Das Buch hat mir ein Leser empfohlen, dem meine Kritik an dem ärgerlichen Erben-Buch von Julia Friedrichs gefallen hat: Julia Friedrichs Neidbuch über die Erben in Deutschland. Er meinte, dieses Buch würde mir bestimmt besser gefallen. Und Recht hat er gehabt! Wer sich über die Neiddebatte zum Thema Erbschaftsteuer ärgert, sollte dieses Buch lesen, denn er findet hier eine Menge gute Argumente.
Bevor der Autor jedoch zum eigentlichen Thema „Erben“ kommt, setzt er sich ausführlich mit den Diskussionen zu den Themen „soziale Gerechtigkeit“, „Zunahme der Armut in Deutschland“ usw. auseinander. Allem, was er hier schreibt, kann ich zu 100% zustimmen. „Wo sozial gerecht draufsteht, ist meistens Egalitarismus drin“, resümiert Maas (S. 64).
Autoren wie Julia Friedrichs oder Politiker wie Sarah Wagenknecht singen das hohe Lied der Umverteilung. Sie plädieren für eine Erbschaftsteuer von 100%, zumindest oberhalb eines Freibetrages, der bei Wagenknecht gnädigerweise eine Mio. Euro beträgt, bei Friedrichs eher Null. Was wären die Folgen? Der Umverteilungseffekt wäre gering und würde rasch verpuffen. Je nachdem, wie hoch man das jährliche Erbschafts- und Schenkungsvolumen schätzt – die Schätzungen liegen zwischen 65 und 260 Mrd. Euro – würde jeder Bundesbürger 800 bis 3.200 Euro bekommen (S. 71 f.).
Die negativen Folgen stehen in keinem Verhältnis zu dieser Beglückung: „Es wäre ein Programm faktischer Enteignungen für jährlich Tausende von inhabergeführten Unternehmen. Ein Unternehmenswert von einer Million wird leicht schon bei einem Jahresgewinn von rund 50.000 Euro erreicht. Das kann bereits bei einem Einzelhandelsunternehmen mit acht Mitarbeitern der Fall sein. Alles was darüber hinausgeht, soll nach Wagenknechts Vorstellungen im Erbschaftsfall in Belegschaftshand übergehen… Der gesamte deutsche Mittelstand wäre über kurz oder lang von Zwangskollektivierung aufgrund des Generationenwechsels bedroht. Danach wäre die Wirtschaft geprägt von Aktiengesellschaften, konstruierten Produktionsgenossenschaften, die vermutlich wegen Führungsschwierigkeiten sukzessive in staatliche Obhut übergehen… Woher soll denn plötzlich der unternehmerische Geist in den Belegschaften kommen, während man vorher nie unternehmerische Selbstständigkeit gewagt hätte?“ (S. 171 ff.)
Eine gute Frage. Ja, die Gewerkschafter denken immer, sie wüssten und könnten alles besser als die Unternehmer. Wenn sie es mal selbst ausprobieren, hat allzu oft in schrecklichen Pleiten geendet – man erinnere sich an die Beispiele der Gewerkschaftsunternehmen „Neuen Heimat“ oder „co op“.
Außerdem: Wer würde, wenn alles über eine Million besteuert würde, überhaupt noch etwas übriglassen, was oberhalb dieses Betrages liegt? Maas beschreibt treffend das Wesen der Erbschaftsteuer: „Der Konsumverzicht der Erblasser wird den Erben als Steuer aufgehalst. Die Erbschaftsteuer ist eine Mehrwertsteuer auf Nicht-Konsum. Das aber widerspricht jeder natürlichen Vernunft. Steigende Erbschaftsteuern wären der Versuch der widernatürlichen Konditionierung der Elterngeneration auf Konsum, wo sie eigentlich für die eigenen Kinder und Kindeskinder sparen würden.“ (S.134)
Aber ist denn Erben „gerecht“ – wenn der eine das Glück hat, zu erben, der andere dagegen leer ausgeht? Wie schizophren Gleichheit als Gerechtigkeitskriterium ist, entlarvt Maas an einem Gedankenexperiment, wenn man nämlich die Verteilung von Negativem betrachten würde. Wer würde denn zum Beispiel die Gleichverteilung von Erbkrankheiten fordern? (S. 72) Diejenigen, die Erben ungerecht finden, finden es meist überhaupt ungerecht, dass es Ungleichheit gibt – sie finden es auch ungerecht, dass es Reiche und Arme gibt. Als ungerecht könnte man es genauso bezeichnen, dass der eine ein gutes Aussehen von den Eltern erbt, der andere nicht, der eine mehr Intelligenz, der andere weniger (S. 74 ff.). „Menschen sind ungleich. Ungleichheit als Ungerechtigkeit zu definieren ist daher absurd und lässt sich dementsprechend nur totalitär umsetzen.“ (S. 83)
Auf S. 146 ff. setzt sich Maas ausführlich mit dem Neidbuch von Julia Friedrichs auseinander. Eine ihrer Thesen lautet ja, Geld verderbe den Charakter bzw. wer Geld erbe, dessen Charakter werde dadurch verdorben. Der Autor erwidert: Ein Vermögen ist eine Aufgabe, wenn es wenigstens erhalten bleiben und eine Rendite erbringen solle. An Aufgaben könne man wachsen oder auch daran scheitern. „Dass man allerdings von einer Aufgabe verdorbener wird, als man vorher war, habe ich noch nie gehört. Die Geizigen sind geizig mit oder ohne viel Geld. Die Machtgierigen und Herrschsüchtigen ebenso. Verschlagene und Hinterlistige gibt es unter Habenichtsen und unter Pfeffersäcken.“ (S. 147)
Jeder hat schon von Geschichten gehört, wo es Krach in der Familie wegen des Erbes gab. Der Autor meint dazu: Eine Familie verkracht sich nicht über ein Erbe, sondern das Erben stellt gegebenenfalls die verkrachte Familie bloß (S. 154). Julia Friedrichs hat sich in ihrem Neidbuch über viele Seiten mit Spekulationen beschäftigt, wie ungeheuer hoch wohl die Dunkelziffer der Eltern sei, die von ihren Kindern heimlich ermordet würden, um an deren Erbe zu kommen. Der Autor entgegnet: „Morde geschehen aber auch aus Eifersucht, würde deswegen einer das Lieben als ungerecht bezeichnen?“ (S. 156)
Natürlich gibt es Menschen, die mit dem geerbten Vermögen nicht umgehen können. Der Autor schreibt dazu: „Alle, die Machtkonzentration durch große Vermögen befürchten, müssten auch jubilieren. Verprasste Millionen sind geteilte Millionen.“ (S. 152) Dieser Aspekt kommt mir in dem Buch etwas zu kurz. Ich sehe es so: Wer erbt und in der Lage ist, das Erbe zu erhalten und zu vermehren (was sehr schwierig ist), der hat es auch verdient. Wem es nicht gelingt, der hat es nicht verdient – aber er verliert es dann auch wieder. Das Geld ist dann zwar nicht weg, aber es haben dann andere. Dann spätestens ist die Gerechtigkeit wiederhergestellt. Amerikanische Wissenschaftler (Arnott, Bernstein und Wu) haben in einem Aufsatz 2015 nachgewiesen, dass die meisten Vermögen reicher Erblasser innerhalb weniger Generationen wieder dezimiert werden. „Where are the current hyper-wealthy descendants of past entrepreneurial dynasties – the Astors, Vanderbilts, Carnegies, Rockefellers, Mellons, and Gettys? … The originators of great wealth are one-in-a-million geniuses … In contrast, the descendants of the hyper-wealthy rarely have that same one-in-a-million genius … Typically, we find that descendants halve their inherited wealth – relative to the growth of per capita GDP – every 20 years or less … Today, the massive fortunes of the 19th century are largely depleted and almost all of the fortunes generated just a half-century ago are also gone.“
Was mir an dem Buch gefällt ist, dass der Maas nicht aus der Defensive, sondern offensiv argumentiert. Dass linke Neidprediger die gesellschaftliche Debatte beherrschen, sei letztlich die Schuld der bürgerlich-liberalen Kräfte. „Wenn es aber heute einem Mann wie dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gelingt, als bekennender Marxist und mit ruinösen finanz- und wirtschaftspolitischen Ideen für Griechenland ‚von einem Magazin zu einem der interessantesten Männer der Wirtschaftswelt gewählt‘ (Die Welt) zu werden, dann haben nicht die Linken etwas richtig, sondern wir im bürgerlich-liberalen Lager etwas falsch gemacht… Durch das Schweigen überlässt das freisinnige Bürgertum die gesamte Bevölkerung der Prägung mit sozialromantischem Gedankengut. Durch das Schweigen schreitet die Sozialdemokratisierung der politischen Positionen voran und es macht den Interventionismus und Kollektivismus hoffähig.“ (S. 201 f.)
Dass der Autor mit dieser These Recht hat, sieht man auch daran, dass die von ihm zu Recht heftig kritisierte ideologisch verbohrte Publizistin Julia Friedrichs bereits den Axel-Springer-Journalistenpreis und den Ludwig-Erhard Förderpreis bekommen hat. Welche Jurymitglieder entscheiden so etwas? Ich bin sicher, Axel Springer und Ludwig Erhard würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie davon erführen… R.Z.