In diesen Monaten wird intensiv über Freihandelsabkommen diskutiert – und das Thema spielt im US-Wahlkampf eine große Rolle, weil sowohl Donald Trump wie auch Bernie Sanders dezidierte Kritiker des Freihandels sind. Demnächst stehen auch Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU zu diesem Thema an. Hierzu ein kluger Ratschlag: „Unsere Zölle schaden uns ebenso wie den anderen Ländern. Wir hätten mehr davon, wenn wir ohne Zölle arbeiteten, selbst wenn andere Länder das nicht täten, aber unser Vorteil verlangt nicht, dass sie den Zoll vermindern. Eigeninteressen fallen zusammen, sie widersprechen sich nicht.“ (S. 29) Das Zitat stammt von Milton Friedman, der sich dafür aussprach, Zölle auch einseitig abzuschaffen.
Ein anderes hoch aktuelles Zitat: „Die große Gefahr liegt darin, dass die Kooperation der Zentralbanken und anderer Mittel zur Ausdehnung der Liquidität die einzelnen Länder dazu verleitet, die grundlegende Anpassung an veränderte Umstände hinauszuschieben, indem sie für Abhilfen sorgen, die höchstens kurzfristige Ungleichgewichte bereinigen können. Die Konsequenz ist, dass es kleineren Ungleichgewichten gestattet wird, sich zu größeren auszuwachsen…“ – und schließlich zu globalen Finanzkrisen führen. (S. 75) Man könnte meinen, es handle sich um eine aktuelle Kritik an der Politik des lockeren Geldes durch die Zentralbanken. Tatsächlich stammt das Zitat jedoch aus einem Buch von Milton Friedman, das vor über vier Jahrzehnten erschienen ist.
Milton Friedman war einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts und seine Werke haben maßgeblich die Politik von Reformern wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher beeinflusst. „Der Spiegel“ bezeichnete ihn sogar als den politisch einflussreichsten Wirtschaftstheoretiker der Nachkriegszeit. Auf knapp 100 Seiten führt der Herausgeber Gérard Bökenkamp mit Zitaten aus Friedmans Werken in dessen Denken ein. Das Büchlein gliedert sich in die Themenbereiche „Der Liberalismus und der ideale Staat“, „Die Stärke des freien Marktes“, „Das Versagen der Politik“, „Natürliche und politische Monopole“, „Bildungspolitik“, „Wohlfahrtsstaat und Sozialpolitik“, „Geschichte und Wirtschaft der USA“, „Die Ursachen und Folgen der Inflation“, „Die Geldpolitik und die Weltwirtschaftskrise“, „Die Macht der Zentralbanken“, „Die richtige Finanz- und Geldpolitik“ und „Der Weg zu politischen Reformen“.
Die Thesen von Friedman sind hoch aktuell – aber leider hört heute kaum jemand auf ihn. Das Büchlein ist eine gute Einführung, zumal Friedman – so wie viele amerikanische Wissenschaftler – über die Begabung verfügte, komplizierte wissenschaftliche Sachverhalte in einer einfachen und allgemeinverständlichen Sprache darzustellen. Aus Deutschland wurde ihm deshalb vorgeworfen, er verstehe nicht, dass man hierzulande „die amerikanische Art, komplizierte Zusammenhänge möglichst schlicht darzustellen, für unwissenschaftlich“ halte (S. 9). Dementsprechend wurde er in deutschen Fachzeitschriften lange ignoriert. Völlig zu Unrecht. Denn Friedman war nicht nur ein großer Ökonom, sondern auch ein kluger Philosoph, der Freude daran hatte, gefällige Worthülsen und Parolen in Frage zu stellen. So schrieb er etwa zu dem auch in Deutschland so beliebten Begriff der „Chancengleichheit“:
„Wirkliche Chancengleichheit – im Sinne der ‚Persönlichkeit‘ – ist unmöglich. Ein Kind wird blind geboren, ein anderes kann sehen. Ein Kind hat Eltern, die sich dauernd um sein Wohlbefinden kümmern, die ihm eine Grundlage von Kultur und Bildung bieten, ein anderes hat arme, leichtsinnige Eltern. Ein Kind wird in den Vereinigten Staaten geboren, ein anderes in Indien, China oder Russland. Sie haben offensichtlich von Geburt an nicht die gleichen Möglichkeiten, und es führt kein Weg dahin, ihre ungleichen Chancen auszugleichen.“ Statt Chancengleichheit zu fordern, müsse daher die Forderung lauten, dass es keine willkürlichen Hindernisse für Menschen geben dürfe, jene Stellung im Leben zu erreichen, für die sie ihre Begabung vorbestimmt, und wohin sie ihre Fähigkeiten bringen können. Nur ihr Können solle eine Rolle spielen, nicht jedoch Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. (S. 52 f.)