Dies ist ein Buch, das Mut macht. Ich habe es erst jetzt entdeckt. Es enthält 13 Portraitreportagen über Familienunternehmer. Da wird sowohl der Selfmade-Unternehmer aus dem Internet-Bereich vorgestellt wie auch ein klassisches Familienunternehmen, das schon seit mehreren Generationen besteht. In der Einleitung beklagt der Herausgeber zu Recht die unterentwickelte Kultur der Selbstständigkeit in Deutschland. Und er fragt nach den Persönlichkeitsmerkmalen von Unternehmern, verweist in diesem Zusammenhang auf interessante Forschungsergebnisse.
„Unternehmer sind in aller Regel nicht intelligenter als abhängig Beschäftigte, aber sie gehen Probleme anders an“ (S. 20). Die Entrepreneurforschung, die es inzwischen auch an deutschen Universitäten gibt, hat Merkmale wie Leistungsmotivstärke, Unabhängigkeitsstreben, Machbarkeitsüberzeugung, Chancenorientierung, Kreativität, Risikobereitschaft, Ungewissheitsresistenz, emotionale Stabilität, Beharrlichkeit, Belastbarkeit, Problemlösungskompetenz, Entscheidungsstärke und Durchsetzungsvermögen als Persönlichkeitsmerkmale von Unternehmern herausgearbeitet.
Ich denke, viele von diesen Eigenschaften teilen sie mit anderen sehr erfolgreichen Menschen – Spitzensportlern, Musikern, Wissenschaftlern usw. Was mir fehlt, sind mindestens zwei Dinge:
- Verkäuferisches Talent. Dass dies eine große Rolle spielt, wird beispielsweise in dem interessanten Portrait über Jens Bormann und Karsten Wulf deutlich, die die buw Unternehmensgruppe gründeten – ursprünglich als reines Callcenter (S. 51 ff). Aber auch bei vielen anderen erfolgreichen Unternehmern spielt Verkaufstalent eine ganz entscheidende Rolle.
- Das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit und finanziellem Erfolg. Insofern in den 13 Portraits Geld überhaupt als Motiv für Unternehmertum thematisiert wird, dann ausschließlich im negativen Kontext, also mit der Versicherung, es habe keine Rolle gespielt: „Die Möglichkeit, als Unternehmer viel Geld für privaten Konsum zu verdienen, reizt ihn nicht…“ (S. 96), „Geld“, so sagt ein anderer Unternehmer im Interview, „kann nie ein Motiv sein, sich für die unternehmerische Selbstständigkeit zu entscheiden. Es entsteht als Nebenprodukt, wenn ein Geschäftskonzept funktioniert“ (S. 110). Und ein dritter Interviewpartner betont: „Wir sind kreative Typen. Uns können Sie nicht in Euro vermessen“ (S. 143). Der Mentor eines Interviewpartners betont, man müsse „das Unternehmen als Verpflichtung und nicht primär als Quelle persönlichen Reichtums annehmen“ (S. 178). Stattdessen geben die Unternehmer in den Interviews als Motive für ihr Handeln an, es gehe ihnen um den „Erhalt, das Wachstum des Unternehmens und die daran hängenden Arbeitsplätze“ (S. 118). Seinen Erfolg erklärt ein Unternehmer so: „Wir sind immer menschlich geblieben…“ (S. 90). Ein anderer Unternehmer nennt als Motiv, „für ein nachhaltiges Wachstum zu sorgen (und) ein gesundes Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben“ (S. 183). Er zitiert Friedrich den Großen: „Es ist die Pflicht jeden guten Staatsbürgers, seinem Vaterland zu dienen und sich bewusst zu machen, dass er nicht allein auf der Welt ist, sondern zum Wohl der Gesellschaft beizutragen hat (S. 182).
Man merkt hier, was der Herausgeber in der Einleitung diplomatisch so beschreibt: „Bei der Autorisierung der Texte ist manches interessante Detail den vielfältigen Rücksichtnahmen zum Opfer gefallen“ (S. 7). In den Portraits wird beispielhaft deutlich, wie sehr die Gewohnheit von Unternehmern durchschlägt, „offizielle“ und „sozial erwünschte“ Statements abzugeben: Man sieht sich gesellschaftspolitisch in der Defensive, spricht daher viel lieber von der Verpflichtung Arbeitsplätze zu schaffen, von „Nachhaltigkeit“ und „Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“, als auch nur ein einziges Mal einzuräumen, dass auch materielle Motive, also das Streben nach Geld, eine Rolle gespielt haben, weshalb man sich für die unternehmerische Tätigkeit entschied. Ist es angesichts des höheren Risikos und der enormen Arbeitsbelastung nicht absolut legitim, auch finanziellen Erfolg vom Unternehmertum zu erwarten?
Interessant: Viele der hier portraitieren Unternehmer waren schon als Schüler oder Jugendliche unternehmerisch aktiv. Und mancher Unternehmensgründer, so Professor Heinz Klandt (Inhaber des Stiftungslehrstuhls Entrepreneurship an der European Business School), seien einfach „Hierarchie-Flüchtlinge“: „Unternehmer lassen sich nicht gern von anderen dominieren. Im Zweifelsfall sind sie lieber selbst dominant.“ Das Hierarchieproblem zeigte sich bei vielen schon in der Schule oder im Studium. Deshalb gebe es auch unter Unternehmern viele Schul- und Studienabbrecher (S. 28).
Das Buch ermutigt alle, die Unternehmer werden wollen und ist ein positiver Gegenakzent zu der oft verzerrten Darstellung von Unternehmern in der Öffentlichkeit. R.Z.