Veranstaltungstipp von Dr. Rainer Zitelmann
Anthony Robbins gilt als der erfolgreichste und bestbezahlte Motivations-„Speaker“/Trainer der Welt. Er hat zahlreiche Spitzensportler wie Andre Agassi oder Mike Tyson usw. trainiert und er veranstaltet seit Jahrzehnten weltweit Seminare, die stets von vielen Tausend Menschen besucht werden. In Deutschland haben Redner wie Jürgen Höller und Bodo Schäfer in ihren Veranstaltungen viele Elemente von Robbins übernommen.
Ich habe Robbins jetzt das erste Mal gesehen und in London seine Veranstaltung „Unleash the Power within“ besucht, die vier Tage lang ging – vom 26. bis zum 29. März. Es waren 7500 Menschen aus ganz Europa anwesend, aus England, Deutschland, Holland, Polen, Russland, Italien, Spanien usw.
Die meisten Teilnehmer sind wohl so zwischen 30 und 50 Jahre alt, kaum jemand im Anzug, fast alle in Jeans. Es waren aber alle Altersgruppen vertreten, von Kindern bis zu älteren Menschen im Rollstuhl. Erstaunlich: Ca. 80 Prozent sind selbstständig bzw. Unternehmer. Und das Verhältnis von Männern und Frauen war ausgeglichen. Der erste Teilnehmer, den ich kennenlernte, war ein Immobilien-Projektentwickler aus Manchester, der nebenbei Kraftsport betreibt. Wir hatten also gleich eine Menge gemeinsame Themen.
Die Seminare beginnen morgens um 9 und gehen teilweise bis Mitternacht – meist ganz oder fast ohne Pause. Neben Robbins gab es vor allem einen anderen Speaker, einen seiner engsten langjährigen Mitarbeiter, Joseph. Nicht die ganze Zeit sieht man Robbins live, sondern etwa die Hälfte der Zeit sind es Video-Aufnahmen von anderen Seminaren, die gezeigt werden.
In den Tagen geht es um die Themen Erfolg im Berufsleben, Gesundheit, NLP usw. Vieles von dem, was er sagt, ist richtig und wichtig – auch wenn es für denjenigen, der (so wie ich) viele Bücher über Erfolgsthemen gelesen hat, nicht eine große Überraschung ist. Dennoch gibt das Seminar Gelegenheit, vier Tage lang Dinge aufzufrischen, die man zwar schon „wusste“, aber sicher nicht immer umgesetzt hat.
Viele Aussagen kann ich nur unterstreichen. So betont er, wie wichtig das Umfeld der Menschen ist, mit denen man sich umgibt: „People’s lives are a direct reflection of the expectations of their peer group.“ Dieser Satz hat mir besonders gefallen, denn er zeigt, wie wichtig es ist, dass man sich ein forderndes Umfeld schafft. Robbins betont stark die Bedeutung der Physiologie, die häufig bei mentalen Änderungsprozessen unterschätzt werde. Wir könnten unseren psychischen Zustand sehr rasch ändern, wenn wir unsere Körperhaltung, Sprache, Mimik usw. ändern.
Man darf sich die Veranstaltung nicht so vorstellen, wie Seminare normalerweise in Deutschland ablaufen. Die Veranstaltung erinnert in vielen Elementen eher an ein Rock-Konzert, bei dem die Menschen ausgelassen feiern und tanzen, immer lautstark angefeuert von Robbins und seinem Kollegen. Er schreit hunderte Male in den Saal: „Does it make sense?“ – und 7500 Menschen schreien laut zurück „Yes“, klatschen, tanzen, singen und haben Spaß, stets angefeuert von lautstarker Rockmusik. Wer sitzen bleibt, wird von Joseph aufgefordert, aufzustehen und mitzumachen – er akzeptiere nur, wenn jemand aus körperlichen Gründen nicht in der Lage sei, aufzustehen.
Einige Elemente haben auch deutsche Speaker wie Jürgen Höller ganz ähnlich in ihre Veranstaltungen übernommen. Allerdings machen sie bei Höller vielleicht 5 Prozent der Veranstaltung aus, bei Robbins waren es an manchen Tagen sicher mehr als 30 Prozent. Ich selbst finde 5 Prozent okay, 30 Prozent etwas viel.
Besser gefallen als Robbins selbst hat mir sein Kollege Joseph, ein farbiger Amerikaner aus Kalifornien. Er ist 62 Jahre alt, wirkt aber 15 Jahre jünger und äußerst sympathisch. Bei Robbins selbst hat mich gestört, dass es kaum einen Satz gab, ohne „fuck“, „fucking“ usw. – das „F-Wort“ hat er am Tag sicher mehrere hundert Mal wiederholt. Von den Inhalten sind manche bekannt und wichtig, andere eher fragwürdig. Milch und Milchprodukte seien schädlich, so habe ich zum Beispiel gelernt – werde jedoch trotzdem weiter gerne viel Milch trinken und Quark essen. Man hat beim Thema Gesundheit und Ernährung, die am vierten Tag im Vordergrund standen, den Eindruck, dass Außenseiter-Ansichten, die wissenschaftlich umstritten sind, als neue Wahrheiten verkündet werden.
Mein Gesamteindruck: Wer sich einmal vier Tage aus dem Alltags-Business herausziehen und dabei eine Menge Spaß haben möchte, ist hier richtig.