Das Jahr 2008 dürfte auch noch in einigen Jahrzehnten als das „Jahr der Finanzkrise“ schlechthin in Erinnerung bleiben. Denn Erinnerung macht sich nun einmal vor allem an symbolträchtigen Ereignissen fest – und ein solches war der Insolvenzantrag der bis dahin renommierten US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 zweifellos. Auch wenn die ersten krisenhaften Entwicklungen wesentlich früher, spätestens aber im Sommer 2007 sichtbar wurden und sich die Krise bis weit in das Jahr 2009 hinzog, symbolisiert der Fall von Lehman im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit diese Krise in einem Ausmaß wie sonst kein anderes Ereignis. Denn an diesem Beispiel wurde deutlich, dass auch das beste Renommee eines Unternehmens und ein jahrzehnte- wenn nicht gar jahrhundertelange Tradition keinerlei Garantie gegen ein kurzfristiges Scheitern auf ganzer Linie geben können. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 vor allem auch als eine Vertrauenskrise wahrgenommen worden ist.
Michael Maslansky formuliert das in seinem Buch sehr drastisch, wenn er das Jahr 2008 als das Jahr beschreibt, in dem das Vertrauen starb. Nun gut, Zuspitzung ist in einem gewissen Maße notwendig, wenn man die Aufmerksamkeit einer breiteren Leserschaft erwecken will. Aber Maslansky geht es nicht um billige Effekthascherei. Vielmehr setzt er bei einer Bestandsaufnahme an, die einen zentralen Trend der vergangenen Jahre analysiert: die zunehmende Skepsis als Grundbefindlichkeit der unterschiedlichsten Zielgruppen jeglicher Kommunikation. Maslansky stellt seinem ersten Kapitel das folgende Zitat von Douglas Adams, dem Autor von „Per Anhalter durch die Galaxis“, voran: „Das glaube ich nicht. Beweise es mir und ich werde es trotzdem nicht glauben.“
Die allumfassende Skepsis und das generelle Misstrauen, die in einer solchen Haltung zum Ausdruck kommen, sieht er keineswegs auf eine bestimmte Branche oder ein bestimmtes Problem beschränkt, sondern eher als eine Grundtendenz unserer Zeit: „Überall und bei jedem Thema ist die Herausforderung dieselbe: Wie bringe ich Menschen dazu, mir zu glauben, solange Misstrauen gegenüber allem und jedem die Regel ist?“ (S. 19)
Auch und gerade für Kommunikationsprofis in Unternehmen stellt ein solches Umfeld eine besondere Herausforderung dar. Denn, so schmerzlich die Erkenntnis auch sein mag, in einer Atmosphäre genereller Skepsis ist die Tragweite rationaler Argumente und harter Fakten begrenzt. Maslansky bringt die Situation auf den Punkt: „Die Leute müssen Ihnen glauben wollen, bevor sie Ihnen glauben können. Effektive Kommunikation steht und fällt damit, dass das Publikum sich Ihnen öffnet. Erst dann kann es Ihre Botschaften annehmen.“ (ebd.)
Verschärft wird die Situation durch die Veränderungen in der Medienlandschaft, die neben vielen positiven Effekten durchaus auch ihre Schattenseiten haben. So können Blogger und andere Internet-Aktivisten heute nahezu zu jedem beliebigen Thema „kommunikativen Gegenwind“ erzeugen – und bedürfen dazu noch nicht einmal fundierter Argumente. Um sich ein ernüchterndes Bild vom inhaltlichen Niveau derartiger Diskussionen zu machen, genügt oft schon ein Blick in die Foren renommierter Tageszeitungen und Fernsehsender. Selbstverständlich ist es ein hohes Gut, dass ein freier und unzensierter Meinungsaustausch auf einer solchen Ebene hierzulande möglich ist – und kein vernünftiger Mensch kann sich stattdessen chinesische oder iranische Verhältnisse wünschen. Zugleich müssen sich professionelle Kommunikatoren aber darüber im Klaren sein, dass sie eben nicht mehr nur ausschließlich auf der Sachebene kommunizieren können, wenn sie ihre Botschaften erfolgreich vermitteln wollen. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit Expertenmeinungen, die häufig zur Stützung bestimmter Thesen oder Meinungen angeführt werden, heute aber oft ebenfalls dem Generalverdacht der Fälschung oder der Manipulation zum Opfer fallen. Während man früher bis zum Beweis der Schuld als unschuldig galt, gilt man heute als schuldig, solange man seine Unschuld nicht bewiesen hat – so die Diagnose der Autoren. Für die professionelle Kommunikation bedeutet das eine besondere Herausforderung, denn „jede Minute, die Sie nicht Ihre eigene Geschichte erzählen, bedeutet eine Chance für die Kritiker, um die ihre loszuwerden“. (S. 37 f.)
Maslansky und seine Co-Autoren fokussieren sich zunächst darauf, ein Bewusstsein für die grundlegenden Veränderungen zu schaffen, mit denen professionelle Kommunikation sich heute auseinanderzusetzen hat. Und sie leiten daraus eine Reihe praktischer Empfehlungen ab, wie auf diese Veränderungen reagiert werden kann und sollte. Während Ratschläge wie „Sie dürfen nur eine Geschichte erzählen“ in Gestalt der „One-Voice-Policy“ längst Eingang in die Kommunikationsgepflogenheiten vieler Unternehmen gefunden haben, dürften Postulate wie „Die Wahrheit hilft Ihnen nicht“ oder „Oft sind Sie selbst Ihre unglaubwürdigste Quelle“ zunächst verstörend wirken, zugleich aber nachdrücklich auf ganz wesentliche Herausforderungen für eine zeitgemäße Unternehmenskommunikation hinweisen. Es ist das Verdienst der Autoren, dass sie es nicht bei einer bloßen Bestandsaufnahme belassen, sondern im zweiten Teil der Buches eine Reihe von konkreten und praktisch umsetzbaren Tipps geben, wie Kommunikation auch in einer von tiefer Skepsis geprägten Umgebung erfolgreich sein kann und welche Fehler dabei vermieden werden sollten.
P.D.-F.