Ein Buch für Unternehmensgründer
Sind Studenten der Betriebswirtschaftslehre die erfolgreichsten Gründer von Unternehmen? Die Erfahrung zeigt, dass dem nicht so ist. Der Autor dieses Buches lehrt Unternehmensgründung an der Freien Universität Berlin. Um zu beweisen, dass er das, was er lehrt, auch tatsächlich selbst anwenden kann, gründete er ein eigenes Unternehmen, die sogenannte „Teekampagne“, das in kurzer Zeit zum weltweit größten Importeur von Darjeeling Tee wurde. Erfolg hatte er, weil er den Zwischenhandel ausschalten und damit den Tee sehr viel günstiger anbieten konnte als seine Wettbewerber.
Faltin betont in seinem Buch, dass es für die Unternehmensgründung entscheidend darauf ankomme, die richtige Idee zu haben. Traditionelles betriebswirtschaftliches Wissen, so seine These, sei weniger wichtig: Das könne man sich einfach zukaufen. „Es ist die Qualität der Idee, die den Ausschlag gibt.“ (S.14) Man solle Existenzgründer nicht mit der Behauptung verunsichern, sie bräuchten vor allem eine Menge betriebswirtschaftliches Wissen. Die eine Hälfte der Betriebswirtschaftslehre betreffe so banale Dinge, dass man sie auch ohne sie begreife und die andere Hälfte sei so aufwändig, dass sie keinen Nutzen stifte. BWL- und MBA-Studiengänge bereiteten die Studenten eher auf die Arbeit in sehr komplexen Großunternehmen vor als auf eine wirklich unternehmerische Tätigkeit.
Faltins These: Eigentlich kann heute jeder ein erfolgreicher Unternehmer werden, sofern er nur genügend Zeit und Energie darauf verwendet, eine zündende Idee zu entwickeln. „Bedingung ist eben, dass Sie Ihr Vorhaben so lange durchdenken, bis Sie auf eine bessere, möglichst sogar sehr viel bessere Lösung stoßen als die am Markt bereits vorhandene.“ (S.16). Das Erfolgsrezept bestehe in einem „experimentellen Entrepreneurship“: „Sie starten mit einfachen, aber durchdachten, ausgearbeiteten Ideen, die nur relativ geringe finanzielle Mittel erfordern.“ (S.19)
Bei dieser „konzeptionellen Idee“ handle es sich höchstens am Anfang um einen genialen Einfall. Ideen, die zu erfolgreichen Unternehmensgründungen führten, seien weniger spontane Einfälle, sondern eher das Resultat von sehr systematischen Überlegungen (S.30). Erfolgreiche Gründer seien oft Jahre mit einer Idee „schwanger gegangen“, und hätten enorm viel Zeit und Energie in die Gedankenarbeit investiert (S.55). „Es geht also nicht um Einfälle, wie das Wort Idee nahelegt, sondern um das exakte Gegenteil: ein lange, sorgfältig durchgearbeitetes Konzept.“ (S.57)
Faltin kritisiert die traditionelle Betriebswirtschaftslehre ebenso wie die Praxis der Beratung von Existenzgründern, bei welchen sehr einseitig ein bestimmtes betriebswirtschaftliches Wissen im Vordergrund stünden, während die entscheidende Rolle der richtigen konzeptionellen Idee des Gründers nur am Rande gestreift werde und viel zu kurz komme (S.36).
Ein gutes Entrepreneurial Design müsse folgendes leisten:
- klare Marktvorteile herausarbeiten. Es müsse sich um erhebliche Marktvorteile handeln, die für den Kunden auch sofort und deutlich erkennbar sein sollten (S.42).
- einen Vorsprung vor Imitatoren sichern.
- vor wirtschaftlicher oder technischer Veralterung schützen.
- den Finanzierungsaufwand minimieren.
- das Marketing müsse ein integraler Bestandteil des Designs sein.
Wenn Unternehmensgründern zugerufen werde, sie sollten möglichst risikobereit sein, dann sei dies genau die falsche Botschaft. Unternehmensgründung sei an sich schon ein sehr riskanter Akt, denn nach unterschiedlichen Studien liege die Quote derjenigen, die dabei scheitern, zwischen 30 und 80 Prozent (S.56). Deshalb gehe es auch und gerade darum, Risiken zu minimieren. „Als Gründer müssen Sie so viele Risiken wie möglich vermeiden.“ (S.46) Dabei könne es durchaus von Vorteil sein, wenn jemand als Quereinsteiger in eine Branche einsteigt – denn dann sei er nicht so betriebsblind und offener für unkonventionelle Ideen und Lösungen (S.50, S. 146).
Der Entrepreneur, so Faltin, sei dem Künstler näher als der Manager. Ich stimme dem in gewisser Hinsicht zu, möchte aber hinzufügen: Im Idealfall vereint der Unternehmensgründer die Kreativität und Unkonventionalität des Künstlers mit der Disziplin und Genauigkeit eines Buchhalters. Da beides aber meist nicht in einer Person zusammenkommt, ist es für die Unternehmensgründung oftmals sinnvoll, wenn sich zwei Personen zusammentun, die sich hier wechselseitig ergänzen.
Faltin rät zur Vorsicht: „Solange Sie Zweifel haben, gründen Sie nicht!“ (S.140) Er wisse, dass dieser Rat im Gegensatz zur gängigen Beratung stehe. „Aber meine jahrzehntelange Erfahrung sagt mir etwas anderes. Zu viele gescheiterte Gründungen. Zu viele unausgereifte Ideen. Zu rasches Eingehen von Verpflichtungen, die sich wirtschaftlich nicht abarbeiten lassen.“ (S.141). Faltin hat sicherlich Recht, wenn er vor diesem Hintergrund zur Vorsicht mahnt. Andererseits: Zweifel gehören in der Regel doch dazu, und wenn jemand erst dann ein Unternehmen gründet, wenn er keinerlei Zweifel hat, dann wird er es wohl nie tun. Und, so möchte ich einwenden: Keine Zweifel mehr zu haben, muss kein Zeichen von Klugheit sein, sondern kann auch ein Zeichen von Naivität sein. Schließlich: Oftmals wandelt sich die Anfangsidee nach der Gründung eines Unternehmens durch einen Prozess von Versuch und Irrtum, durch Experimente, die man im Kopf nicht durchführen kann, sondern nur in der Praxis.
Businesspläne, wie sie von Banken oder der staatlichen Förderung verlangt werden, würden in ihrer Bedeutung oftmals unterschätzt, so Faltin. Der Wert eines solchen Planes liege, wenn überhaupt, im Denkprozess, der damit in Gang gesetzt werde (S.155). Sinnlos seien jedoch die Drei-Jahres-Projektionen in solchen Plänen. Untersuchungen bestätigten, dass selbst die Gewinner von Business-Wettbewerben nach fünf Jahren keine überdurchschnittliche Performance im Markt haben.
Zu Recht kritisiert Faltin auch die staatliche Förderpolitik. „Die einschlägigen Behörden glauben zu erkennen, welche industriellen Entwicklungen zukunftsträchtig sind… Unternehmerisch denkende Menschen in unserem Land staunten schon immer darüber, dass ausgerechnet Lebenszeit-Beamte die unternehmerischen Spürnasen der Nation sein sollen.“ (S.214 f.) Bedenke man, welchen bürokratischen Aufwand Fördergelder nach sich ziehen, werde man erkennen, dass der Gründer damit von seiner eigentlichen Aufgabe, ein überzeugendes „Entrepreneurial Design“ zu entwickeln, eher abgelenkt werde (S.224).
In meinem eigenen Buch, „Setze dir größere Ziele!“, habe ich einen Schwerpunkt darauf gelegt, dass erfolgreiche Menschen den Mut haben, anders zu sein als andere und unabhängig zu denken. Meine Analyse sehr erfolgreicher Persönlichkeiten hatte mir gezeigt, dass diese oftmals Nonkonformisten sind, die bereit sind, gegen den Strom zu schwimmen. Schade, dass ich Faltins Buch noch nicht kannte, als ich mein eigenes schrieb. Denn Faltin betont diesen Aspekt ebenfalls sehr stark. „Viele unserer Beispiele zeigen vor allem den unabhängigen Geist von Entrepreneuren – sie sind oder machen sich frei von Konventionen. Das heißt im Umkehrschluss, es verspricht Erfolg, wenn ich alles, was ich vorfinde, zunächst – bis zum Beweis des Gegenteils – als Konvention ansehe.“ (S.145)
Faltins Verdienst ist es vor allem, die zentrale Bedeutung der richtigen „Idee“ für die Unternehmensgründung zu betonen, wobei der Kern dieser Idee natürlich die Befriedigung eines tatsächlichen Bedürfnisses ist und ein klarer Marktvorteil im Vergleich zum Wettbewerb. Sein Buch ist zugleich ein flammendes Plädoyer für mehr Gründer- und Unternehmergeist in unserem Land. Der Leser beneidet die Studenten, die bei einem solchen Professor studieren, der offenbar viel näher an der Lebenswirklichkeit und am Markt ist als viele seiner Kollegen, die eher Freude an mathematischen Formeln als am praktischen Unternehmertum haben.