Der Begriff Asset-Management ist seit einigen Jahren in aller Munde. Die Vielfalt von Definitionen ist verwirrend. Um es vorweg zu sagen: Die Dissertation von Claus Lehner, die bei Prof.Dr.Heinz Rehkugler entstanden ist, besticht durch große Klarheit und eine selten anzutreffende Verbindung von theoretischer Reflexion und praktischer Erfahrung. Der Autor der Studie war in Führungspositionen bei den Münchner Unternehmen Bayerische Bau- und Immobiliengruppe und IC Immobilien AG tätig und ist jetzt Vorstand der GBW.
Ziel der Arbeit ist es, die Lücke zwischen portfoliotheoretischen Grundsatzüberlegungen der Immobilienwirtschaft und praktischen Handlungsanweisungen für Portfolio- und Asset-Manager zu schließen. Der Autor beginnt mit einem kritischen Resümee zum Stand des Asset-Managements bei deutschen institutionellen Investoren. Angesichts der Liquiditätswelle, die in den 1990er Jahren sowie zu Beginn des 21. Jahrhunderts den offenen Immobilienfonds zufloss, habe zunächst sehr einseitig die Akquisition im Vordergrund gestanden, während das Asset-Management vernachlässigt worden sei. „Das Management fokussierte sich zunehmend auf potenzielle Verkäufer von Immobilien und Projektentwicklungen im In- und Ausland. Der Mieter respektive Nutzer der Immobilien wurde dabei aus den Augen verloren; Property- und Vermietungsmanagement wurde oftmals ausgelagert.“ Die kontinuierlich steigenden Verkehrswerte verdeckten vorhandene Managementprobleme und verhinderten notwendige strategische und organisatorische Entscheidungen hin zu einem nachhaltigen und aktiven Portfolio- und Asset-Management, welche für die Zukunftsfähigkeit dieser Immobilienunternehmen dringend notwendig waren (S.43).
Der Autor stellt zunächst die Modern Portfolio Theory (MPT) dar und geht der Frage nach, inwiefern diese auch für Immobilieninvestments anwendbar sei. Die kapitalmarktbezogenen Annahmen dieser Theorie seien nur deutlich eingeschränkt auf das Asset Immobilien anwendbar, so das Ergebnis der Analyse (S.76). Denn bei Immobilienmärkten handele es sich, im Gegensatz zu den Prämissen dieser Theorie, um unvollkommene Kapitalmärkte, da beispielsweise eine jederzeitige Transaktionsmöglichkeit in beliebigen Mengen nicht gegeben sei und „jederzeitige“ Veräußerungen u.U. nur mit höheren Preisabschlägen realisierbar seien. Auch die von der MPT geforderte atomistische Marktstruktur sei insbesondere bei größeren Immobilien-Deals nicht gegeben. Zudem spielten Steuern und Transaktionskosten eine größere Rolle als auf den Aktien- und Anleihemärkten. Bei den anlageobjekt- bzw. anlegerbezogenen Annahmen der MPT sei dagegen ein höherer Erfüllungsgrad auch mit Blick auf den Immobilienmarkt gegeben.
Im dritten Kapital seiner Arbeit untersucht Lehner die acht strategischen und operativen Wertsteigerungshebel im Immobilien-Management. Diese sind:
- Wertsteigerungen durch Portfoliostrategien.
- Wertsteigerung durch Objektstrategien.
- Wertsteigerung durch Projektentwicklungsmaßnahmen.
- Senkung der Kapitalkosten und Reduzierung der steuerlichen Belastung.
- Ausschöpfung von Vermietungspotenzialen.
- Senkung der Instandhaltungskosten durch strategisches Instandhaltungsmanagement.
- Reduzierung der Bewirtschaftungskosten durch professionelles Facility Management.
- Wertsteigerung durch Effizienz.
Im vierten Kapitel schließlich beschreibt der Autor praktische Erfahrungen bei der Einführung eines integrierten Portfoliomanagement-Systems. Der Leser dieses Kapitels merkt, dass der Autor selbst bei einem sehr großen Immobilienunternehmen mit der Implementierung eines solchen Systems betraut war, so dass dieses Kapitel besonders praxisnah ist.
Die ständige Bewertung des Immobilienbestandes stehe im Mittelpunkt des Portfolio-Management-Systems. Bei der Einführung eines solches Systems sei daher die Automatisierung der Einzelbewertung die erste große Hürde und ein wesentlicher Meilenstein des Projektes (S.216). Lehner stellt überzeugend dar, dass nur durch den Einsatz effektiver IT-Systeme eine professionelle Steuerung und Optimierung von Immobilienportfolios durch das Management dauerhaft gewährleistet sei (S.256).
Die wichtigsten Aufgaben eines Portfoliomanagement-Systems seien – nach der Automatisierung der Bewertung des Bestandes – das Controlling des Zustandes durch verschiedene Kennzahlen, das Speichern und die Auswertung von historischen Datenreihen, die Risikoanalyse durch Objekt- und Marktscoring, Prognosen zur Entwicklung sowohl auf Portofolio- wie auch auf Einzelobjektebene, die Generierung von Watch-Lists (z.B. für Problemobjekte) sowie der Vergleich von Handlungsalternativen durch Simulation von Szenarien (S.210).
Ein Portfoliomanagement-System müsse insbesondere das Management bei immobilienbezogenen Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen durch die Schaffung von Transparenz über den gesamten Immobilienbestand unterstützen (S.209). Die Berechnung finanzmathematischer Standardkennzahlen (wie IRR, Kapitalwert, Total Return, EK-Verzinsung, NAV) sei für die Bestandsanalyse ebenso notwendig wie eine prospektive Risikoanalyse und eine Überwachung durch Szenario-Rechnungen (Estimated Value, Best Case, Worst Case). Der Autor schließt hier die Klammer zwischen Theorie und Praxis, weil er zeigt, wie die zuvor beschriebenen acht Werthebel im Rahmen eines Portfoliomanagementsystems operationalisiert werden können.
Die vorliegende Arbeit, die in vieler Hinsicht an die Pionierarbeiten von Prof. Stephan Bone-Winkel anschließt, ist ein wichtiger Beitrag nicht nur zur theoretischen Grundlegung des Asset-Managements, sondern sie stellt auch und gerade für den Praktiker eine wertvolle Handlungsanleitung dar. Die wissenschaftliche Arbeit von Lehner belegt einmal mehr, dass ein Praktiker, der seit vielen Jahren in Führungspositionen der Immobilienwirtschaft tätig ist, ein Thema angemessener und praxisnaher erforschen und darstellen kann, als jemand, der seine Dissertation unmittelbar im Anschluss an sein Studium schreibt und dem somit naturgemäß diese Praxis-Erfahrungen fehlen. R.Z.