Ein Forscher der Duke University fand 2006 heraus, dass über 40 Prozent unserer täglichen Handlungen nicht auf bewussten Entscheidungen beruhen, sondern Gewohnheiten sind. (S. 14) In diesem Buch werden Hunderte wissenschaftliche Studien zitiert und auf Interviews mit 300 Wissenschaftlern und Führungskräften von Unternehmen zurückgegriffen.
Gewohnheiten bestimmen unser Leben – zum Guten wie zum Schlechten. „Wenn eine Gewohnheit entsteht, hört das Gehirn auf, sich mit vollem Einsatz an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Es hört auf, sich stark anzustrengen, oder es lenkt den Fokus auf andere Aufgaben. Sofern man eine Gewohnheit nicht gezielt bekämpft – sofern man also keine neuen Routinen findet -, entfaltet sich das Muster automatisch.“ (S. 41)
Das Schema bei Gewohnheiten ist stets das Gleiche: Es gibt einen Auslösereiz, darauf folgt eine bestimmte Routine, und nach deren Ablauf gibt es eine Belohnung. Die goldene Regel bei der Gewohnheitsänderung lautet: Wenn wir den Auslösereiz und die Belohnung beibehalten, können wir eine neue Routine installieren. (S. 127)
Am Anfang einer Verhaltensänderung steht die Willenskraft, aber es ist entscheidend, dass das veränderte Verhalten dann zur Gewohnheit wird, sodass nicht mehr so viel – oder im besten Fall gar keine – Willenskraft aufgewendet werden muss. „Die beste Methode, um die Willenskraft zu stärken, besteht laut Studien darin, diese so fest zu verankern, dass sie quasi Gewohnheit wird.“ (S. 169)
Interessant ist: Willenskraft und die Umformung von Willenskraft in Gewohnheiten können trainiert werden. Und das Erstaunliche ist, dass Menschen, denen dies in einem Bereich gelingt, auch in anderen Lebensbereichen bessere Gewohnheiten annehmen. Dies wurde durch zahlreiche Experimente bewiesen. So wurden beispielsweise zwei Dutzend Personen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren in ein Sportprogramm aufgenommen, bei dem sie über zwei Monate hinweg eine stetig wachsende Zahl von Übungen in Gewichtheben und Aerobic absolvieren mussten. Nach zwei Monaten nahmen die Forscher die übrigen Lebensbereiche der Teilnehmer unter die Lupe, um herauszufinden, ob sich die erhöhte Willenskraft im Fitnessstudio auch in einer größeren Willenskraft in anderen Lebensbereichen niederschlug. Das Ergebnis: Je mehr Zeit sie im Fitnessstudio verbrachten, desto weniger Zigaretten rauchten sie und umso weniger Alkohol, Koffein und Junkfood konsumierten sie. Sie verbrachten mehr Stunden mit Hausarbeit und weniger vor dem Fernseher. (S.177)
Das lag nicht etwa an dem Sport an sich, sondern daran, dass die Selbstdisziplin gestärkt worden war. Andere Experimente bestätigten den Mechanismus. So nahmen 29 Personen an einem viermonatigen Moneymanagementprogramm teil. Es wurden Sparziele festgesetzt und die Teilnehmer wurden aufgefordert, Luxusausgaben zu reduzieren. Die finanzielle Lage der Teilnehmer verbesserte sich in dem Maße, wie sie das Programm durchliefen. „Überraschender war, dass sie auch weniger Zigaretten rauchten und weniger Alkohol und Koffein tranken – im Schnitt zwei Tassen Kaffee weniger, zwei Bier weniger und, bei Rauchern, fünfzehn Zigaretten weniger pro Tag. Sie aßen weniger Junkfood und waren produktiver bei der Arbeit und in der Schule.“ (S. 178)
Mehrere ähnliche Experimente bestätigten den Befund ebenfalls: „Wenn man lernt, sich selbst zu zwingen, ins Fitnessstudio zu gehen oder seine Hausaufgaben anzupacken oder einen Salat statt eines Hamburgers zu essen, verändert sich unter anderem auch die Denkweise“, so einer der Forscher, der diese Programme durchführte. „Menschen können ihre Impulse besser regulieren. Sie lernen, wie sie sich von Verlockungen ablenken können. Und sobald sie in diese Willenskraft-Routine verfallen, ist ihr Gehirn geübt darin, ihnen dabei zu helfen, sich auf ein Ziel zu konzentrieren.“ (S. 178 f.)
Gewohnheiten prägen nicht nur das Verhalten von einzelnen Menschen, sondern auch von Unternehmen und Institutionen. In dem Buch werden zahlreiche Beispiele dargestellt, wie es Unternehmen gelingt, ihre Mitarbeiter zu trainieren, indem bestimmte Standardsituationen geübt werden. Wichtig ist, dass – ähnlich wie bei einem Fußballspieler – bei einem bestimmten kritischen „Wendepunkt“ (so etwa bei einer Kundenbeschwerde) automatisch eine vorher immer wieder geübte Routine abgespult wird. So werden beispielsweise bei Deloitte die Mitarbeiter in einem Programm unterrichtet, das „Moment That Matter“ genannt wird und sich auf den Umgang mit Stresssituationen konzentriert, etwa wenn sich ein Klient über die Höhe des Honorars beschwert, wenn ein Kollege entlassen wird oder wenn ein Deloitte-Berater einen Fehler gemacht hat. „Für jeden dieser Momente gibt es vorprogrammierte Routinen…, die Mitarbeiter anleiten, wie sie reagieren sollten.“ (S. 188)
Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen: Gewohnheiten sind unsere größten Feinde und unsere besten Freunde. Man kann sich angewöhnen, jeden Tag zwei Tafeln Schokolade zu essen, man kann sich aber auch angewöhnen, auf Süßigkeiten zu verzichten. Man kann sich angewöhnen, jeden Tag Sport zu treiben, man kann sich aber auch angewöhnen, jeden Tag Ausreden dafür zu finden, warum man keine Zeit dazu hat. Man kann sich angewöhnen, mehr auszugeben als man verdient, man kann sich aber auch angewöhnen, ein Teil des Einkommens zu sparen. Im einen Fall werden Sie übergewichtig und haben schließlich einen Haufen Schulden. Im anderen Fall werden Sie gesünder, haben eine gute Figur und bauen Vermögen auf.
Schwer ist es am Anfang, wenn Willenskraft notwendig ist, um eine neue Verhaltensweise bzw. Routine zu etablieren. Mit der Zeit wird es immer einfacher, weil die Macht der Gewohnheit dann für statt gegen uns arbeitet. R.Z.