Ich muss zugeben, dass ich Tony Hawk nicht kannte, bevor ich dieses Buch las. Diese Bildungslücke ist jedoch ausschließlich meinem Alter geschuldet, denn Hawk ist der weltweit erfolgreichste Skateboarder aller Zeiten. In einem anderen Buch habe ich gerade gelesen, dass laut einer Umfrage bei jungen Menschen in den USA Tony Hawk nach Steve Jobs und Oprah Winfrey und noch vor Mark Zuckerberg der bei 12- bis 17jährigen am meisten bewunderte Unternehmer ist.
Für den Skateboard-Bereich hat er das gleiche bedeutet, was Arnold Schwarzenegger für die Body-Building- und Fitness-Branche war: Er hat aus einer Nischensportart einen anerkannten Breitensport gemacht. Hawk wurde elfmal hintereinander Weltmeister. In dieser Autobiographie geht es jedoch nicht in erster Linie um seine sportlichen Leistungen, sondern um sein unternehmerisches Wirken.
Hawk baute eine der erfolgreichsten Firmen der Skateboard-Industrie auf und führt mit „Hawk Clothing“ eine erfolgreiche Linie für Kinder- und Jugendkleidung. Seine Videospielserie setzte über eine Milliarde US-Dollar um und gilt als das meistverkaufte Lizenzsportspiel in der Videospielgeschichte.
Das Buch ist jedoch keineswegs nur für denjenigen interessant, der sich für den Skateboardsport interessiert. Es zeigt vielmehr an einem Beispiel, wie es jemandem gelingt, aus einem Hobby einen Beruf zu machen und Multimillionär zu werden.
Hawk gründete seine Firma mitten in der schwersten Krise der Skateboard-Branche Anfang der 90er Jahre. Sein Einkommen aus Lizenzen war auf nur noch 1.500 US-Dollar im Monat geschrumpft. Menschen reagieren auf Widrigkeiten sehr unterschiedlich. Manche jammern, andere sehen darin eine Chance zum Handeln: „Es kam mir in den Sinn, dass ich, wenn mein Einkommen aus den Lizenzen nicht zum Leben ausreicht, genauso gut den großen Schritt wagen und meine eigene Firma aufmachen könnte.“ (S. 36) Um seine Firma Birdhouse Projects zu gründen, refinanzierte er sein Haus, wodurch 40.000 US-Dollar frei wurden und verkaufte seinen Lexus, um ihn durch einen günstigen Honda Civic zu ersetzen. „Ich war 24 Jahre alt – ein alter Knacker. Es war an der Zeit, mich mit dem Gedanken anzufreunden, mein Skateboard in die Ecke zu stellen und mich aufs Geschäft zu konzentrieren.“ (S. 37)
Die ersten Jahre der Firma Birdhouse waren sehr schwierig. Die Firma machte kaum Gewinn und häufiger dachte er darüber nach, ob er die Firma nicht schließen sollte. Er kam rasch darauf, „dass es für die Firma besser war, wenn ich mehr Zeit in der Öffentlichkeit verbrachte und an Vorführungen und Wettbewerben teilnahm, weil die Firma dann von meinem hohen Bekanntheitsgrad profitierte.“ (S. 38 f.) Hawk hatte erkannt, wie wichtig es war, sich selbst als Marke aufzubauen. Sein ganzes Buch zeigt, dass er ein Meister der Selbstvermarktung ist, und dass diese Selbstvermarktung, gepaart mit einem ganzen Feuerwerk stets neuer Ideen, die Basis auch für seinen geschäftlichen Erfolg war.
Hawk möchte in seinem Buch anderen angehenden, jungen Unternehmensgründern stets auch bestimmte Erfahrungen vermitteln, die er im Business gemacht hat. Eine seiner wichtigsten Erfahrungen war es, die Wichtigkeit wirksamer rechtlicher Regelungen und einer sehr guten rechtlichen Beratung wertschätzen zu lernen. So wurde er immer wieder von Künstlern verklagt. „Damit die Designs nicht langweilig werden, lassen die meisten kleinen Skateboard-Firmen ihre Vorlagen von Freiberuflern entwerfen. Wir zahlten dem Künstler eine einmalige Gebühr für das Recht, ein Kunstwerk auf allen Produkten zu benutzen, die wir herstellten oder vertrieben. Die Verträge waren gewöhnlich kurz und formlos – ein dummes Versäumnis.“ (S. 41) Es kam immer wieder zu neuen Klagen, man hatte die Wichtigkeit wasserfester Verträge unterschätzt.
Hawk hatte immer neue Ideen – eines Tages kam er darauf, eine neue Marke für Kinderbekleidung zu schaffen. Erst nachdem er die Firma gegründet hatte, merkte er, dass Bekleidung eine riskante, kapitalintensive Branche ist und dass vom Konzept bis zum Markt ein langer und steiniger Weg vor einem liegt. „Und selbst wenn man so weit kommt, sind die Gewinnspannen gering.“ (S. 47) Der Anwalt der Firma kam zu dem deprimierenden Ergebnis, „dass die Marke eine gute Geschäftsidee mit einer soliden Basis und viel Potenzial für langfristigen Erfolg zu sein schien“ – dass es jedoch noch 10 bis 15 Jahre dauern würde, bis die Firma wirklich Profit abwarf (S. 52). Immerhin gelang es ihnen, die Marke zu verkaufen. Doch genau dies sollte er später bitter bereuen. Sein eindringlicher Rat: „Verkaufe niemals aus irgendeinem Grund an irgendjemanden deinen ganzen Namen, egal, wie viel er dir dafür bietet.“ (S. 54) Die Firma, die seinen Markennamen erworben hatte, vertrieb Hawk Clothing durch Fachgeschäfte und Warenhäuser in den gesamten USA und expandierte nach Europa. Dadurch wuchs die Marke im Laufe der folgenden fünf Jahre kontinuierlich weiter.
Den Fehler, den er mit der Bekleidungsfirma gemacht hatte, nämlich seinen Namen zu verkaufen, sollte er nicht noch einmal machen. Als er begann, ein Videospiel zu produzieren, lehnte er eine Einmalzahlung ab, obwohl ihm sein Agent dringend riet, das Angebot für den hohen Betrag anzunehmen. Er verlangte stattdessen Lizenzgebühren. „Es stellte sich heraus, dass das die beste finanzielle Entscheidung meines Lebens war. Innerhalb von zwei Jahren verdiente ich das Zehnfache des ursprünglichen Angebotes.“ (S. 64) Schließlich wurden von dem Spiel sieben Millionen Kopien verkauft.
Hawk hatte immer wieder neue Geschäftsideen, die alle im Zusammenhang mit dem Skateboarding standen. So organisierte er landesweite „Huckjam“-Touren und vermarktete auch diese Marke, indem er zum Beispiel einen Vertrag mit McDonald’s über „Huckjam Happy Meals“ schloss. (S. 91)
Die Skateboard-Branche boomte zunehmend. Während im Jahr 1986 in dieser Branche erst 300 Mio. US-Dollar umgesetzt wurden, waren es 2010 schon vier Milliarden US-Dollar. „Ich verdiene meinen Lebensunterhalt jetzt seit mehr als 25 Jahren mit Skateboarding – und in meiner gesamten Karriere gibt es nur eine einzige Konstante. Ich fahre Skateboard. Ich habe Zähne eingebüßt, Gehirnerschütterungen einkassiert, mir das Becken gebrochen und mir so oft die Haut am Schienbein aufgeschürft, dass manche Ärzte denken, ich hätte starke Verbrennungen erlitten.“ Aber er fährt bis heute Skateboard und rät allen Menschen – auch um geschäftlichen Erfolg zu haben: „Tu, was du liebst.“ (S. 106) Allerdings muss sich, auch dies betont er, die Liebe zu dem Hobby mit einer extremen Arbeitsdisziplin verbinden. Das gilt auch für die „coolsten“ Branchen. „Wenn ich zum Beispiel verspreche, irgendwo aufzutreten oder an einem Meeting teilzunehmen, dann tue ich alles, was in meiner Macht steht, um rechtzeitig dort zu sein und mich an den Zeitplan zu halten. Nichts nervt Fans (oder stresst Veranstalter) mehr als Prominente, die zu spät kommen oder zu früh gehen.“ (S. 174)
Hawk fokussierte sich – bei all seinen verschiedenen Ideen – immer wieder auf das Thema Skateboarding. Ausflüge in andere Branchen, etwa in das Geschäft mit Luxusbekleidung, erwiesen sich als Fehlschlag. „Ich habe eine harte, aber unvergessliche Lektion gelernt, wie wichtig es ist, bei meinem Kerngeschäft zu bleiben.“ (S. 114)