Dies ist die Biografie eines der bedeutendsten Unternehmer und Erfinder des 20. Jahrhunderts, der zugleich zeitweise der reichste Mann der Vereinigten Staaten war. Henry Ford gilt als Erfinder der industriellen Massenproduktion und machte in den Vereinigten Staaten das Auto zu einer Massenware. Besonders sein legendäres „Model T“, von dem über 15 Millionen Stück verkauft wurden, machte Geschichte und veränderte Amerika. So sehr sein unternehmerisches Talent und sein Erfindergeist immer wieder gerühmt wurden, so sehr geriet er – zu Recht – in die Kritik wegen seiner oft weltfremden und zum Teil extremen politischen Gesinnungen.
Die vorliegende Biografie zeichnet ein differenziertes Bild dieses Mannes. Ford begann seine Karriere nebenberuflich als Erfinder. Hauptberuflich war er Angestellter in der Edison Company – der Firma des berühmten Erfinders. Nebenberuflich begann er, ein Auto zu erfinden. 1899 kündigte er seinen Hauptjob und gründete seine erste Firma, denn er sollte befördert werden und hätte dann keine Zeit mehr für seinen Nebenberuf gehabt. (S. 72) Seine erste Firma war allerdings ein Fehlschlag und löste sich auf, nachdem sie weniger als ein Dutzend Autos verkauft hatte. (S. 77)
Bekannt wurde Ford zunächst als Fahrer des „Model A“, mit dem er 1903 ein wichtiges Autorennen gewann. Anders als andere Erfinder war Ford selbst weniger der Handwerker als vielmehr der inspirierende Ideengeber, der es verstand, Dinge zu delegieren. „I never saw Mr. Ford make anything“, sagte einer seiner frühen Gehilfen. „He was always doing the directing.“ (S. 49) Von Anfang an konzentrierte er sich darauf, Autos mit einem sehr leichten Gewicht zu bauen. „The most beautiful things in the world are those from which all excess weight has been eliminated.“ (S. 56)
Und vor allem wollte er ein Auto bauen, das weitaus billiger war als die seiner Wettbewerber. Damals war das Auto noch ein Luxusartikel für sehr, sehr reiche Menschen. Autos kosteten ein Vielfaches von Einfamilienhäusern, in heutigen Preisen ausgedrückt oftmals sogar mehrere Millionen Dollar. (S. 135) In damaligen Preisen (1906) kostete mehr als die Hälfte der Autos in den USA zwischen 3000 und 5000 Dollar. Ford zerstritt sich mit den Investoren, die ebenfalls auf dieses Marktsegment setzten, weil er ein Auto bauen wollte, dass nur ein Zehntel dessen kostete. Aber er behielt Recht: Ein Jahrzehnt später kosteten nur noch zwei Prozent der verkauften Autos zwischen 3000 und 5000 Dollar. (S. 137)
Ford erschloss mit dem Auto, das er baute, eine ganz neue Käufergruppe – die größte, die es damals in den USA gab, nämlich den normalen Farmer. Zwei Drittel seiner Autos verkauft er an Farmer. Sein Biograf betont die gesellschaftlichen Folgen, die dies für die USA hatte: „In a decade, the Model T broke the age-old isolation of the farm.“ (S. 194) Viele Farmer begannen ihre Farmen zu beleihen, nur um sich ein Auto leisten zu können. (S. 194)
Das „Model T“ war mehr als eine Automarke, es wurde in den Vereinigten Staaten zu einem Mythos, wie der Autor herausarbeitet. Ford veränderte nur wenig an dem Auto, obwohl dies oft von seinen Mitarbeitern gefordert wurde. Als einmal Mitarbeiter in seiner Abwesenheit ein Nachfolgemodell entwickelt und vor die Tür gestellt hatten, drehte Ford regelrecht durch, wie ein Zuschauer beschrieb: „He takes his hands out, gets hold of the door, and bang! He ripped the door right off! God! How the man done it, I didn’t know! He jumped in there, and bang goes another door. Bang goes windshield. He jumps over the back seat and starts pounding on the top. He rips the top with the heel of his shoe.“ (S.299)
Es gab zwar immer wieder kleine Verbesserungen am Model T, aber im Grunde blieb es überwiegend unverändert. Nur der Preis des Wagens wurde stetig gesenkt. Im Oktober 1910 senkte Ford den Preis von 950 auf 780 Dollar, ein Jahr später auf 690 Dollar, und wieder ein Jahr später auf 600 Dollar. 1913 kostete es dann nur noch 550 Dollar, 1914 490 Dollar, 1915 440 Dollar, 1916 360 Dollar und 1924 290 Dollar.
Gleichzeitig mit den Preissenkungen erhöhte er die Löhne seiner Arbeiter deutlich und gab ihnen einen Mindestlohn von fünf Dollar am Tag, was vielfach eine Verdoppelung gegenüber dem vorherigen Gehalt bedeutete und zu einem regelrechten Massenansturm von Arbeitskräften führte, die alle bei Ford arbeiten wollten. Den Investoren, denen die Firma Ford überwiegend gehörte, gefiel es gar nicht, dass Ford ständig die Preise senkte und die Löhne erhöhte, so dass nach Investitionen fast nichts für die Dividende übrig blieb. Erst vor Gericht erstritten sie, dass Ford eine hohe Dividende zahlen musste.
Ford landete daraufhin einen großen Bluff: Er kündigte an, die Firma zu verlassen und eine neue Firma zu gründen, die vier oder fünfmal so viele Mitarbeiter wie die 50.000 Ford-Mitarbeiter haben würde. Die Pläne für ein Auto, das nur 250 Dollar kosten würde, habe er schon fix und fertig, so kündigte er an. (S. 258 f.) Den Aktionären machte das Angst und sie waren bereit, ihre Anteile an Ford zu verkaufen. „But by the end of 1919 Henry Ford held the largest company ever in the hands of one person. His operation was worth half a billion dollars, and he owned it as completely as he did his piano and his birdhouses.“ (S. 261)
Ford äußerte sich öffentlich nicht nur zu Themen der Massenfabrikation, die er erfunden hatte, sondern auch zu politischen Themen. Er charterte ein Schiff und fuhr mit verschiedenen prominenten Persönlichkeiten nach Europa, um den Ersten Weltkrieg zu beenden. Eine naive Idee, die natürlich scheiterte. Von einem Tag auf den anderen wurde er jedoch dann vom Pazifisten zu einem Patrioten, der versprach, jede Menge Waffen für die Vereinigten Staaten zu produzieren. In den 20er Jahren gab Ford eine Hauszeitung heraus, die eine Serie mit dem Titel begann: „The International Jew: The World’s Problem“. Erst nachdem die Artikel, die später auch als Buch veröffentlicht wurden, auf massive Kritik von allen Seiten stießen, distanzierte und entschuldigte er sich dafür. Nach der Lektüre der Biografie hat man jedoch den Eindruck, dass der geniale Erfinder und Unternehmer zugleich ein politischer Wirrkopf war, der es besser unterlassen hätte, seine Meinungen zu anderen Themen als zu Autos und zur industriellen Produktion zum Besten zu geben.
Auch ansonsten gab es manche eigenartigen Seiten an der Persönlichkeit von Ford. Eher harmlos mutet noch die Implementierung des „Sociological Department“ an, das die persönlichen Verhältnisse der Ford-Arbeiter in eingehenden Interviews untersuchte. Nur derjenige, der seine Wohnung sauber und seine Kinder gesund hielt und heiratete (sofern er über 22 war) kam in den Genuss der Gehaltsverdoppelung. (S. 231) Sehr positiv kam dagegen an, dass sich eine Gesundheits- und Rechtsabteilung darum kümmerte, den Arbeitern zu helfen, wenn sie krank waren oder sich verletzt hatten oder wenn sie z. B. Rechtberatung für den Erwerb eines Hauses benötigten. Gar nicht harmlos war dagegen das „Service Department“ unter dem obskuren Harry Bennett, das später das „Sociological Department“ ablöste. Schließlich arbeiteten 3.000 Personen in diesem Service-Department, viele darunter Kriminelle, die die Arbeiter terrorisierten. Manche fragten: „Who invented the Gestapo first? Henry or Adolf?“ (S. 311) Doch Harry Bennett, der diesen Apparat aufgebaut hatte, gehörte zu den besten Vertrauten von Ford und dieser verbrachte fast jeden Abend sehr viel Zeit mit ihm (S. 311) – was nicht gerade ein positives Licht auf Ford fallen lässt.
So hinterlässt das Buch einen ambivalenten Eindruck: Ford war zweifelsohne ein genialer Erfinder, ein genialer Unternehmer, aber zugleich auch eine durchaus problematische Persönlichkeit. Andererseits muss man zugestehen, dass auch andere charismatische Unternehmer und Erfinder wie Steve Jobs oder Bill Gates oft schwierige Persönlichkeiten waren und in manchen extremen Verhaltensweisen Ford nicht unähnlich.
Das Buch ist weder – wie bei manchen Biografien – eine Hagiografie, die die kritischen Seiten auslässt oder unzulässig verniedlicht, noch handelt es sich um ein dezidiert kritisches, negatives Buch. Man merkt dem Autor die Bewunderung der Leistungen von Ford an, doch behält er die Distanz, um auch die problematischen Seiten seiner Persönlichkeit ungeschminkt darzustellen. R.Z.