoria Media (183 f.), Boll (187 f.), Dr.Ebertz (208 f.), Realtor (210 ff.), Falk (220 f.) sowie über die verschiedenen Anbieter von Dubai-Fonds. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier nicht um Außenseiter und unbedeutende Kleinstunternehmen aus dem Bauträger-Bereich, die sich mal mit einem geschlossenen Fonds versuchen – und welche quantitativ einen Großteil der insgesamt etwa 400 Fondsinitiatoren in Deutschland ausmachen dürften. Es handelt sich vielmehr tatsächlich um die ehemaligen „Big Player“ der deutschen Fondsbranche. Ein Blick auf die Hitliste der platzierungsstärksten Anbieter in den neunziger Jahren würde dies bestätigen.
In fast allen Fällen halte ich Loipfingers Kritik dieser Gesellschaften für berechtigt – nur bei einigen wenigen wie etwa bei Dr. Görlich würde mein Urteil differenzierter ausfallen. Loipfinger beschreibt zutreffend die Abzocker-Mentalität dieser Initiatoren und lässt den Leser an seinen Recherchen und an den Auseinandersetzungen mit diesen Initiatoren teilhaben. Häufig wurde er deshalb mit Prozessen überzogen. Er betont jedoch (S. 161, 218), dass er nur ein einziges Mal teilweise unterlegen war und selbst in diesem einen Fall von vier Behauptungen nur eine nicht mehr wiederholen durfte.
In der Mehrzahl der Fälle hat sich Loipfingers scharf vorgetragene Kritik später als berechtigt herausgestellt. Nicht wenige der oben genannten Initiatoren wurden später sogar zu Haftstrafen verurteilt – so beispielsweise Vogelbacher von Roche, Egon Banghard oder Dr. Hanne. Gegen andere, so etwa gegen die Vorstände von Falk, laufen noch Prozesse. Bei der Mehrzahl der Fonds der genannten Initiatoren haben die Anleger Geld verloren – oftmals ihr gesamtes eingesetztes Eigenkapital oder (wie im Falle vieler Berliner GbR-Fonds) auch noch mehr. Hätten Berater und Anleger die Warnungen von Loipfinger berücksichtigt, würden sie im Durchschnitt heute sehr viel besser dastehen.
Aber ist das von Loipfinger gezeichnete düstere Bild repräsentativ für die Branche der geschlossenen Fonds? Von den heute wichtigen und aktiven Initiatoren schreibt er nur über Jamestown – und zwar sehr positiv (111 ff.). Bei einem Anbieter, der fast alle seine Fonds schon aufgelöst hat und das mit einem durchschnittlichen Ergebnis von fast 20%, ist auch kein anderes Urteil möglich. Aber gibt es nicht neben Jamestown auch zahlreiche andere Initiatoren, die solide Fonds herausbringen? Loipfinger selbst hat in der Vergangenheit in seinen Fondsbesprechungen viele dieser Modelle positiv oder doch zumindest abgewogen-differenziert analysiert. Im vorliegenden Buch kommen solche Fonds und solche Initiatoren nicht vor.
Loipfinger schreibt, vermutlich seien mehr als zwei Drittel der Initiatoren geschlossener Fonds unseriöse Abzocker (S. 287). Leider schreibt er über das andere Drittel der Initiatoren in diesem Buch nicht und so entsteht für den Leser, der die heutige Fondsbranche nicht kennt, doch ein recht einseitiges Bild. Nimmt man als Bemessungsgrundlage nicht die Zahl der Gesellschaften, sondern das von ihnen eingesammelte Eigenkapital, so sind die „zwei Drittel“ ohnehin mit Sicherheit stark übertrieben.
Zwar wird man kaum bestreiten können, dass es unter den 20 oder 30 größten Initiatoren ebenfalls schwarze Schafe gibt, aber es gibt eben daneben auch mindestens ebenso viele seriöse Anbieter, die Fonds aufgelegt haben und auflegen, mit denen Anleger gute oder sogar sehr gute Ergebnisse erzielt haben. Wer nur dieses Buch liest und sonst nichts über die Fondsbranche weiß, bekommt dadurch einen zu negativen Gesamteindruck.
Diese Anmerkungen des Rezensenten entwerten oder relativieren die von Loipfinger vorgetragene Kritik indes nicht. Das Buch zeigt vielmehr, wie wichtig es ist, dass der seriöse Teil der Branche sich sehr viel intensiver und offensiver mit der teilweise dunklen Vergangenheit und den unseriösen Marktteilnehmern auseinandersetzt. Nur so wird die Branche dauerhaft Glaubwürdigkeit gewinnen.
Über das Buch werden sich übrigens nicht nur viele der dort kritisierten Initiatoren ärgern, sondern auch jene, die die Branche als Analysten oder so genannte Ratingagenturen begleiten. Es gibt hier kaum einen bekannten Namen, der nicht kritisch erwähnt würde. So weist er immer wieder auf nicht nachvollziehbare „Ratingurteile“ über geschlossene Fonds hin, vor denen er ausdrücklich gewarnt hatte und die sich später dann auch als Flops erwiesen.
Der Rezensent kann sich übrigens nicht beschweren und hat selbst keinen Grund sich zu ärgern – er wird in dem Buch zwei Mal zitiert, und zwar mit Einschätzungen, denen Loipfinger ausdrücklich zustimmt.
Neben den geschlossenen Fonds setzt sich Loipfinger auch kritisch mit den offenen Immobilienfonds auseinander. Er beschreibt, wie er über Jahre immer wieder mehr Transparenz einforderte, womit vor allem die Veröffentlichung von Verkehrswerten und Mieten auf Einzelobjektebene gemeint war. Erst unter dem Druck der schweren Krise 2005/2006 kamen die offenen Immobilienfonds dieser Forderung nach. Bis dahin führten sie einen sinnlosen Kampf gegen Loipfinger und seine Kritik – einen Kampf, den sie nur verlieren konnten. Die Schilderungen, wie offene Immobilienfonds versuchten, den Kritiker auszugrenzen und zu ignorieren, sind kein Ruhmesblatt für die Branche der offenen Immobilienfonds. Überhaupt liest sich das Buch an vielen Stellen wie eine Sammlung von Fallbeispielen für eine unprofessionelle und verfehlte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Aber auch bei den offenen Fonds hätte sich der Rezensent gewünscht, dass neben den schlechten auch die guten Beispiele mehr Erwähnung gefunden hätten. Sieht man einmal von wenigen Negativbeispielen wie dem Euro Immoprofil von iii ab (den Loipfinger zu Recht sehr kritisch erwähnt), dann hat bis heute kaum ein Anleger Geld mit offenen Immobilienfonds verloren. Das können wohl nur wenige andere Formen der Kapitalanlage von sich sagen. Unter dem Strich sind die Ergebnisse der offenen Immobilienfonds nach Steuern insgesamt erfreulich und attraktiv. In der Mehrzahl der Fälle haben sie gehalten, was sie den Anlegern versprochen haben.
Loipfinger würde wohl entgegnen, das dicke Ende bei den offenen Immobilienfonds komme erst noch. Und manches spricht in der Tat dafür, dass die offenen Fonds noch schwierige Zeiten zu bestehen haben werden. In der letzten große Krise (2005/2006) hatten die offenen Immobilienfonds teilweise auch einfach Glück, weil diese in einer Marktphase stattfand, in welcher das Interesse der Investoren am Erwerb von Immobilien (auch von problematischen Immobilien mit hohen Leerständen) so groß wie noch nie zuvor war, was sich auch in entsprechend hohen Preisen ausdrückte. Diesmal ist die Situation schwieriger, weil es derzeit kaum Käufer für Immobilien gibt und weil die Finanzkrise und die schlechtere Konjunktur eher zu Ab- als zu Aufwertungen Anlass geben.
Andererseits: Das Management der Fondsgesellschaften ist heute deutlich qualifizierter als in den 90er Jahren. Viele Portfolios wurden in den Jahren 2006 und 2007 genau zur rechten Zeit ausgemistet. Die von Loipfinger zu Recht eingeforderte Transparenz ist heute überwiegend hergestellt – auch wenn es immer noch hie und da Verbesserungspotenzial gibt. Von Loipfinger immer wieder kritisierte Praktiken wie etwa die der so genannten Einwertungsgewinne sind nach der Novelle des Investmentgesetzes heute nicht mehr möglich. Und vermutlich sind auch die Gutachter, die in der Vergangenheit häufig Ermessensspielräume bei der Bewertung zu weit ausnutzten, in den letzten Jahren vorsichtiger geworden. Viele dieser positiven Entwicklungen wären übrigens ohne Loipfingers Kritik kaum eingetreten.
Sein Verdienst ist es, dass er immer wieder den Finger auf wunde Punkte der Fondsbranche gelegt hat. Dass er nicht immer Recht behalten hat, liegt in der Natur der Sache. Aber er hat sehr viel mehr und sehr viel häufiger Recht behalten als jene Fondsinitiatoren, die ihn als ahnungslosen Journalisten abstempeln wollten. Loipfinger ist tatsächlich mit Sicherheit der kenntnisreichste Fondsjournalist in Deutschland. Vor allem hat er sich stets seine Unabhängigkeit bewahrt und niemals Journalismus auf der einen und Beratung auf der anderen Seite vermengt. Ob er manchmal mehr Wirkung erzielt hätte, wenn er hie und da etwas behutsamer und weniger provozierend formulieren würde, ist schwer zu beurteilen. Übertriebene Diplomatie und einen Hang zur Abgewogenheit wurden ihm noch nie nachgesagt – und diese Eigenschaften würde er auch nicht für sich in Anspruch nehmen.
Viele Fondsgesellschaften werden es mit Erleichterung aufnehmen, dass Loipfinger sich künftig mit Spendenorganisationen statt mit Fonds beschäftigen und die Machenschaften der schwarzen Schafe nunmehr in dieser Szene aufdecken wird. Als Stachel im Fleisch der Fondsbranche wird er jedoch fehlen. Die Furcht davor, „was Loipfinger wohl dazu sagen wird“, hat manche Auswüchse beispielsweise im sogenannten Ausschüttungs-Tuning bei den Prognoserechnungen geschlossener Fonds schon präventiv verhindert.
Das Buch ist jedem zu empfehlen, der mehr über die pathologische Seite der Fondsbranche erfahren und der einmal die Perspektive eines kritischen Journalisten verstehen will.