Für welche praktischen Dinge im Berufsleben kann man die Erkenntnisse der Gedächtnissportler am besten anwenden (außer dafür, sich Namen zu merken)?
Die Gedächtnismethoden die auch von den Gedächtnissportlern eingesetzt werden, sind gar nicht so neu. Schon in der Antike wurden sie zum Teil von Rhetorikern eingesetzt. Die Anwendung zum freien Vortragen, für Reden oder Workshops, ist daher eine weitere in der Gedächtnistechniken eine große Hilfe sind, ebenso beim Sprachen lernen oder dem Merken von Details. Wer etwa von seinen Produkten die wichtigsten Vorteile ebenso wie einige Fakten auswendig weiß, kann beim Präsentieren dieser egal ob im persönlichen Gespräch oder auf einer Messe, sicher punkten.
Darüber hinaus ist eine andere Erkenntnis aber auch, dass wir auch unsere kognitiven Leistungen durch Training und Methodik verbessern können und das auch noch Spaß macht. Wer das berücksichtigt kann auch über die reine Gedächtnisleistung hinaus von Gedächtnissportlern lernen. Nicht zuletzt ist es heute auch von immer größerer Bedeutung das Gehirn und Gedächtnis auch in fortschreitendem Alter fit zu halten; auch dazu kann Gedächtnistraining einen Beitrag leisten.
Was sind die größten Schwierigkeiten und Hemmnisse (außer natürlich mangelnder Disziplin und Ausdauer beim Üben), mit denen nach Ihrer Erfahrung Menschen zu kämpfen haben, die Ihre Techniken lernen wollen?
Die größte Hürde ist meist der Beginn. In einem Vortrag gelingt es mir oft eine gewisse Begeisterung zu wecken, nicht dadurch, dass ich selbst eine außergewöhnliche Leistung zeige, sondern den Teilnehmern selbst in kurzer Zeit dazu verhelfe, sich mehr zu merken, als sie sich vorher zugetraut hätten. Der zweite Schritt muss dann aber von jedem selbst kommen: Die Methoden etwas zu üben, sich zum Beispiel eine Gedächtnisroute anzulegen. Hier muss die eigene Kreativität benutzt werden um sich selbst skurrile Bilder auszudenken. Leider geben hier einige zu früh auf, weil es nicht sofort klappt und sie befürchten, nicht kreativ genug zu sein oder nur langsam voran kommen. Sogesehen ist es schon die mangelnde Ausdauer, allerdings gepaart mit fehlender Übung im bildhaften Denken und geringem „Lernselbstvertrauen“.
Wie bzw. mit was sollte jemand beginnen, der sich noch nie mit diesem Thema befasst hat?
Am besten damit, die Idee in Bildern zu denken auszuprobieren. Etwa mit der Geschichtenmethode einige Begriffe lernen und mit der Methode zum Namen merken einige Namen. Dies sollte hoffentlich das Interesse befeuern um dann die Routenmethode auszuprobieren und sich dafür eine Gedächtnisroute mit 50 Stationen anzulegen – und sich dafür nur eine Stunde Zeit zu nehmen. Das empfehle ich dann immer als erste „Maßnahme“. Anfangs wirkt das schwierig: „Wie soll ich mir denn überhaupt 50 Wegpunkten merken?“. Aber weil es immer klappt, da unser Gedächtnis sich Wege so gut merken kann, ist danach nicht nur die Motivation hoch sondern man hat die Gedächtnisroute dann auch als Tool zur Verfügung.
Was waren für Sie die überraschendsten Erkenntnisse der Gedächtnisforschung?
Mich überrascht immer wieder, welche kleinen Änderungen in unserer eigenen Vorgehensweise sehr große Effekte haben. Ein Beispiel ist der sogenannte „Testing Effect“. Wer sich etwas langfristig merken will, muss es auch wiederholen. Wenn man beim Wiederholen Inhalte aus dem eigenen Gedächtnis abruft, behält man diese Inhalte viel länger im Gedächtnis als wenn man diese zum Beispiel noch einmal gründlich gelesen hätte, selbst wenn der zeitliche Umfang gleich groß war. Ein sehr großer, beeindruckender und überraschender Effekt, zugleich eine weitere Motivation sein Gedächtnis zu benutzen und zu trainieren.