Beim Lesen dieses Buches habe ich eine ganze Reihe von Ausrufezeichen markiert – und daneben auch einige Fragezeichen. Die These des Autors: „Der Staat wird selbst zu einer Gefahr für die Bürger, die die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden. Zumeist allein politisch bedingt wird durch großzügige Rettungsversprechen an Banken, Unternehmen und auch noch andere Staaten (in der EU) das moralische Risiko verstärkt. Irgendwann kann der Staat auch nicht mehr als der letzte Versicherer auftreten. Am Ende ist eine Währungsreform dann – in der Tat – alternativlos.“ (S. 41)
Die Krise Griechenlands, Irlands und Portugals seien warnende Beispiele. Deutschland selbst scheine von einer solchen Situation zwar aus jetziger Sicht noch Jahre entfernt zu sein. Doch durch die Haftung für die Schulden im Euro-Raum werde eine schnelle Abwärtsspirale in Gang gesetzt. „Das Umfeld ist daher fragil, Deutschland könnte dadurch finanziell schneller abrutschen als bislang unterstellt.“ (S. 43)
Das oft befürchtete Szenario, dass die Gelddruckerei der Staaten in eine Inflation münden könne, hält der Autor eher für unwahrscheinlich: „Wo sollten die Inflationsimpulse herkommen, wenn die Wirtschaft durch Kreditklemme, mangelnde Kapazitätsauslastungen und anhaltende Nachfragezurückhaltung durch ‚Notsparen’ gebremst wird?“ (S. 47)
Die hoch verschuldeten Staaten, so die Sicht des Autors, könnten sich bald nur noch mit sanierenden Währungsreformen glaubwürdig entschulden. Dies mache dann schließlich auch bei den noch vergleichsweise solideren Euro-Ländern wie zum Beispiel Frankreich Schule. „Etwa im Jahr 2015“, so seine Erwartung, „wäre auch für Deutschland, das heute noch vergleichsweise finanziell stabil erscheint, mit einer sanierenden Währungsreform zu rechnen.“ (S. 219)
Zu Recht warnt der Autor davor, dass die EZB ihre politische Unabhängigkeit zunehmend verliere, womit eine Basis für die währungspolitische Stabilität schwinde. „Ob dieser Geist der Bundesbank, getragen vom Primat der Geldwertstabilität, auf europäischer Ebene noch weiterweht, ist äußerst fraglich. Auch Geldpolitik ist an Personen gebunden, die in der Lage sind, Stehvermögen selbst dann zu besitzen, wenn die stabilitätsorientierten Entscheidungen unpopulär sind. Die Personalie Axel Weber ist daher keine Randnotiz. Sein vorzeitiger Weggang im Mai 2011 setzte ein deutliches Zeichen, denn mit ihm flog der letzte große Falke davon.“ (S. 82) Obwohl das Buch hochaktuell ist, wurden die Prognosen des Autors leider oftmals zwischen der Fertigstellung des Manuskriptes und dem Erscheinen des Buches schon zusätzlich sehr eindrucksvoll bestätigt – so zuletzt durch den Abgang von EZB-Chefvolkswirt Stark.
Zuzustimmen ist dem Autor uneingeschränkt, wenn er die Politiker-Rhetorik zum Euro-Thema kritisch aufs Korn nimmt: „Die Einschätzung aber, dass das Scheitern des Euro das Scheitern Europas wäre, ist reine Politikrhetorik… Das Beschreien der Kriegsgefahr, die ohne den Euro angeblich wieder bestehen würde, ist unverantwortlich. Viele Länder in Europa haben den Euro nicht eingeführt und leben auch in guter und friedlicher Nachbarschaft. Eher ist das Gegenteil der Fall: Wenn das Thema so emotional aufgeladen wird, verhalten sich die Politiker, die dies behaupten, kontraproduktiv. Die sozialen Spannungen infolge der Euro-Konstruktionsfehler durch die mangelnde Abstimmung der Finanz- und Wirtschaftspolitik und durch die fehlende politische Union sowie infolge des Aufweichens des Stabilitätspaktes durch die Politiker… führen zu einer Störung des inneren Friedens in Europa. Nach dem Einstieg in die Transferunion wird der Euro zu einer Belastung zwischen den noch bestehenden Nationalstaaten.“ (S. 198)
Eher schwächer fällt das Kapitel mit Ratschlägen für „Anlegen in einem schwierigen Umfeld“ aus (S. 229ff). Hier habe ich nichts gefunden, was nicht ohnehin zum Allgemeinwissen gehört. Fragezeichen habe ich auch bei Kapitel 8 markiert, wo der Autor eine in Deutschland angeblich „übertriebene Flexibilisierung“ auf dem Arbeitsmarkt (die Arbeitskraft werde dadurch „wie eine Ware behandelt“) und eine „übermäßige Lohnzurückhaltung“ kritisiert. Dabei zeigen unabhängige Untersuchungen, dass Deutschland einen der am wenigsten flexiblen Arbeitsmärkte der Welt hat, und die Lohnzurückhaltung war ja einer der wichtigen Gründe für die positive wirtschaftliche Situation der letzten Jahre. Auch bei Kapitel 5, in dem sich modische Kritik an Investmentbanken, Ratingagenturen, „angelsächsischem Geldmanagerkapitalismus“ usw. findet und kritisiert wird, dass deren Akteure nicht hart genug bestraft worden seien, habe ich viele Fragezeichen angebracht. Insgesamt überwogen beim Lesen des Buches jedoch die zustimmenden Ausrufezeichen gegenüber den hier und da angebrachten Fragezeichen, bei denen ich anderer Meinung bin als der Verfasser.