Die Gefahr einer Deflation wird intensiv diskutiert. Zugleich mehren sich jedoch auch die Stimmen derjenigen, die mittelfristig vor einer Inflation als Ergebnis der Geldmengenausweitung warnen. Deshalb lohnt es sich, das bemerkenswerte wissenschaftliche Werk von Peter Bernholz aus dem Jahre 2003 zu lesen „Monetary Regimes and Inflation“.
Der Autor zeigt, dass es in den Jahren 1800 bis 1914, als die Geldsysteme auf dem Gold- und dem Silberstandard beruhten (mit Ausnahme der Zeit der Napoleonischen Kriege) keine Inflation gab. Auch nach dem Ersten Weltkrieg kehrten Länder wie Großbritannien und die Schweiz zum Goldstandard zurück.
Der zentrale Befund des Buches lautet: „First, all hyperinflations in history occured after 1914 under discretionary paper money standards except for the French case during the Revolution of 1789-96, when a paper money standard was introduced with the assignats… Second, all countries moving to inconvertible paper money standards in the 18th and 19th centuries experienced higher rates of inflation than those on gold or silver standards.“ (S.8f.).
Geldsysteme mit einem Goldstandard zeigten also weit weniger inflationäre Tendenzen als reine Papiergeldsysteme ohne Golddeckung. Während nach Meinung des Autors eine Golddeckung von Währungen den besten Schutz vor Inflation bietet, sind unabhängige Zentralbanken der zweitbeste Schutz. Er weist in einer historischen Analyse nach, dass Staaten wie Deutschland, die Schweiz und die USA, die eine unabhängige Zentralbank haben, deutlich niedrigere Inflationsraten aufwiesen als Staaten, bei denen es keine unabhängige Zentralbank gibt.
Er fügt jedoch einschränkend hinzu: „It has to be stated, however, that the rate of inflation was still higher than in the 19th century even in the countries with independent central banks. For even independent central banks are not as independent of the pressure of public opinion and politics as the more or less automatically functioning gold standard, where even central bankers had little discretion. A monetary constitution securing the independence of the central bank limits inflation, but not as much as the gold standard.“ (S.15).
Der Autor zeigt, dass es eine inhärente Tendenz von politischen Systemen – sowohl von demokratischen wie auch von autoritären – gibt, in Notzeiten die Gelddruckmaschinen anzuwerfen und damit eine inflationäre oder sogar hyper-inflationäre Entwicklung auszulösen. Ein Problem, das man gerade heute sehr ernst nehmen sollte und das aktuell dazu führt, dass sogar wieder darüber diskutiert wird, ob es besser sei, den Geldwert an den des Goldes zu koppeln.
Was bleibt nach der Lektüre des Buches für den Anleger? Das Problem für den Anleger ist, dass es schwer ist zu entscheiden, welches Szenario er für wahrscheinlich hält und dass es kaum Investments gibt, mit denen er in beiden Szenarien gut fährt. Wer an eine Inflation glaubt, wird sich verschulden, wer an eine Deflation glaubt, wird Schulden tilgen. Wer an eine Deflation glaubt, wird zumindest Staatsanleihen von sehr sicheren Staaten kaufen, wer an eine Inflation glaubt, wird eher auf inflationsindexierte Anleihen setzen usw. Meine Empfehlung: Wer nicht ganz sicher ist, welches Szenario eintreten wird (und wer kann schon ganz sicher sein?), der sollte sich als konservativer Anleger auf unterschiedliche Szenarien einstellen. Das heißt: Man sollte eine gewisse Menge seines Geldes in einer Weise anlegen, bei der man dann profitiert, wenn man mit seinen Erwartungen unrecht behält. Natürlich macht man einen größeren Gewinn, wenn man alles auf das Eintreten eines bestimmten Szenarios (Inflation, Deflation, weiterer Rückgang der Aktienmärkte, Erholung der Aktienmärkte usw.) setzt.