Der Verfasser dieser Dissertation, Andreas Utsch, kritisiert, dass man bislang in der Unternehmerforschung oftmals zu allgemein gehaltene Persönlichkeitsmerkmale untersucht habe. Ansätze, die breit gefächerte Persönlichkeitsskalen verwendeten und diese mit Unternehmertum korrelierten, seien jedoch nur von begrenztem Nutzen, da diese Ansätze nicht in engem Zusammenhang mit der unternehmerischen Aufgabe stünden. „Personenmerkmale sollten vielmehr Charakteristika aufweisen, die auch mit dem Arbeitsfeld von Unternehmern in Verbindung stehen. Das heißt, Personenmerkmale (wie auch Handlungen) können nur dann von Nutzen für die Forschung sein, wenn sie auf Grund der Anforderung und Tätigkeiten des Unternehmers ausgewählt wurden“ (S. 13).
Befragt wurden für die Dissertation mehrere Hundert Kleinunternehmer (Gründer und Inhaber von Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern) aus Gießen und aus Ostdeutschland. Aus der – vor allem amerikanischen – Entrepreneurship-Forschung wurden Fragestellungen und Hypothesen entwickelt, die dann durch die Befragung getestet wurden. Dies erfolgte mit Hilfe von Fragebögen, in denen ganz bestimmte, für das Unternehmertum relevante Persönlichkeitsmerkmale, getestet wurden.
So wurde beispielsweise als zentrales Persönlichkeitsmerkmal für Unternehmer die „Handlungsorientierung“ identifiziert, die als Handlungsorientierung nach Misserfolgserlebnissen gemessen wurde. „Handlungsorientierung nach Misserfolgserlebnissen heißt, dass Personen nach einem Fehler oder Misserfolg unmittelbar weiter handlungsfähig bleiben und nicht zögern, weiter zu arbeiten“ (S. 102).
Zudem wurde das – heute in der Unternehmerforschung oft in seiner Bedeutung herausgestellte – Konzept der „Selbstwirksamkeit“ getestet. Selbstwirksamkeit misst die subjektive Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten, die eigene Arbeit erfolgreich machen zu können (S. 103). „Eine hohe Selbstwirksamkeit drückt sich in dem subjektiven Vertrauen aus, neue Aufgaben bewältigen zu können und veränderten Anforderungen gewachsen zu sein. Selbstwirksamkeit ist somit eine Voraussetzung, um aktiv auf Neues zuzugehen und um handeln zu können“ (S. 91).
Einige der Befunde waren nicht überraschend. So wurde beispielsweise die Hypothese positiv getestet, dass eine hohe Risikobereitschaft eine wichtige Vorhersagekraft für unternehmerische Intentionen hat (S. 34). Offenbar korreliert eine erhöhte Risikobereitschaft jedoch eher mit der Bereitschaft, Unternehmer zu werden, als dass diese eine Erklärungskraft für unternehmerischen Erfolg hätte – eine interessante Erkenntnis.
Bei der Analyse von Persönlichkeitsmerkmalen und Erfolgsfaktoren von Unternehmern nimmt der Verfasser eine Unterscheidung auf, die auch im Bereich der Führungsforschung relevant ist, nämlich die Unterscheidung zwischen der Emergenz eines Unternehmers (wer wird Unternehmer?) und dem Erfolg. Emergenz und Erfolg, darauf weist Utsch zu Recht hin, sind zwei unterschiedliche Kriterien, die in der Unternehmerforschung bislang oftmals nicht klar unterschieden wurden (S. 45).
Welche Faktoren sind von Bedeutung für die Entscheidung, Unternehmer zu werden? In der Entrepreneurship-Literatur wird argumentiert, dass „Selbstständigkeit in der Familie die Selbstständigkeit als Berufsmöglichkeit erst wahrnehmen lässt… Durch das Vorbild der Eltern (oder anderer Familienmitglieder) wird Selbstständigkeit zu einer attraktiven Berufsmöglichkeit. Kinder mit Eltern ohne Selbstständigkeitserfahrung verfügen umgekehrt über keine oder nur schwache entsprechende Vorbilder und haben somit wenig Erfahrung mit Selbstständigkeit“ (S. 23). In mehreren Studien wurde belegt, dass Unternehmer häufig aus Familien stammen, in denen die Eltern selbst Unternehmer waren oder sind.
In der Studie werden vor allem folgende Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen untersucht, die durch schriftliche Interviews mit Fragebögen abgefragt wurden:
- Belohnungsaufschub
- Dominanzbedürfnis
- Handlungsorientierung nach Misserfolg
- Innovativität
- Internale Kontrollüberzeugung
- Kontrollablehnung
- Leistungsmotivation
- Machiavellismus
- Partizipativer Führungsstil
- Planorientierung
- Positive Fehlerorientierung
- Risikobereitschaft
- Rollenvorbilder
- Selbstverwirklichung
- Selbstwirksamkeit
- Zielorientierung
Es wäre sehr interessant, die hier verwandten Methoden und Fragestellungen auch für Unternehmer anzuwenden, die mittlere und größere Unternehmen leiten. R.Z.