Bevor Donald Trump Präsidentschaftskandidat wurde, habe ich nicht viel über ihn gewusst. Seine Bücher haben mir ganz gut gefallen. Er war mir durchaus sympathisch, zumal ich einige Gemeinsamkeiten mit ihm habe: Wir haben am gleichen Tag Geburtstag, trinken beide keinen Alkohol und rauchen nicht, sind beide mit Immobilien vermögend geworden (er natürlich viel mehr als ich), haben beide mehrere Bücher über Erfolg und Reichtum geschrieben, haben beide eine Modelagentur besessen, haben beide eine Vorliebe für schöne Frauen und besitzen beide einen ausgeprägten Sinn für Selbstvermarktung und PR. Ich hoffe jedoch, damit sind schon alle Gemeinsamkeiten genannt. Denn in den vergangenen Monaten habe ich ein zunehmend kritisches Bild von Trump bekommen, das durch diese Biografie eher bestärkt wird.
Um es vorweg zu sagen: Es ist eine kritische Biografie, und mit der (linken) politischen Richtung des Autors bin ich nicht einverstanden, weshalb ich einigen seiner Urteile und Tendenzen nicht zustimme. Aber es ist ein faktenreiches und sehr lesenswertes Buch, das auf vielen Interviews und intensiven Recherchen beruht. Unter anderem sprach der Autor mehr als zehn Stunden mit Trump selbst (dem offenbar nicht von Anfang an klar war, dass es ein kritisches Buch werden würde), er interviewte seine drei Kinder sowie die ersten beiden Frauen von Trump und zahlreiche seiner Freunde und Gegner.
Trump wurde als Sohn eines reichen Mannes geboren, der ein Vermögen von etwa 200 Mio. USD besaß. Der Autor betont dies immer wieder und es geht ihm offenbar darum, das eigene Verdienst von Donald Trump damit zu relativieren. Doch wenn es dem Sohn eines vermögenden Unternehmers gelingt, ein Vermögen von vier oder sogar neun Mrd. USD zu machen, dann ist dies durchaus bemerkenswert, zumal es vielen Kindern reicher Eltern nicht einmal gelingt, das geerbte Vermögen zu erhalten. Doch hier beginnen bereits die Fragen, die auch der Autor immer wieder stellt: Wie reich ist Trump wirklich? Dies ist nicht erst ein Streitthema, seit er sich um das Amt des Präsidenten bemüht, sondern war stets kontrovers. Unter anderem hängt dies damit zusammen, als wie wertvoll man den Markennamen Trump einschätzt. 2010 hatte Trump selbst erklärt, der Markenname Trump sei angeblich laut unabhängiger Bewertungen drei Milliarden Dollar wert (S. 9). Teilweise erklärte er sogar, der Markenname Trump sei sechs Milliarden Dollar wert (S. 275).
Ob das damals richtig war, mag man mit Fug und Recht bezweifeln, zumal, wie der Autor zeigt, Trump nachweislich immer wieder die Höhe seines Vermögens erheblich übertrieben hat. Ob der Markenname Trump heute noch so viel wert ist, ist eine andere Frage. Ich bin eher der Meinung, dass er den Wert des Markennamens durch seine Kandidatur beschädigt hat, denn es gibt mindestens so viele (wahrscheinlich mehr) Menschen, die seine politischen Positionen ablehnen wie solche, die sie unterstützen. Der Autor zeigt anhand vieler Beispiele, dass die Behauptung von Trump, allein die Verwendung seines Namens steigere erheblich den Wert eines Assets, so nicht richtig ist (S. 198).
Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Trump müssen jedem Leser kommen, der sieht, dass sich dessen Hang zu Übertreibungen wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben hindurch zieht. Ich finde, dieser Hang zu maßlosen Übertreibungen ist eine der unsympathischsten Seiten von Trump, weil deutlich wird, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. So erklärte er einmal, seine Firma besitze 22.000 Apartments, während es tatsächlich 12.000 waren (S. 145). Die Höhe der Beteiligung an einem Immobilienprojekt, die tatsächlich 30 Prozent betrug, gab er mit 50 Prozent an. Warum? Weil, so Trump, „if the seventy percent owner puts up all of the money, I really own more than thirty percent. And I have always felt I own fifty percent, from that standpoint.“ (S. 275).
Auf die Frage, warum er übertreibe, antwortete Trump: „I think everybody does. Who wouldn’t?“ (S. 275) In seinem Buch „The Art of the Deal“ habe Trump selbst schon bekannt: „A little hyperbole never hurts. I call it truthful hyperbole. It’s an innocent form of exaggeration and a very effective promotion.“ (S. 186) Zu diesen „kleinen Übertreibungen“ gehören wohl Erklärungen wie jene von Trump, die britische Königin Elisabeth (die das letzte Mal 1983 in den USA war), habe gefragt, ob sie seinen Hubschrauber benutzen könne, wenn sie „is over in this country“ (S. 191). D’Antonio zeigt jedoch, dass es mehr als nur „kleine“ Übertreibungen waren und dass sie durchaus nicht „truthful“ waren: „In his effort to sell his memoir Trump’s hype included so many exaggerated claims that tracking them was almost impossible.“ (S. 186)
Von vielen anderen reichen Menschen, so zeigt der Autor, unterschied sich Trump schon immer dadurch, dass er seinen Reichtum und seinen Erfolg öffentlich vermarktete. Während es vielen Reichen unangenehm ist, dass sie in der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt auftauchen (weil sie Neid, Erpressung oder Entführung befürchten), ist Trump einer der wenigen, der sich mehrfach massiv darüber beschwerte, dass sein Reichtum in der Forbes-Liste zu gering veranschlagt worden sei. 1997 beispielsweise bezifferte Forbes sein Vermögen mit 1,4 Mrd. Dollar, aber Trump erklärte, die Zahl sei falsch, in Wahrheit seien es 3,7 Mrd. Dollar. Ende der 90er Jahre, als Forbes sein Vermögen mit 1,6 Mrd. Dollar schätze, behauptete Trump, es seien 4,5 Mrd. (S. 241 f.)
PR und öffentliche Bekanntheit waren für Trump stets noch viel wichtiger als sein Reichtum. „The one consistent element in all of these interests was the value he placed on publicity, which he sought with the skill of someone who understood the celebrity is power, reporters are often lazy about facts, and image can trump reality… Trump begins each day with a sheaf of papers detailing where and how often his name has been mentioned in the global press. The reports are typically too numerous for him to actually read, but the weight of the pages gives his sensitive ego a measure of his importance on any given day.“ (S. 12 ff)
Trump war in seiner Jugend sehr rebellisch und hatte massive Konflikte mit seinen Lehrern und seinem Vater. Dies hat er übrigens gemeinsam mit anderen Milliardären wie Warren Buffett, Steve Jobs oder Ted Turner, die ebenfalls rebellische Persönlichkeiten waren und sich gegen Autoritäten (also Lehrer und Eltern) auflehnten. Trumps Schwester beschrieb ihn als „extremely rebellious“ und ein Klassenkamerad erinnerte sich an ihn als einen Schüler, „who tested the rules, and the teachers, to their limits“ (S. 40 f.). Zu den Konflikten mit seinem Vater sagte Trump später: „My father respects me because I stood up to him.“ (S. 59)
Trump bewunderte den Erfolgsautor Norman Vincent Peale, der durch Bücher wie „The Power of Positive Thinking“ berühmt wurde (S. 52). „Donald would demonstrate positive thinking throughout his life, as it became a true habit of his heart.“ (S. 54)
Ausführlich beschreibt der Autor Trumps Aufstieg als Immobilieninvestor. Seinen Erfolg hatte er vor allem der Tatsache zu verdanken, dass er oft gegen den Strom schwamm und dort investierte, wo andere zu dieser Zeit sehr skeptisch waren – so etwa in Midtown Manhattan. Zudem verdankte er seinen Erfolg einem sehr hohen Leverage bei seinen Finanzierungen sowie vor allem der Tatsache, dass er stets „Non recourse“ finanzierte – also so, dass er nicht mit seinem privaten Vermögen haftete, sondern nur mit der Immobilie selbst (S. 160). Schließlich ging er häufig Partnerschaften bei seinen Immobilien-Investments ein und nutzte deren Bonität.
Ausführlich beschreibt der Autor, wie Trump es verstand, die Politiker in New York für sich und seine Projekte zu gewinnen. Ohne diese Fähigkeit kann nirgendwo auf der Welt ein Projektentwickler erfolgreich sein. Der Autor zeichnet jedoch ein Bild, das Trumps Methoden als fragwürdig erscheinen lassen. Ohne dass er ihm direkt Bestechung oder illegale Methoden vorwirft, wird jedoch der Eindruck vermittelt, dass Trump sich stets in einer Grauzone bewegt habe
Trump wird manchmal als Beispiel für jemanden angeführt, der pleite war und es doch immer wieder geschafft hat, nach oben zu kommen. Dies ist jedoch so nicht ganz richtig. Einige von Trumps Firmen (vor allem seine Casinos) gerieten zwar massiv in die Schieflage oder mussten sogar Insolvenz anmelden und er hatte in Phasen seines Lebens erhebliche finanzielle Probleme, aber: „Donald Trump never went bankrupt. He would frequently and energetically assert this in the years after he sought the shelter of the court for his Taj Mahal casino. The filing was made by a Trump corporation, not Trump the man, and he would describe this action as a sensible business move, devoid the shame, that gave him powerful leverage in his negotiations with creditors. ‚You have to be strong enough, not to pay.'“ (S. 211)
Welche politischen Positionen vertrat Trump? Diese Frage ist heute, wo er Präsidentschaftskandidat ist, natürlich von besonderem Interesse. Um es kurz zu machen: Seine Positionen waren sehr wechselhaft. Anfang der 90er Jahre trat er beispielsweise dafür ein, die Steuersenkungen von Ronald Reagan rückgängig zu machen und den Spitzensteuersatz auf 50 bis 60 Prozent zu erhöhen (S. 222). Hier vertrat er also linke Positionen, wie man sie sonst beispielsweise von George Soros, Warren Buffet und anderen amerikanischen Milliardären auch kennt. Als Kandidat der sogenannten „Reform Party“ vertrat er zahlreiche Positionen, die sonst von der politischen Linken vertreten wurden: „In the amalgamation that was his platform, Trump included items from the left side of the political menu, including a big, onetime tax on the rich to trim the federal deficit, a policy to allow gay soldiers in the military, and universal employer-based health insurance with subsidies for the poor.“ (S. 247)
Trump, so zeigt der Autor an vielen Beispielen, ist ein Mann voller Widersprüche, der seine Positionen häufig änderte (S. 225). Eine Konstante zieht sich jedoch bei ihm durch sein ganzes Leben – wie man jetzt auch als Beobachter des US-Wahlkampfes sehen kann: „In almost every case, Trump’s opinions depended on how a person, place, or thing reflected in him.“ (S. 225) Und wenn er angegriffen wurde, so war es stets seine Taktik „hitting back ten times harder“. (S. 277).
Schon immer war Trump für das bekannt, was ihm in den letzten Monaten seine Erfolge im Wahlkampf bescherte, aber auch massive Probleme bereitete, nämlich seine Vorliebe für Provokationen. „Trump was willing to say and do almost anything to satisfiy his craving for attention. But he also possessed a sixth sense that kept him from going too far.“ (S. 255) Ob dies auch so bleiben wird, oder ob er diesen „sechsten Sinn“ verloren hat, weil seine Erfolge zu einer maßlosen Hybris und Selbstüberschätzung führen, wird über die Zukunft von Trump – und vielleicht auch Amerikas – entscheiden. R.Z.