empfohlene-wirtschaftsbuecher: Herr Klaus, Sie warnen an vielen Stellen des Buches davor, dass die Politik als Folge der Finanzkrise mit noch mehr Regulierung des Wirtschaftssystems reagiert. Wie sähen aus Ihrer Sicht die wichtigsten Lehren aus der Finanzkrise aus?
Václav Klaus: Die Hauptlehre ergibt sich aus der richtigen Verständnis der Entstehungsursachen der jüngsten Finanzkrise und der nachfolgenden Wirtschaftskrise. Wenn die populistische Auslegung gewinnt, die sagt, dass sie durch den Markt verursacht wurde, dann sind wir verloren. Es ist nötig klar zu sagen, dass sie durch eine fehlerhafte Politik des Staates verursacht wurde – durch eine allzu viel expansive Geldpolitik, durch künstliche Subventionierung der Immobilienkredite, durch fehlerhafte, sehr lückenhafte Regulation der Bankaktivitäten.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: In Ihrem Buch finden sich verschiedene Aufsätze, in denen Sie schon vor Jahren vor Fehlentwicklungen des Euro gewarnt haben. Fühlen Sie sich durch die aktuellen Entwicklungen bestätigt? Und hat die europäische Politik mit der Errichtung des „Euro-Rettungsschirmes“ richtig und angemessen auf die Schuldenkrise von Ländern wie Griechenland und Portugal reagiert?
Václav Klaus: Die Tatsache, dass ich schon vor zwanzig Jahren vor der Geburt einer so umfangreichen und heterogenen Eurozone gewarnt habe, ist keine Genugtuung für mich. Ich lebe in Europa und ich bin deshalb kein unbeteiligter Beobachter dessen, was hier geschieht. Außerdem vertrete ich nicht die Meinung, dass umso schlechter, desto besser.
Heute geht es nicht um die Schuldenkrise von zwei oder mehreren europäischen Ländern. Heute geht es um eine Krise des gesamten Konzepts der europäischen Integration. Kein Euro-Rettungsschirm wird diese Krise lösen.
Sie wird auch nicht durch eine bessere und verantwortungsvollere Fiskalpolitik gelöst. Die Lösung liegt in einer grundsätzlichen Änderung des ganzen Systems, die in Europa so bald wie möglich erfolgen sollte.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: Sie sehen das als „soziale Marktwirtschaft“ bezeichnete Wirtschaftssystem kritisch – warum?
Václav Klaus: Es ist ein paternalistisches, unproduktives Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Nach dem Kriegsende hat es eine Weile funktioniert, aber damals war es erst in seiner rudimentären Form. Die wirkliche soziale Marktwirtschaft ist nicht in den Jahren von Ludwig Erhard entstanden, sondern in den 70er und 80er Jahren und hat ihre definitive, destruktive Form erst in den letzten zwei Dekaden bekommen. Seit langer Zeit ist sie auch kein ausschließlich deutsches Phänomen.
empfohlene-wirtschaftsbuecher: An vielen Stellen Ihres Buches kritisieren Sie den von Ihnen sogenannten „Ökologismus“. Überall in Europa werden derzeit neue staatliche Förderprogramme für erneuerbare Energien aufgelegt bzw. diskutiert. Sie würden die Entwicklung lieber dem Markt überlassen und sehen staatliche Eingriffe kritisch. Könnten sich denn erneuerbare Energien ohne staatliche Subventionen durchsetzen? Und wie stehen Sie zur Atompolitik? Länder wie Deutschland und Frankreich haben ja sehr unterschiedlich auf den Atomunfall in Japan reagiert.
Václav Klaus: Bei den heutigen Technologien sind sog. erneuerbare Energien (was oft ein irreführender Begriff ist) wirtschaftlich nicht nachhaltig. Deshalb macht es keinen Sinn, sie einzuführen und zu subventionieren. In einem solchen „subventionierten“, d.h. wirtschaftlich nicht nachhaltigen System, habe ich lange Zeit während des Kommunismus gelebt.
Der Atomunfall in Japan war kein „Atomunfall“. Es ging um einen gewaltigen Tsunami, den das Atomkraftwerk erfolgreich überstanden hat, obwohl es auf einem absurden Ort aufgebaut wurde.
Es passiert nicht so oft, aber im Falle der Atompolitik bin ich auf der Seite Frankreichs, nicht Deutschlands. Ich verstehe Deutschland nicht und seinen Politikern glaube ich nicht.