Warum wohnen in Spanien 86% der Menschen im Eigentum, in Italien und Griechenland 80% – aber in Deutschland nur 44% und in der Schweiz sogar nur 35%? Dieser Frage geht der Autor in der vorliegenden Arbeit nach. Einen monokausalen Wirkungszusammenhang gibt es nicht. Vielmehr spielt eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle – die von Land zu Land auch unterschiedlich stark gewichtet sind. Zu nennen sind vor allem folgende Faktoren:
1. Die Preis-Einkommens-Relation. Diese wird auch mit dem Begriff der „Erschwinglichkeit“ belegt. Setzt man den Preis der Immobilie ins Verhältnis zum Jahreseinkommen, so erhält man die Hauspreis-Einkommens-Relation. Ein hohes Verhältnis, wie es zum Beispiel die Schweiz mit 7-8 aufweist, zeigt, dass Wohnimmobilien relativ teuer sind und ist eine Erklärung für eine niedrige Wohneigentumsquote. In Großbritannien lag die Relation lange Zeit bei einem extrem niedrigen Wert von 3, was eine Erklärung dafür ist, warum in den 80er und 90er Jahren die Wohneigentumsquote dort so stark gestiegen ist. In Deutschland liegt die Relation bei 6,4 (S.14f.)
2. Die Preis-Miet-Relation. Mit dieser Zahl wird verglichen, ob es sich eher lohnt, zur Miete zu wohnen oder Wohneigentum zu erwerben. Theoretisch wird davon ausgegangen, dass es ein Gleichgewicht geben müsse – die Kosten für die Miete und für das Eigentum also gleich hoch sein sollten. Tatsächlich gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. So zeigt das Preis-Miet-Verhältnis in Großbritannien mit einer Abweichung von 32,8% zum fundamental gerechtfertigten Preis-Miet-Verhältnis eine deutliche Überbewertung der Wohnimmobilienpreise. Umgekehrt ist Wohneigentum in der Schweiz und Deutschland – den Ländern mit der niedrigsten Wohneigentumsquote – unterbewertet. In Deutschland liegt das Verhältnis 25,8% unter dem fundamental gerechtfertigten Niveau (S.20).
3. Ein weiterer Erklärungsgrund für unterschiedlich hohe Wohneigentumsquoten liegt in der Frage, ob es in dem Land einen funktionierenden Mietwohnungsmarkt gibt. Dies ist beispielsweise in Spanien und Großbritannien nicht der Fall – ein Grund, warum dort die Eigentumsquote sehr viel höher ist als in Deutschland, wo der Mietwohnungsmarkt sehr gut funktioniert (S.25). In Spanien, dem Land mit der höchsten Wohneigentumsquote, ist der Mietmarkt noch sehr viel stärker reguliert als in Deutschland. Lange Zeit dürften dort die Mieten gar nicht angehoben werden. In Barcelona fallen beispielsweise über 50% der Mietverträge unter Bestandsschutz, da sie vor 1964 abgeschlossen wurden. Dort dürfen die Mieten gar nicht erhöht werden. Kein Wunder, dass dort der Mietmarkt nicht funktioniert! (S.43)
4. Auch zu berücksichtigen sind die sehr unterschiedlichen Transaktionskosten beim Erwerb einer Wohnimmobilie. Hier gibt es massive Unterschiede zwischen den Ländern. In Frankreich (16,3%), Italien (17%) und Belgien (17,8%) sind die Transaktionskosten am höchsten, in Dänemark mit 2,1% und in Großbritannien mit 5% am niedrigsten (S.30).
5. Ein weiterer Grund für unterschiedlich hohe Wohneigentumsquoten sind die unterschiedlichen steuerlichen Anreize und Förderungen. In vielen Ländern ist es möglich, die Schuldzinsen auch für die selbstgenutzte Wohnung steuerlich geltend zu machen – entweder unbeschränkt (in den Niederlanden) oder doch immerhin bis zu bestimmten Höchstgrenzen (so in Spanien oder Italien). Dagegen ist es in Frankreich, Deutschland und Großbritannien nicht möglich, Schuldzinsen steuerlich geltend zu machen (S.35). Steuervorteile können einen großen Anreiz bieten, zu kaufen statt zu mieten.
Ich hätte mir gewünscht, dass neben diesen Erklärungsgründen noch ein weiterer Faktor untersucht worden wäre: Wie beeinflusst eine bestimmte Dynamik bei der Entwicklung von Mieten und/oder Kaufpreisen das Verhalten der Menschen? Stark steigende Kaufpreise müssen nicht unbedingt dazu führen, dass die Menschen weniger Eigentum erwerben, sondern dies kann auch den umgekehrten Effekt haben: Man kauft lieber heute, weil man hofft oder auch befürchtet, die Preise könnten morgen weiter steigen. In Spanien etwa haben sich die Preise zwischen 1985 und 2006 verdreifacht, in Großbritannien mehr als verdoppelt – dort stieg dann auch die Eigentumsquote stark an. Umgekehrt können fallende Preise – wie etwa in Deutschland, wo diese zwischen 1985 und 2006 um 11 Prozent sanken – die Menschen von der Eigentumsbildung abhalten, weil sie befürchten, dass ihr Wohneigentum nach dem Erwerb weiter an Wert verlieren könnte.
Ich habe selten eine wissenschaftliche Arbeit der Immobilienforschung gelesen, die auf so wenigen Seiten so viele hoch interessante Fakten und ebenso plausible wie differenzierte Gedanken enthielt. Es ist sehr wohltuend, dass auf allgemeine, ermüdende methodische, begriffliche und grundsätzliche Ausführungen verzichtet wurde, die beispielsweise viele Dissertationen unnötig aufblähen, den Leser langweilen und nicht zum Erkenntnisgewinn beitragen. Die vorliegende Arbeit ist eine der besten immobilienwirtschaftlichen Studien, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.