Knoll: Es sind unzweifelhaft zwei Persönlichkeiten, einmal Friedrich II., auch der Große genannt, und Karl Freiherr vom und zum Stein. Der erste, weil er in geradezu genialer Weise in der Lage war, fachliche Kompetenz und die Befähigung diese auch tatsächlich in praktische Politik umzusetzen, miteinander verbinden konnte. Der Freiherr vom und zum Stein hat mich beeindruckt, weil er sich weder von dem, was man heute als Mainstream bezeichnen würde, noch den Auffassungen von Fürsten und Königen von seiner Meinung abbringen ließ. Man denke nur an die berühmte Denkschrift Steins unter dem Titel „Darstellung der fehlerhaften Organisation des Kabinetts“, in der er den preußischen König aufgrund seiner Personalauswahl auf das Heftigste kritisiert. Seine Auffassungen gründete er auf ein breites Fundament an Bildung, das er Zeit seines Lebens zu verbreitern verstand.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: Was sind für Sie die entscheidenden Dinge, die Führungskräfte von Personen, wie Friedrich dem Großen, erlangen können?
Knoll: Friedrich der Große hat von dem, was er tat, etwas verstanden. Er hat sich nicht auf das abstrakte Entscheiden oder Managen von Situationen beschränkt, sondern er konnte im konkreten Einzelfall aus eigenem Verständnis heraus die Situation beurteilen. Friedrich der Große hat die wichtigsten Entscheidungen auch selbst exekutiert. Er war sich nicht zu schade, seine Truppen von vorne zu führen und auch sehr persönlich diese im Gefecht anzuweisen. Schließlich hat er es verstanden, starke Führungspersönlichkeiten zu fördern. Er hat Widerspruch, wenn er begründet war, toleriert, unter Umständen sogar belobigt, wie dies bei Friedrich Wilhelm von Seydlitz der Fall war.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: Was ist für Sie der Unterschied zwischen einer Führungskraft und einem Manager?
Knoll: Eine Führungskraft führt und ein Manager verwaltet. Der erste hat eine eigene Vorstellung von dem, was er in seinem Unternehmen will, wohin es geführt werden soll und wie es sich zu entwickeln hat. Der Manager entscheidet unter mehreren, ihm vorgeschlagenen Lösungen. Der eine ist Leuchtturm und der andere ist eine Strömung.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: Sie schreiben: „Misstrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Ist das für Mitarbeiter nicht ein Motivationskiller, wenn Sie immer das Gefühl haben, dass ihnen kein Vertrauen geschenkt wird?
Knoll: Ohne ein ausgeprägtes Vertrauen in die unterstellten Mitarbeiter lässt sich ein Unternehmen nicht führen. Man ist aber gut beraten, in einer komplexen Welt, vom Versagen der Systeme von menschlichen Fehlern, überhaupt von Friktionen aller Art auszugehen. Es geht also nicht um die Betonung des Misstrauens, sondern um die Betonung der Kontrolle im Sinne einer immer währenden Dienstaufsicht. Wer einen Führungsanspruch erhebt, muss auch bereit sein, die Verantwortung für das zu übernehmen, was im nachgeordneten Bereich passiert.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: Sie sprechen speziell am Schluss den Werteverfall in unserer Gesellschaft an. Haben Sie Hoffnung, dass es hier eine Trendwende geben kann? Fehlen der heutigen Jugend die nötigen Vorbilder, die Werte, wie Pflichterfüllung, Gerechtigkeit und Toleranz verkörpern?
Knoll: Ich würde nie der heutigen Jugend irgendetwas absprechen. Die heutige Jugend ist genauso gut wie die damalige Jugend der damaligen Generation und der Generationen zuvor. Es ist Aufgabe der Älteren, jedenfalls jener, die nicht zu dieser Jugend zu zählen sind, durch Vorbilder Werte, wie Pflichterfüllung, Toleranz und Gerechtigkeit, mithin die preußischen Tugenden, vorzuleben. Nur am positiven Beispiel lässt sich die Jugend von etwas beeindrucken. Die Reaktionen auf mein Buch zeigen mir, dass aus den vormals preußischen Tugenden durchaus auch ein Mainstream werden könnte – insofern bin ich hoffnungsvoll.