Der Ursprung für dieses Buch liegt in einem Neiderlebnis, wie die Autorin freimütig berichtet. Bis zu diesem Erlebnis war ihre Welt in Ordnung, denn: „Bis dahin schienen sich meine Freunde alle ähnlich zu sein. Es ging uns gut, aber übermäßig wohlhabend wirkte keiner.“ (S.13). Doch dann zog einer ihrer Freunde aus der kleinen Studentenwohnung mit Kohleheizung in sein „eigenes Townhaus in einer der besten Gegenden der Stadt“ (S.13). Statt sich einfach für ihren Freund zu freuen, brachte dies, wie die Autorin schreibt, „mein festes Bild ins Wanken“. Aus dem einen Neiderlebnis wurden dann schrecklich viele ähnliche Erlebnisse: „Die vielen Freunde, die sich plötzlich mit ihrem Erbe mehr oder weniger verschämt Immobilien leisteten, die ihr Monatsbudget ohne diese Hilfe vernichtet hätten, keine Zufallshäufung.“ (S. 15)
Die Wohnungsbesichtigung bei ihrem Freund Lars muss schlimm für die Autorin gewesen sein. Denn statt sich für ihren Freund über dessen schöne Wohnung zu freuen, war sie sehr neidisch: „Lars sagt, er kenne inzwischen diesen Blick in den Augen seiner Freunde, wenn er sie durch die Räume führt. Ich bin sicher, dass auch ich vorhin so schaute: ein bisschen unentspannt, ein bisschen angestrengt. Neidisch eben.“ (S. 30)
Die meisten Menschen, die neidisch sind, nennen dieses Gefühl ja nicht beim Namen. Bei der Autorin ist das Gefühl jedoch so stark, dass sie mit dem Verständnis ihrer Leser rechnet. Sie weiß, dass sie nicht alleine ist mit ihren Neidgefühlen gegen Reiche und Erben. „Offensichtlich ist es hart, cool zu bleiben, wenn die einen mit dem Geld der Eltern etwas kaufen, wonach man selber sich verzehrt. Und es ist noch härter, gelassen zu bleiben, wenn es nicht um Luxusgüter wie ein schnelles Auto und die Reise ins Skiresort geht, sondern um etwas, das jeder braucht: ein Zuhause.“ (S. 40)
Die Erben selbst werden in dem Buch in zwei Kategorien unterteilt – die mit dem guten Gewissen (die lächerlich gemacht werden) und die mit dem schlechten Gewissen. Letztere werden als durchaus sympathische Menschen dargestellt, so wie eben Lars, der meint: „Ich kann damit nicht umgehen… Ich weiß nicht, wie ich mich zu der Wohnung verhalten soll. Ich stelle mich natürlich nicht hin und sage: Oh, schaut her, mein Besitz. Ich versuche es kleinzureden, schäme mich.“ (S. 30) Darf Lars sich über seine neue Wohnung freuen oder gar glücklich sein? Glücklich? Natürlich nicht. „Das klingt so furchtbar“, meint Lars. „Aber wirklich gut wäre es erst, wenn meine Freunde auch in unserer Lage wären.“ (S. 43)
Und dann ist da Beate. Auch die ist eine sympathische Erbin. Denn sie hat zwar vor 20 Jahren eine Menge Geld geerbt. Aber: „Sie rührt das Geld nicht an. Stattdessen quält sie sich im Stillen seit zwanzig Jahren damit, ihr Verhältnis zu diesem verdammten Vermögen zu klären…. Auch sie findet, dass das üppige Geschenk ihrer Eltern an sie und ihren Bruder dazu beiträgt, dass das Land ungleicher wird, ungerechter. Da will sie eigentlich nicht mitmachen. Aber das Geld ist da. Es klebt an ihr.“ (S. 45)
Beate findet Erben „ungerecht und undemokratisch“ (S.49), ganz so wie die Autorin dieses Buches. Sie sagt: „Ich habe ein moralisches Problem mit meinem Erbe… Oft fühle ich mich in solchen Situationen nicht wohl.“ (S. 55)
Nun liegt ja der Einwand nahe, sie könne das Geld doch anderen Menschen schenken oder wahlweise an den Staat überweisen. Aber das scheint viel schwieriger zu sein, als man denken sollte, denn „Geld stinkt nicht, es klebt. Beate überlegt seit zwanzig Jahren, ob eine Trennung von dem Erbe nicht für beide Seiten eine kluge Lösung wäre.“ (S.56) Trotz intensiven Nachdenkens über zwei Jahrzehnte ist sie jedoch zu keinem Ergebnis gekommen. Ihr Freund meint, Beate würde es bessergehen, wenn sie das Geld nicht hätte. Beates Traum wäre eine massive Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuern, am besten rückwirkend, so dass der Staat ihr das Geld wieder wegnehmen würde: „Ihr Traum wäre deshalb, dass ihr ein großer Teil des Geldes genommen würde.“ Am liebsten, so sagt Beate, „würde ich hohe Erbschaftssteuern zahlen.“ Leider, so bedauert sie, „gibt es diese Möglichkeit ja nicht.“ (S.59)
Nachdem die Autorin mit Erben wie Lars und Beate gesprochen hat, liest sie die Geschichten der großen deutschen Unternehmerfamilien. Nach dem Neid kommt nun ein anderes Gefühl in ihr auf, nämlich Wut, Aggressionen: „Lange trieb mich beim Lesen der Texte eine leise, ab er stete Wut: Wie kann es sein, dass in so einem Land wie Deutschland, aufgeklärt seit dem 18. Jahrhundert, dauerhaft demokratisch seit 1949, so wenige Familien über so viel Macht und Kapital verfügen – oft völlig verborgen vor den Augen anderer?, notiere ich.“ (S. 107)
Die Autorin findet jedoch Trost in der Diagnose, dass das Geld diesen Menschen nicht guttue. Es sei eine „Fessel, die junge Menschen an ihre Familie bindet“ (S. 107). Solange sie das Gefühl hatte, die Erben seien glücklich, spürte sie nur Neid, wie sie auf Seite 125 freimütig einräumt. „Aber da hatte ich noch nicht in die Abgründe geblickt, die aufreißen, sobald Menschen um Geld kämpfen.“ (S. 125)
Vielleicht, so spekuliert sie, würden viel mehr reiche Menschen von ihren späteren Erben ermordet, als es die offizielle Statistik zeige. Denn: „859.582 Menschen starben im Jahr 2012 in Deutschland. 520 wurden ermordet. 1.449 vorsätzlich getötet. Wie viele Eltern unter ihnen waren, die starben, weil die Nachkommen auf das Vermögen schielten, wie viele Ehemänner, deren Ehefrauen auf das Geld aus waren, wie viele Tanten, deren Neffen sich nicht gedulden mochten, erfasst keine Statistik.“ (S. 165) Man könne dem nur auf die Spur kommen, wenn man „zum Beispiel jede tote Oma, die angeblich nach langer Krankheit im Kreis der Familie eingeschlafen ist, entkleiden und untersuchen würde“, oder wenn man „jeden an vermeintlicher Herzschwäche dahingeschiedenen Opa obduzieren würde“. Dann, so die Autorin, „hätte man am Ende wohl ein ganz anderes Bild“ (S.167).
Trost findet die Autorin auch in dem Gedanken, dass das Erbe die Erben selbst nicht glücklich mache. Vor allem ist das eine gute Rechtfertigung für eine Erbschaftssteuer, die den Familien beim Tod der Eltern fast den gesamten Besitz nimmt. „Wäre es vielleicht auch im Sinne der Erben, wenn ihnen alles genommen würde? Kann der Reichtum der Eltern eine Last sein, die man kaum erträgt?“ (S. 199)
Gut kommt in dem Buch daher ein Unternehmer weg, der sich entschieden hat, dass seine Kinder nichts bekommen sollen. Der Unternehmer sagt: „Ich diene meinen Kindern, indem ich sie von dem Erbe befreie. Ich nütze ihnen, indem ich ihnen die Firma nehme. Sie leiden nicht unter dieser Entscheidung, sie profitieren davon.“ (S. 239)
Wer nicht so denkt, wird in dem Buch lächerlich gemacht und vorgeführt. So wie etwa der Unternehmer Wolfgang Grupp (S. 93 ff.) oder wie der Firmenerbe Roger Klüh (S. 203 ff.). Die Autorin beklagt immer wieder, dass kaum einer der Erben bereit gewesen sei, mit ihr zu sprechen (außer natürlich denen mit dem schlechten Gewissen). Das ist kein Wunder. Jeder, der ihr ein Interview verweigerte, wird sich darin bestätigt fühlen, wenn er liest, wie diejenigen, die es – vielleicht aus Naivität – doch taten, lächerlich gemacht werden.
Das Buch ist sehr gut geschrieben. Ein gut geschriebenes Buch, das an niedere Instinkte der Menschen appelliert, vor allem an den Neid, findet seine Leser. Ich selbst habe übrigens nichts geerbt und werde auch nichts erben. Ich habe mir mein gesamtes Vermögen selbst erarbeitet. Aber ich freue mich für jeden, der sich eine schönere Wohnung kaufen kann, weil seine Eltern ihm etwas hinterlassen haben. Ich feiere lieber mit ihm die Einweihungsfeier als ein Buch zu schreiben, in dem ich mich über Erben ereifere. R.Z.
Ein besseres Buch zum Thema „Erben“ und zugleich eine Kritik an dem Buch von Friedrichs hat Gerd Maas geschrieben: Warum Erben gerecht ist – gute Argumente gegen die Erbneider