Dieses Buch vermittelt Basiswissen zu zwei Aspekten, die beide gleichermaßen für Entwickler und Investoren im Segment der Einzelhandelsimmobilien bedeutsam sind: Auf den ersten 140 Seiten wird ausführlich über die Marktentwicklung im Einzelhandel informiert, über Standort- und Marktanalysen sowie Nutzungskonzepte, über Markt- und Standortgutachten für Projektentwicklungen und Verträglichkeitsgutachten.
Auf den folgenden 300 Seiten stehen rechtliche Rahmenbedingungen im Vordergrund. Die Beiträge in diesem Teil befassen sich mit der Handelsimmobilie im öffentlichen Bau- und Planungsrecht, mit den verschiedenen Genehmigungserfordernissen sowie mit Immobilienkaufverträgen, Mietverträgen usw.
In dieser Besprechung soll der Teil über die Marktentwicklung im Vordergrund stehen, der im Wesentlichen von Joachim Stumpf von der Gesellschaft IPH Handelsimmobilien verfasst wurde.
Bis Anfang der 90er Jahre ist der Einzelhandel mit einigen wenigen Unterbrechungen gewachsen. Seit nunmehr 20 Jahren stagniert der Markt jedoch. Der Umsatz im deutschen Einzelhandel ging von 1995 bis 2011 nominal um 10,2% zurück, was einem realen Rückgang von -0,2% entspricht. Gleichzeitig stieg die Fläche jedoch um fast 28%. (S. 22) Entsprechend ging die Flächenleistung pro qm in diesem Zeitraum um fast 14 Prozent zurück. Von 1995 bis 2010 ist die Flächenproduktivität im deutschen Einzelhandel von 3.958 Euro auf 3.331 Euro pro qm Verkaufsfläche gesunken – mit anhaltender Tendenz. (S. 63)
Die Gründe dafür sind vielfältig. Zunächst sinkt der Anteil des Einzelhandels am privaten Verbrauch kontinuierlich. Lag er 1995 noch bei 35,2%, so beträgt er heute nur noch 28,6%. Die Ausweitung der Flächen entsprach nicht nur den Wachstumserfordernissen von Handelsunternehmen, sondern war teilweise auch angebotsbedingt. “Neben den Wachstumsplänen der Handelsunternehmen ist aber auch die Immobilienwirtschaft eine wesentliche Triebkraft der Handelsexpansion. Zum einen gibt es frei verfügbares Kapital, welches auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten ist, zum anderen bestimmen die reine Verfügbarkeit von Flächen und die Notwendigkeit der Auslastung der Projektentwicklungskapazitäten großer Entwickler sehr häufig die Standortentwicklung mehr als nur die Nachfrage der Bevölkerung oder besondere Standortqualitäten.” (S. 32 f.)
Im Einzelhandelsbereich haben wir es also mit einem reinen Verdrängungswettbewerb zu tun. Wer sind die Verlierer, wer sind die Gewinner? Was die Standorte anlangt, so ist klar erkennbar, dass die besseren Standorte zunehmend die schlechteren verdrängen. Es erfolgte und erfolgt weiterhin eine zunehmende Konzentration auf die 1a-Lagen, von der jedoch die 1b-Lagen nicht profitieren können. Im Gegenteil: 1a-Lagen werden zum Teil noch enger gefasst als früher. (S. 39)
Zugleich wird deutlich, dass manche Konzepte im Einzelhandel ihre Marktanteile stark ausweiten können, andere dagegen verlieren. In der öffentlichen Wahrnehmung spiegelt vor allem der Marktanteilsverlust der Warenhäuser diese Entwicklung wider. “Dabei ist der Marktanteilsverlust der inhabergeführten Fachgeschäfte und der damit einhergehende Verlust von Vielfalt in den deutschen Städten um ein Vielfaches höher, aber aufgrund von ‚Einzelschicksalen’ pressemäßig ungleich geringer wahrnehmbar.” (S. 9)
Gewinner sind auf der anderen Seite vertikale Textiler wie H & M, Mango, Zara u.a. Die höchsten Marktanteilzuwächse entfielen jedoch in den Jahren 2000 bis 2011 auf Discounter und Fachmärkte, gefolgt von SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten. Gewinner sind also eindeutig jene Betriebsformen, bei denen der Preis einen wesentlichen Profilierungsfaktor bildet, während die Verlierer ausnahmslos solche Betriebsformen sind, bei denen die Preisprofilierung wenig ausgeprägt ist. (S. 31) Ebenfalls stark zulegen konnte der E-Commerce. “Es gibt keine Warengruppe mehr, die nicht online vertrieben werden kann”, betont Stumpf mehrfach und nachdrücklich. Die höchsten Umsatzanteile im online-Handel entfallen auf die Gruppe Bekleidung/Textilien/Schuhe mit knapp 30%, gefolgt von Medien/Bild- und Tonträgern und Unterhaltungselektronik mit 25% (S. 32).
Ein Kapitel des Buches ist dem Thema Revitalisierung gewidmet, da diese erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Stark beachtet und diskutiert wird das Thema der Revitalisierung von Shoppingcentern, doch insgesamt spielt dies nur eine untergeordnete Rolle. “Andere Handelsimmobilientypen wie Möbelhäuser, Fachmarkt- und Nahversorgungszentren, SB-Warenhäuser, Warenhäuser, Stand-alone-Fachmarkt- und Lebensmittelstandorte, Geschäftshäuser etc. werden ebenfalls alle möglichen Facetten der Revitalisierung erfahren.” (S. 52)
Leider, so Stumpf, handeln viele Immobilieneigentümer nicht sehr vorausschauend. Strategische Überlegungen oder gar ein Frühwarnsystem sind selten Auslöser für größere Revitalisierungen, sondern meist ist der wirtschaftliche Leidensdruck schon so groß geworden, dass ein Zwang zum Handeln besteht. (S. 57)
Das vorliegende Buch ist eine Pflichtlektüre für jeden, der sich mit Einzelhandelsimmobilien befasst. Es ist lesenswert sowohl für Leser, die erst beginnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen und einen Überblick gewinnen wollen, als auch für Profis, die es als Nachschlagewerk verwenden können.
Bei einer Neuauflage wäre es wünschenswert, neben dem Marktteil und dem Rechtsteil einen weiteren Teil hinzuzufügen, der sich gezielt aus Investorensicht mit Einzelhandelsimmobilien befasst und dabei die Kriterien für Investitionsentscheidungen in die verschiedenen Formate (Shoppingcenter, großflächiger Einzelhandel, Highstreet usw.) differenziert darstellt. R.Z.