Einer der besten deutschen Fußballer schreibt seine Autobiografie: Lothar Matthäus. Im Nachhinein scheint seine Karriere als aktiver Fußballer wie ein unaufhaltsamer Siegeszug, doch beeindruckend ist vor allem, wie er immer wieder Probleme – vor allem durch Verletzungen – mit einer ungeheuren Willenskraft und Ausdauer meisterte.
Auch selbstkritische Töne fehlen nicht. Seine Erklärung dafür, dass er nach der EM 1980 für 18 Monate keine Rolle mehr spielte: „1980 nach der Europameisterschaft ist mir der schnelle Erfolg zu Kopf gestiegen. Die Popularität wuchs durch die internationalen Erfolge… Ich ließ einfach die Zügel schleifen. Wahrscheinlich weil ich dachte, das geht so einfach weiter, vielleicht sogar mit einem Bierchen mehr oder einem Gang weniger zum Training… Die Professionalität, die mich meine gesamte Karriere ausgezeichnet hatte, habe ich für einige Monate verloren.“ (S. 50)
Immer wieder wurde Matthäus durch schwere Verletzungen zurückgeworfen. „Die Siege habe ich aufgesaugt, aus den Niederlagen habe ich gelernt. Und mir war immer klar, dass meine wirklich größten persönlichen Erfolge nicht die Titel gewesen sind, sondern die Tatsache, dass ich nach meinen schweren Verletzungen zurückgekommen bin und danach noch über Jahre Höchstleistungen bringen konnte. Ja, meine psychischen Siege waren größer als jeder physische Triumph bei einer WM.“ (S. 149)
Wer als Sportler selbst unter Verletzungen zu leiden hat, die oft das „Aus“ für eine vielversprechende Karriere bedeuten können, wird in diesem Buch Motivation und Ansporn finden, diese Schwierigkeiten – auch gegen alle anderslautenden Vorhersagen – zu meistern. Wie schlimm es ist, in einer solchen Verletzungsphase von Vereinen und Medien „abgeschrieben“ und ignoriert bzw. als „Ehemaliger“ behandelt zu werden, wird eindringlich deutlich.
Nur wenige Seiten – insgesamt vielleicht zehn von 224 – widmet Matthäus der Schilderung seiner vier Ehen und zahlreichen Affären. Auf den Sport hätten sich diese Aufs und Abs nicht ausgewirkt: „Genauso wenig wie mich eine Scheidung demoralisierte, genau wenig hat mich eine Geburt beflügelt. Das waren private Momente, die keine Auswirkungen auf den Sport hatten. Ging ich zum Training, fiel immer eine Klappe, und der Fokus war auf den Ball gerichtet.“ (S.123)
Viel Bitterkeit ist in dem Buch zu spüren, wenn es um das Thema „Medien“ geht. Von Journalisten fühlte sich Matthäus ungerecht behandelt, dieses Thema zieht sich durch das ganze Buch. Zu denken gibt es in der Tat, wenn er schreibt: „Michael Schumacher lebt im Ausland. Steffi Graf lebt im Ausland. Boris Becker lebt im Ausland. Franz Beckenbauer lebt im Ausland. Ich lebe im Ausland. Warum? Wie viele Sportstars haben wir? Wo sind die? Die großen Namen leben im Ausland, weil sie es irgendwann leid geworden sind. Ich bin gerne in Deutschland, und irgendwann werde ich auch wieder zurückkommen.“(S. 145)
Matthäus schildert im fünften Kapitel ausführlich sein „Vagabundenleben als Trainer“ nach seiner aktiven Fußballerkarriere – in Österreich, Ungarn, der Türkei, den USA, Brasilien, Ungarn, Bulgarien usw. Zwar kann er auf einige Erfolge auch in dieser Zeit hinweisen, aber überwiegend bestimmten Zerwürfnisse und Konflikte sein Leben als Trainer. Er selbst hat eine einfache Interpretation: Er selbst sei zu gut, zu ehrlich und vielleicht zu naiv für diese schlechte Welt. Nimmt man seine zahlreichen gescheiterten Ehen und Traineranstellungen zusammen, dann ergibt sich aber eher das Bild einer schwierigen Persönlichkeit – was natürlich nicht gegen ihn sprechen muss. Man hat den Eindruck, dass er sich das Leben oftmals schwerer machte, als es hätte sein müssen.
Das ganze Buch liest sich wie eine eindringliche Bewerbung für eine Stelle als Trainer in Deutschland. Er berichtet, es habe mehrere Angebote gegeben, doch stets seien die Verhandlungen in letzter Minute gescheitert. Aber wenn man aus dem Buch einen Lebenstraum herauslesen möchte, dann sieht er wohl so aus: Glück in einer fünften Ehe, die dann auch hält, und eine Trainerstelle in Deutschland, wo er dann auch nach der aktiven Fußballerkarriere jene Anerkennung erhält, nach der er sich so sehr sehnt. Der Leser wünscht ihm, dass diese Träume in Erfüllung gehen mögen. R.Z.