Über 100 Interviews haben die Redakteure der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über das Thema „Geld“ geführt – mit bekannten Persönlichkeiten aus Kultur, Gesellschaft, Politik, Show, Wirtschaft und Sport. 50 dieser Interviews sind in diesem Buch abgedruckt.
Normalerweise spricht man ja über Geld nicht öffentlich – zumindest nicht über das eigene, eher über das der anderen. In Talkshows kann heute tabuloser über ausgefallene Sexualpraktiken öffentlich geplaudert werden wie darüber, wie viel man verdient und was man mit dem Geld anstellt.
Deshalb ist es interessant, in diesem Buch mehr darüber zu erfahren, wie Menschen, die wir alle aus den Medien kennen, über Geld denken und wie sie damit umgehen. Da ist zum Beispiel der Schriftsteller Martin Walser, der bekennt: „Ich werde nach meinem Gefühl nie genug Geld haben.“ (S.11) In einem seiner Bücher schrieb er: „Das Wichtigste ist Unabhängigkeit. Und wahre Unabhängigkeit gibt es nur durch Geld.“ (S. 12) Walser zeigt, dass er auch beim Thema Geld klüger ist als viele andere Prominente, die in diesem Buch zu Wort kommen.
DGB-Chef Sommer etwa, der 11.200 Euro im Monat plus Aufsichtsratstantiemen verdient, ist auch im Umgang mit seinem eigenen Geld nicht klüger als in seinen politischen Statements: Seine Geldanlage: Er hat „ein Postsparbuch 3000 plus“ und zwei oder drei Bausparverträge. Aktien lehnt er generell ab, weil er ja „nicht spekulieren“ will (S.119). Sommer fordert in dem Interview auch, dass nicht nur Vorstände, sondern überhaupt alle „Spitzenverdiener“ vom Gesetzgeber gezwungen werden sollten, ihre Gehälter offenzulegen. Sein Kalkül: „Dadurch entsteht ein starker öffentlicher Rechtfertigungsdruck.“ (S.116)
Unser Finanzminister, Wolfgang Schäuble, verrät im Interview ähnliche Klugheit bei seiner Geldanlage wie Sommer. „Ach wissen Sie, ich bin Kunde bei einer Volksbank. Die kümmert sich ums Geld. Alle Vierteljahr ruft mich der zuständige Mann mal an, schlägt was vor, und dann mache ich das. Ich habe mir auch anerzogen, mich für Geld nicht zu sehr zu interessieren.“ (S.97) Nun ja, es macht ja vielleicht auch mehr Spaß, sich für das Geld der anderen Menschen zu interessieren, was ja sein Job als Finanzminister ist. Schäuble meint, eine gewisse „Distanz zur Mehrung des Vermögens ist wichtig.“ (S.97) Nur gut, dass nicht alle so denken, sonst könnte der Finanzminister auch nicht ständig die Steuern erhöhen.
Das Buch bringt nicht nur Interviews mit Prominenten, sondern auch mit Protagonisten einer bestimmten Lebenseinstellung wie etwa mit einem Attac-Aktivisten. Sein Problem: Er hat ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil er – ökologisch-politisch total unkorrekt – einen Flieger nahm, um ein Protestcamp auf der griechischen Insel Lesbos zu besuchen. „Da wollte ich mit dem Zug hin. Aber das hätte viel zu lang gedauert.“ Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hakte nach: „Und?“ Der Attac-Aktivist: „Ich bin geflogen. Das muss anders werden.“ (S. 103 f.) Und was nach seiner Meinung noch alles anders werden muss: „Wir brauchen mehr Umverteilung. Zum Beispiel… eine Abgabe von fünf bis 20 Prozent auf große Vermögen.“ (S. 105) Derzeit verdient er sein Geld in einer „Initiative, die sich für eine Vermögensabgabe Wohlhabender einsetzt. Da bekomme ich 1100 Euro im Monat.“ (S. 103). Dass bei einer Vermögensabgabe von 20% im Jahr spätestens nach 5 Jahren keiner mehr ein Vermögen hat, wird den Attac-Aktivisten wohl fröhlich stimmen, denn dann sind alle anderen ihm gleich.
Der Grünen-Politiker Tom Koenigs, der, als er jung war, seine gesamte Erbschaft dem Vietcong spendete, frohlockt nicht ohne Grund: „Wir Egalitaristen sind ein bisschen im Aufwind.“ (S. 114). Probleme mit der Geldanlage hat er keine, denn: „Ich habe kein Geld. Ich verdiene hinreichend, aber ich gebe es aus.“ (S. 114) Vorbildlich für einen Politiker in einem Land, das dringend darauf angewiesen ist, dass die Menschen mehr für ihre private Altersvorsorge tun?
Auch Sarah Wagenknecht, Vorzeige-Kommunistin der Linkspartei, berichtet von ihrem Verhältnis zum Geld und von ihren Idealen. Ja, so räumt sie ein, kein Staat sei ideal, aber Venezuela, das gefällt ihr. „Aber Länder wie Venezuela zeigen, dass die von den Neoliberalen gepredigte Alternativlosigkeit eine Lüge ist, dass sich der Staat von den Konzernen nicht alles gefallen lassen muss.“ (S. 94). Die Feministin Alice Schwarzer trägt Entscheidendes zum Verständnis der Finanzkrise bei. Ob die Männer an der Finanzkrise schuld seien? „Wer das nicht sehen will, dem ist nicht zu helfen. Das ist doch eindeutig: Die internationalen Finanzen, die haben die Jungs an die Wand gefahren.“ (S.61)
Je nachdem, in welcher Gemütslage man ist, liest sich dieses Buch amüsant oder deprimierend – kurzweilig ist es auf jeden Fall.