Private Anleger haben 40 Prozent ihres Geldvermögens in Bankeinlagen „angelegt“, 53 Prozent stecken in Immobilien. Versicherungsgesellschaften in Deutschland haben 90 Prozent ihrer Mittel in Anleihen – vor allem in Staatsanleihen – investiert. Und damit stecken sie alle in der Zinsfalle, so die zentrale These dieses lesenswerten Buches.
Besonders interessant sind die Kapitel 2 und 3, in denen Sauren zeigt, dass es wenig sinnvoll ist, heute noch Gelder in Staats- und Unternehmensanleihen zu investieren.
Wenn die Zinsen allgemein steigen, dann fallen die Kurse von Anleihen, wenn die Zinsen sinken, dann steigen die Kurse. Deshalb konnte man in den vergangenen Jahren hohe Gewinne mit Staatsanleihen bonitätsstarker Länder (wie etwa der Bundesrepublik Deutschland) erzielen. Der Ertrag setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, dem Zinsanteil und den Kursgewinnen.
Davon entfielen 6,1 Prozentpunkte auf Zinszahlungen und 0,6 Prozentpunkte auf Kursänderungen. In den vergangenen Jahren spielten jedoch Kursgewinne die entscheidende Rolle und nicht die laufenden Zinszahlungen. In den Jahren 2011 bis 2014 lag der REX-Performanceindex bei 3,9 Prozent, jedoch entfielen davon nur 1,8 Prozentpunkte auf den Zinsanteil und 2,1 Prozentpunkte auf Kursgewinne (S. 27 f.).
Die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen sank fast kontinuierlich von 11,2 Prozent im August 1981 bis auf 0,6 Prozent im November 2014 (inzwischen ist sie sogar auf nur noch 0,26 Prozent gefallen) (S. 23). Das ist der Grund, warum man in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit Anleihen hervorragend verdienen konnte. Aber diese Entwicklung ist an einen Endpunkt gekommen. Der Zinsertrag von deutschen Bundesanleihen liegt – je nach Laufzeit – knapp über bzw. knapp unter Null Prozent und kann damit kaum noch sinken.
Saurens Beispiel zeigt einmal mehr, dass eine rückwärts gerichtete Betrachtung der Performance von Kapitalanlagen keine Folgerungen für die in der Zukunft zu erzielenden Renditen erlaubt. Wer die in der Vergangenheit mit Bundesanleihen erzielten Renditen auf die Zukunft überträgt, übersieht, dass die Gründe dafür, warum in der Vergangenheit gute Renditen erzielt wurden, nicht mehr gegeben sind und es daher ausgeschlossen ist, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. „Das aktuelle Niveau der deutschen Umlaufrendite hat die Ausgangssituation für eine Fortsetzung des nachhaltigen Zinsrückgangs und damit für zukünftige weitere Kursgewinne wesentlich verschlechtert. Insgesamt bieten deutsche Staatsanleihen somit kein attraktives Rendite-Risiko-Profil mehr.“ (S. 29).
Die Meinung, Staatsanleihen seien „sicher“, ist in dieser Allgemeinheit so nicht richtig. Vergleichsweise „sicher“ sind sie allenfalls, wenn man dies – bei Staaten mit einem hervorragenden Rating – darauf bezieht, dass am Ende der Laufzeit der Nominalbetrag zurückbezahlt wird. Bis dahin kann es jedoch zu erheblichen Kursverlusten kommen, wenn die Zinsen steigen. Beispielsweise stieg die Umlaufrendite von Ende März 1978 bis Ende August 1981 von 5,2 Prozent auf 11,2 Prozent und gleichzeitig fiel der REX-Kursindex um 21,7 Prozent (S. 33).
Wegen der nur noch niedrigen Verzinsung von Staatsanleihen kamen in den vergangenen Jahren Unternehmensanleihen in Mode. Damit setzt sich Sauren im dritten Kapitel auseinander. Für die Anleihen, die von großen Unternehmen begeben werden, liegen ebenfalls Ratings vor. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass in wirklichen Krisenfällen die Ratings oft kein rechtzeitiges Warnsignal für Anleger sind. Die Rating-Agenturen stufen ein Unternehmen oft zu spät herab. Einen Extremfall konnte man im Fall der Bank Lehman Brothers erleben, die im September 2008 ihren Konkurs bekannt gab und zu diesem Zeitpunkt von der Rating-Agentur Standard & Poor’s noch mit A+ geratet wurde (S. 51).
Die Renditen für bonitätsstarke Unternehmen sind in den letzten Jahren im Gleichklang mit denen von Staaten sehr stark gesunken. Selbst bei Unternehmen, die lediglich ein BBB-Rating hatten, lag die Verzinsung teilweise nur knapp über einem Prozent. Das Renditeniveau von europäischen Unternehmensanleihen lag Ende 2014 mehr als 4 Prozent unter der durchschnittlichen Gesamtrendite in den vergangenen 15 Jahren (S.58).
Da private und institutionelle Anleger nach höheren Renditen suchten, wichen diese verstärkt auf schlechter oder gar nicht geratete Unternehmen aus. Mit diesen Hochzinsanleihen konnte man eine zeitlang hervorragend verdienen, aber die Risiken sind keineswegs nur theoretischer Natur. 2009, im Jahr nach der Finanzkrise, fiel jede zehnte Hochzinsanleihe aus (S. 49).
Zu Recht weist der Autor auch auf die Risiken bei Bankeinlagen hin. Diesem Thema ist das vierte Kapitel gewidmet. Die gesetzliche Einlagensicherung, auf die die Banken gerne verweisen, geht nur bis 100.000 Euro. Größere Summen sind bei der Institutssicherung der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken gesichert. Doch im Fall eines erneuten Ausbruchs einer Finanzkrise ist auch diese Sicherung möglicherweise unzureichend.
Wünschenswert wäre es gewesen, wenn Sauren Alternativen zur Bankeinlage für sehr sicherheitsorientierte Investoren diskutiert hätte, denn ein Teil des Geldes muss man ja liquide haben. Meine Vorschläge: Erstens kann man liquide Mittel in kurz laufenden Bundesanleihen anlegen, die Verzinsung ist ähnlich niedrig, die Sicherheit jedoch deutlich höher. Zweitens sollte man überprüfen, ob die Anlage bei einer der Schweizer Kantonalbanken vielleicht eine Alternative wäre. Die Schweiz gehört nicht zur EU, deshalb ist dort grundsätzlich eine Staatsgarantie möglich. Für die Verbindlichkeiten der meisten Kantonalbanken haftet der jeweilige Kanton. Drittens kann man Bargeld im Safe deponieren. Eine Bargeldreserve beruhigt – und sie ist übrigens die beste Versicherung nicht nur für den Fall von extremen Turbulenzen an den Finanzmärkten und für einen Bankenkrach, sondern auch für das Szenario einer Deflation.
Kritisch setzt der Autor sich im Kapitel 5 mit „Immobilieninvestments als alternative Geldanlage im Niedrigzinsumfeld“ auseinander. Er rechnet vor, dass selbst bei einer Bruttorendite von 5 Prozent nur ca. 3 Prozent Nettorendite herauskommt. Er weist auch zu Recht auf die Risiken hin, wenn Menschen jetzt Immobilien zu den sehr niedrigen Zinssätzen kaufen und später bei der Anschlussfinanzierung das Zinsniveau sehr viel höher ist. Nur: Letzteres spricht nicht prinzipiell gegen Immobilien, sondern es spricht einfach dafür, die Zinsbindung möglichst für 15 oder 20 Jahre festzuzurren und die Tilgung nicht zu niedrig anzusetzen. Widersprechen möchte ich dem Autor, wenn er ein Hypothekendarlehen und einen Wertpapierkredit im Risiko praktisch gleichsetzt (S. 122). Die Banken geben Wertpapierkredite für Aktienkäufe nicht ohne Grund in der Regel nur bis zu einer Beleihungsquote von 50 Prozent, während diese bei Immobilien teilweise 80 Prozent und mehr beträgt. Dies zeigt, dass auch die Bank das Risiko fremdfinanzierter Aktieninvestments höher veranschlagt als das von Immobilieninvestments. Demgemäß sind auch die Zinssätze für Aktienkredite deutlich höher als die für Immobiliendarlehen. Das spricht dagegen, Immobilien- und Wertpapierkredite gleichzusetzen. Wenn der Aktienmarkt einbricht, wird die Bank rasch zusätzliche Sicherheiten verlangen und – wenn diese nicht geliefert werden können – anfangen, Aktien zu verkaufen, während es bei einem Darlehen für eine selbstgenutzte Immobilie nur äußerst selten passieren wird, dass die Bank nur wegen einer Wertänderung in die Verwertung geht.
Kritisch setzt sich Sauren im 5. Kapitel auch mit offenen Immobilienfonds auseinander. Seine Darstellung zeigt große Sachkunde, was für den Autor spricht, der sich ja ansonsten beruflich eher mit Wertpapierfonds befasst. Er zeigt die Defizite der offenen Immobilienfonds in der Vergangenheit auf und die Verluste, die Anleger bei eingefrorenen Fonds verkraften mussten.
Allerdings bin ich der Meinung, dass durch die Notwendigkeit, Fonds heute zwei Jahre im Voraus zu kündigen, das Fristentransformationsproblem doch ganz erheblich entschärft ist. Zweitens sollte man ergänzen: Ein Hauptgrund für die Probleme der offenen Immobilienfonds war, dass sie zwei Drittel der Gelder ausgerechnet in jene Nutzungsart anlegten (Büros), die die schlechteste Performance aufwiesen, nämlich nur 2,1 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Zudem haben sich viele Auslandsinvestments als Fehlinvestitionen erwiesen. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass diese Probleme beispielsweise bei einem ausschließlich auf deutsche Wohnimmobilien ausgerichteten offenen Immobilienfonds mit einer sehr viel geringeren Wahrscheinlichkeit auftreten können.
In den Kapiteln 6 und 7 befasst sich der Autor mit Aktien und Lebensversicherungen. Seine Kritik an den Lebensversicherungen teile ich voll und ganz. Im Branchendurchschnitt müssen die Lebensversicherer Kapitalerträge von mindestens 3 Prozent p.a. erwirtschaften, um ihren Garantiezusagen gerecht zu werden. Bei der Neuanlage kamen die Unternehmen 2014 jedoch nur auf eine Einstandsrendite zwischen 2 und 3 Prozent bei den festverzinslichen Anlagen. Die Gesellschaften leben derzeit also von den höher verzinslichen Altbeständen und den Reserven (S. 194). „Durch ihren hohen Anteil festverzinslicher Anlagen sind die Policen aber besonders anfällig für die negativen Auswirkungen einer langen Niedrigzinsphase.“ (S. 195)
Am besten weg kommen bei Sauren Aktien, mit denen er sich im Kapitel 6 befasst. Auch ich bin der Meinung, dass Aktien ein wesentlicher Baustein der Vermögensanlage sein sollten und bei privaten und institutionellen Anlegern in Deutschland einen viel zu geringen Stellenwert im Depot haben.
Allerdings, und auch dies soll nicht verschwiegen werden, gab es durchaus einige Phasen in der Geschichte, in denen Aktien auch über einen sehr langen Zeitraum schlecht abschnitten. Das war zwar selten der Fall, aber eine Garantie, dass Aktien eine gute Langfristanlage seien, gibt es nicht. Wer das Pech hat, ausgerechnet auf dem Höchststand, kurz vor einer lang andauernden Aktienbaisse in den Aktienmarkt einzusteigen, hat ein erhebliches Problem. Wer etwa 1929, auf dem Höchststand des S&P 500 einstieg, verlor nicht nur bis zum Juni 1932 über 80 Prozent, sondern musste bis Ende 1958 (!) warten, bis der Index inflationsbereinigt wieder diesen Stand erreichte. Ähnlich erging es dem Anleger, der 1966 auf dem Höchststand einstieg und dann nicht nur bis zum Jahr 1974 56 Prozent verlor, sondern auch bis zum Mai 1992 warten musste, bis der Index inflationsbereinigt wieder auf dem Stand von 1966 ankam. Am schlimmsten traf es Anleger in japanischen Aktien, die Ende der 80er Jahre bei einem Höchststand des Nikkei von fast 40.000 Punkten einstiegen. Der Index erreichte bis heute nie wieder diesen Stand und lag Ende Januar 2015 bei 17.500 Punkten.
Das alles spricht nicht gegen Aktien. Aber bei der Lektüre des – insgesamt sehr klugen und uneingeschränkt empfehlenswerten Buches – hatte ich manchmal den Eindruck, dass der Autor bei Immobilien im stärkeren Maße kritische Argumente vorträgt als bei Aktien.
Am Schluss des Buches finden sich Interviews mit drei Fondsmanagern: Peter E. Huber von StarCapital, Klaus Kaldemorgen von DWS und Bert Flossbach von Flossbach von Storch. Besonders gefallen hat mir das Interview mit Huber, der zu Recht die Politik der Zentralbanken kritisiert und auf die Unwägbarkeiten dieses Experimentes hinweist: „Etwas Vergleichbares hat es seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehreren hundert Jahren nicht gegeben. Weil daher jede Vergleichsmöglichkeit fehlt, ist diese Situation auch relativ schwer zu beurteilen.“ R. Z.