Dies ist das beste wissenschaftliche Buch über Zielsetzung, das ich gelesen habe. Das Thema ist der Zusammenhang zwischen dem Setzen von herausfordernden, spezifischen Zielen und Erfolg. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die vor allem von den Herausgebern dieses Werkes, Edwin Locke (University of Maryland) und Gary P. Latham (University of Toronto) entwickelte Theorie des „Goal Setting“. Die „Goal Setting Theory“ ist, kurz gesagt, eine Motivationstheorie, die erklären soll, „what causes some people to perform better on work-related tasks than others“ (S. xi).
Einleitend fassen Locke und Latham in diesem 2013 erschienenen monumentalen Sammelband die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen zu diesem Thema in den 80er Jahren zusammen. Etwa 400 empirische Studien, die bis zum Jahr 1990 durchgeführt wurden, bestätigten vor allem zwei Befunde:
- There is a linear relationship between the degree of goal difficulty and performance.“ Locke fand heraus, dass die Performance von Personen mit den höchsten Zielen über 250 Prozent größer war als jene von Personen mit den niedrigsten Zielen (S. 5).
- Specific, difficult goals lead to higher performance than no goals as well as vague, abstract goals such as ‚do your best‘.“ 51 von 53 Studien, die bis 1990 durchgeführt wurden, bestätigten „the benefit of setting a specific, high goal“ (S. 5).
Die Basis für diese Erkenntnis war schon 1990 sehr überzeugend – die „Goal Setting Theory“ wurde induktiv durch Studien mit 40.000 Teilnehmern in acht Ländern entwickelt, sowohl in Feldstudien wie auch in Experimenten (S. 11).
Große und spezifische Ziele sind vor allem deshalb wichtig, so Locke und Latham, weil sie die Aufmerksamkeit des Individuums auf „goal-relevant activities“ lenken und weil sie die Intensität und die zeitliche Dauer der Anstrengung erhöhen. Menschen, die große und spezifische Ziele haben, strengen sich mehr an und arbeiten länger an deren Erreichung als jene, die solche Ziele nicht haben (S. 6).
Locke und Latham zeigen in dem Sammelband mit 37 Aufsätzen, wie sich die Forschung zu diesem Thema von 1990 bis 2010 entwickelte. In diesem Zeitraum wurden zusätzlich zu den bis 1990 durchgeführten 400 Studien weitere 600 Studien durchgeführt, die die zentralen Annahmen der „Goal Setting Theory“ bestätigten und deren Fruchtbarkeit für zahlreiche Disziplinen zeigten (S.xi).
Steve Kerr und Douglas LePelley setzen sich in einem Beitrag über „Stretch Goals“ mit der Frage auseinander, wie schwierig die Ziele sein müssen, damit die optimalen Ergebnisse erzielt werden. „Compared to easy goals, difficult goals are far more likely to generate sustained enthusiasm and higher levels of performance. However, this finding comes with an important caveat, namely, that the goals, though difficult, must be seen to be achievable by those who are supposed to attain them“ (S. 21).
Einerseits, so argumentieren sie, können zu hohe, also unerreichbare Ziele, die verfehlt werden, den gegenteiligen Effekt haben, weil es zu Frustrationserlebnissen führt, wenn die Personen Ziele immer wieder verfehlen. Andererseits zeigen sie am Beispiel von General Electric, wo Jeck Welch die Strategie von „Stretch Goals“ anwendete, dass die Formulierung „unmöglicher“ Ziele zu einem erheblichen Ansporn führen könne. Sie zitieren Welch, der meinte, „we have found that by reaching for what appears to be impossible, we often actually do the impossible; and even when we don’t quite make it, we inevitably wind up doing much better than we would have done“ (S. 29).
Albert Bandura ist der Begründer der Theorie der „Selbstwirksamkeit“ (Self-Efficacy) und trägt zu diesem Thema auch einen Beitrag bei. Er weist auf den Zusammenhang zwischen der Selbstwirksamkeit und der Größe der Ziele hin, die sich eine Person setzt: „Those who were dissatisfied with the substandard performance but judged themselves efficacious to meet the challenge redoubled their efforts… Those who judged themselves inefficacious to meet the challenging goal and couldn’t care less about their mediocre performance slackened their effort and just coasted along apathetically“ (S. 149 f.).
„People who are beset with self-doubts about their capabilities do not go around setting challenging goals for themselves and sticking for long in the face of difficulties to the goals adopted. People’s belief in their capabilities influence the level of goals they set for themselves. The stronger the self-efficacy, the higher the goals people set for themselves“ (S. 151).
Als besonders wirksam zum Erreichen großer Ziele hat sich ein Verfahren erwiesen, dass Gabriele Oettingen, Marion Wittchen und Peter M. Gollwitzer mit dem Begriff „Mental Contrasting“ beschreiben. „Mental contrasting of a desired future with obstacles of present reality“ sei, wie durch zahlreiche psychologische Experimente erwiesen sei, eine wirksame Methode der Selbstregulierung, um Ziele zu erreichen (S. 523). Es sei belegt, dass „mentally contrasting a desired future with the reality that impedes its realization will create selective, that is, expectancy-dependent goal-commitments with subsequent goal striving and goal attainment“ (S. 524).
J. Robert Baum, einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Entrepreneurship-Forschung, veröffentlicht in dem Band einen Beitrag zum Thema „Goals and Entrepreneurship“. Die „Goal Setting Theory“ sei für die Entrepreneurforschung von besonderem Wert, „because it covers self-set goals and involves explicit, consciously chosen targets that are usually focused on performance“ (S. 462). Early-Stage-Finanzierer bestätigten, dass die meisten erfolgreichen Unternehmer „begin with goals that are beyond normal conceptions of the possible“ (S. 463). Baum zitiert zahlreiche Studien, die belegen, dass die Erwartung der „Goal Setting Theory“, wonach größere Ziele zu einer besseren Performance führten, auch in der Entrepreneurship-Forschung empirisch bestätigt werden konnte (S. 463). „Multiple entrepreneurship studies support the view that entrepreneurs who set their own goals are motivated to attain higher performance than if they had no goals“ (S. 464).
Unternehmer, so Baum, seien Visionäre, die vor allem die Fähigkeit hätten, „to see beyond the immediate moment, to see past what is working now, to see what will work in future.“ Dabei seien die unternehmerischen Visionen allerdings nicht zu verwechseln mit offiziellen „Vision-Statements“, die eher der Motivation von Mitarbeitern oder der Kommunikation nach außen dienten. „The full vision, however, is inside the entrepreneur’s head and is much more detailed than any one statement or slogan“ (S. 468).
Ich gebe zu, dass ich die amerikanische „Goal SettingTheory“ nicht kannte, als ich mein 2011 veröffentlichtes Buch „Setze dir größere Ziele“ schrieb. Ich fand jedoch bei dem Studium des vorliegenden Sammelbandes all das bestätigt, was ich im Ergebnis der Auswertung von etwa 50 Biographien erfolgreicher Personen auch als These entwickelt hatte: Die Frage, wie groß (und wie spezifisch) die Ziele sind, die sich jemand setzt und wie ernsthaft er diese dann verfolgt, ist ein wesentliches Erklärungsmoment für den Erfolg in jedem Lebensbereich. R. Z.