Sie haben viele Menschen kennengelernt, die sich selbständig gemacht haben. Gibt es eine oder zwei hervorstechende Gemeinsamkeiten – außer dem Mut, der alle Porträtierten offenbar verbindet?
Die ungewöhnliche Unternehmer verbindet neben dem Mut Entschlossenheit, Pragmatismus und Durchhaltevermögen. Sie haben nicht nur mit Ideen gespielt, sondern sie haben sie auch umgesetzt. Bei der ersten Schwierigkeit haben sie nicht aufgegeben, sondern weitergemacht. Von Hürden haben sie sich nicht einschüchtern lassen, sondern sie als Herausforderungen angenommen und dabei einen langen Atem bewiesen. Sie waren offen für Veränderungen, dabei aber fokussiert auf den Erfolg ihrer Geschäftsidee und den Nutzen für ihre Kunden.
Die Statistik sagt, dass die meisten Menschen, die sich selbständig machen, scheitern. Ist nicht die Angst vor dem Risiko berechtigt? Wie kann man die Wahrscheinlichkeit, dass man nicht zur Mehrheit derjenigen gehört, die scheitern, reduzieren?
Diese Frage wird mir von Journalisten häufiger gestellt, was meines Erachtens mit dem eher sicherheitsorientierten als risikobereiten mentalen Klima in Deutschland zusammenhängt. Es ist durchaus berechtigt, sich mit den Risiken der Selbständigkeit zu beschäftigen, insbesondere bei Gründern in der Mitte des Lebens, die für Familie und Kinder Verantwortung tragen. Doch wer nicht bereit ist, die Komfortzone zu verlassen, wird auch keine neuen Wege entdecken. Man zahlt für alles einen Preis: dafür die Sicherheit zu bevorzugen ebenso wie dafür, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Doch bevor man sich mit den Risiken auseinandersetzt, sollte es zunächst um die Chancen gehen. Denn wir bekommen Antworten auf die Fragen, die wir stellen. Wer sich fragt „Wie kann ich es schaffen?“, „Was brauche ich zum Erfolg?“, „Wer kann mich unterstützen?“, „Welche alternativen Finanzierungsangebote gibt es?“ bekommt andere Antworten als derjenige, der sich auf Risiken oder Szenarien des Scheiterns konzentriert. Für Gründer ist entscheidend, sich an Erfolgsstrategien zu orientieren und diese permanent situativ weiterzuentwickeln. Deshalb habe ich das Buch „Werde, was du kannst! Wie man ein ungewöhnlicher Unternehmer wird“ geschrieben. Situativ heißt nicht nur die Chancen der Zeit, sondern auch die Chancen der eigenen Situation zu nutzen. Wer beispielsweise noch immer meint, die neuen Medien ignorieren zu können, hat den medialen Paradigmenwechsel und damit zentrale Bausteine des Erfolgs nicht wahrgenommen.
Sie berichten in Ihrem Buch über 21 kreative Unternehmer. Bei wie vielen haben Sie das Gefühl, dass man sagen kann: Ja, es hat sich auch wirtschaftlich absolut gelohnt und die Unternehmer haben am Ende vom Jahr wesentlich mehr in der Tasche als sie es als Angestellte gehabt haben oder wohl hätten? Und bei wie vielen der 21 sind es eher der Idealismus, der Spaß und die Befriedigung, einer als sinnvoll angesehenen Tätigkeit nachzugehen – ohne dass dies rein finanziell betrachtet erfolgreich ist?
Erfolg lässt sich quantitativ und qualitativ messen. In qualitativer Hinsicht sind alle 21 Unternehmer erfolgreich, da sie mit dem, was sie tun, im Flow sind. Das ist ein Lebensgefühl, das nicht steigerbar ist, was nicht bedeutet, dass dazu nicht auch tägliche Anstrengungen zählen. In quantitativer Hinsicht haben alle Unternehmer ihre Lebensgrundlage aus eigener Kraft abgesichert, was bereits einen ersten Erfolg darstellt – in den berühmten schwarzen Zahlen zu sein. Interessant ist auch, dass das Geld, das als Selbständiger verdient wird, eine andere Qualität als das Gehalt eines Angestellten hat, wie mir meine Coachingklienten immer wieder bestätigen. Einer meiner Klienten schrieb mir: „es klingt vielleicht etwas komisch, aber es fühlt sich an wie das erste selbst verdiente Geld, auch wirklich ,verdiente‘ Geld und dieses Geld ,will auch bleiben‘ während das Gehalt als Jurist irgendwie ,unverdient‘ flüchten wollte oder in Frustkäufe u.Ä. mündete….“. Die Höhe des Einkommens sagt also wenig über die damit verbundene Zufriedenheit aus. Hinzu kommt, dass Selbständige ein anderes Verhältnis zum Geld haben. Denn Investitionen in sich selbst und in die Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens sind für sie entscheidend. Ihre Frage ist insofern nicht ganz einfach zu beantworten, als Angestellte von … bis… verdienen. Als angestellte Geschäftsführerin hatte ich ein Gehalt im 6-stelligen Bereich. Als ich mich selbständig gemacht habe, habe ich nicht erwartet, bereits in den ersten drei Jahren wieder den gleichen Gewinn zu erzielen. Das war auch bei den meisten der von mir porträtierten Unternehmer nicht der Fall. 19 der 21 Unternehmer sind pekuniär so erfolgreich, dass sie kontinuierlich expandieren, drei davon sogar international; einer der Serial Entrepreneurs steht kurz davor, sein zuletzt gegründetes Unternehmen erneut lukrativ zu verkaufen; eine Unternehmerin ist durch ihre Expertise als Beraterin von einem großen Internetunternehmen engagiert worden; ein Unternehmer erhält inzwischen ohne Akquise internationale Aufträge von renommierten Unternehmen aus Frankreich und den USA; mehrere Unternehmer haben sich finanziell interessante Kooperationsangebote erschlossen; ein Unternehmer kann seine Öffnungszeiten reduzieren, ohne dadurch weniger zu verdienen. Bereits kurz nach Erscheinen meines Buches könnte ich ein Folgebuch über die Entwicklungen der 21 ungewöhnlichen Unternehmer schreiben. Denn die meisten entwickeln sich ständig weiter, nicht zufällig, sondern strategisch.
Welche der 21 Personen, die Sie kennengelernt und in Ihrem Buch portraitiert haben, hat Sie denn am allermeisten beeindruckt?
Ich kann die 21 Menschen nicht gegeneinander ausspielen, da es mir bei der Auswahl darauf ankam, Unternehmer in ganz unterschiedlichen Bereichen der kreativen Ökonomie zu porträtieren, um Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen neue Horizonte zu erschließen. Insofern hat mich jeder Unternehmer auf seine Weise beeindruckt: der eine durch die phänomenale Energie, mit der er nach der Insolvenz erneut erfolgreich durchgestartet ist; der andere durch die charismatische Persönlichkeit, mit der er hunderte von Menschen bei seinen Vorträgen in seinen Bann zieht; die dritte durch die zutiefst ethischen Werte, die sie konsequent lebt; der vierte durch seinen analytisch brillanten Verstand; der fünfte durch seine beeindruckende Symbiose von Humanität und Intellekt; die sechste durch ihre Unbeirrbarkeit zu Zeiten der DDR; der siebte durch die Fähigkeit, Herausforderungen neu zu denken und so weiter – und alle dadurch, dass sie nicht geredet, sondern gehandelt haben, aus eigener Kraft mit ganzem Einsatz.
Beschreiben Sie mit wenigen Worten bitte, was Sie heute als Business-Coach machen? Welche Ihrer Dienstleistungen bzw. Beratungen werden am meisten nachgefragt – und von wem?
Als Coach ermögliche ich Menschen zu werden, was sie können – als Sparringspartner auf Augenhöhe. Ich begleite Menschen, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen von der Entwicklung der Unternehmensidee bis zur Marketingstrategie. Ich arbeite mit Führungskräften, die den nächsten Karriereschritt planen. Ich coache Teams in Unternehmen, um das Potential der individuellen Stärken zu heben. Und ich leite Erfahrungsaustauschgruppen für Unternehmer, die durch den themenorientierten, konstruktiven Austausch immens voneinander profitieren. Diese Aufgaben sind zurzeit recht ausgewogen. Aber es bleibt spannend, wohin die Reise geht.
Lesen Sie hier die Besprechung des Buchs „Werde, was Du kannst“