Dieses Buch liest sich spannend wie ein Krimi. Es geht darum, wie ein Mensch und ein Unternehmen – Carsten Maschmeyer und der AWD – systematisch fertiggemacht wurden.
Stefan Schabirosky, Autor des Buches, war elf Jahre lang Mitarbeiter des Finanzvertriebes AWD. Nachdem er dort rausgeflogen war, arbeitete er die nächsten neun Jahre systematisch und sehr erfolgreich daran, den Ruf seines ehemaligen Arbeitgebers zu ruinieren. Das tat er nicht nur aus Rachsucht, sondern aus finanziellen Motiven. Denn er stand ab 2003 auf der Gehaltsliste des größten Konkurrenten des AWD, des Finanzvertriebes DVAG.
„Seit Beginn meiner Aktivität im Jahre 2003“, so der Autor, „resultierte beinahe jeder negative AWD-Bericht aus meiner Tätigkeit. Insgesamt habe ich 34 Medienberichte (Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel, stern, manager magazin, Wirtschaftswoche, Plusminus, Panorama, Die Reporter usw.) initiiert sowie vier Anzeigen bei Behörden eingebracht, zwei Internetseiten mit AWD-Insiderinformationen hochgeladen, vier Briefe an eine Vielzahl von AWD-Handelsvertreter geschickt und etwa 10.500 E-Mails an AWD-Handelsvertreter versandt. Als Folge der geschilderten Tätigkeit gab es hunderte von Nachfolgeberichten. Darüber hinaus wurden mindestens 125 Briefe an Analysten geschickt sowie mindestens 120 Briefe an Anwaltskanzleien.“ (S. 191)
Es beginnt mit einer Erpressung
Es begann mit einer versuchten Erpressung – zumindest wurde der Autor dafür gerichtlich zu sechs Monaten Haft (auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt) verurteilt, auch wenn er es in dem Buch so darstellt, dass er vom AWD in eine Falle gelockt worden sei (S. 46). Er habe damit gedroht, die Kunden, denen er geschlossene Immobilienfonds verkauft hatte, über die Verluste dieser Investments aufzuklären. Der AWD zeigte ihn deshalb wegen versuchter Erpressung an. „Als das Schreiben der Staatsanwaltschaft in meinem Briefkasten lag, rief ich noch am gleichen Tag bei der DVAG in Frankfurt an und vereinbarte einen kurzfristigen persönlichen Termin.“
Auftraggeber: Ein ehemaliger Kanzleramtsminister
Sein erster Ansprechpartner, mit dem er sich traf, war Friedrich Bohl, der damals Vorstand bei der DVAG für „Konzernsekretariat, Recht, Öffentlichkeitsarbeit, Verbände“ war und als zweiter Mann nach dem DVAG-Gründer Reinfried Pohl galt. Davor war Bohl von 1991 bis 1998 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes unter Helmut Kohl.
Der Beratervertrag zwischen DVAG und Schabirosky vom Dezember 2003 ist, wie viele andere Dokumente, im Anhang des Buches abgedruckt. Natürlich wurde, so der Autor, der eigentliche Zweck dort nicht genannt, sondern die Erstellung einer Konzeption über Vertriebs-Controlling für die DVAG. Davon verstand Schabirosky jedoch nichts. „Es handelte sich um eine Legende, hinter der sich mein wirklicher Auftrag verbarg: eine Rufmordkampagne gegen die unliebsame Konkurrenz. Ihr Ziel: Carsten Maschmeyers AWD.“ (S. 20)
Den Anfang machte die „Süddeutsche“
Zunächst dauerte es eine zeitlang, bis die Journalisten anbissen. Schabirosky sprach mit einem Journalisten der „Süddeutschen“ und hoffte, danach werde in Kürze ein vernichtender Bericht erscheinen. „Da irrte ich mich. Für die SZ waren meine ‚Fakten‘ noch nicht hart genug.“ (S. 65) Um die Sache zu beschleunigen, schaffte er selbst die „Fakten“, indem er im April 2005 den AWD bei der BaFin wegen des Verdachts der Kursmanipulation anzeigte (S. 67). Die Anwaltskosten für die Anzeige bei der BaFin habe Schabirosky, so wie die anderen Auslagen für die Rufmordkampagne, von seinem Auftraggeber DVAG erstattet bekommen. Es folgte dann ein großer Bericht in der „Süddeutschen“, der auf Seite 1 mit der Meldung begann: „Heftige Vorwürfe gegen Finanzdienstleister AWD. Frühere Mitarbeiter, Verbraucherschützer und Anwälte erheben starke Vorwürfe gehen den Finanzdienstleister AWD. Das an der Börse notierte Unternehmen setze seine Berater unter hohen Verkaufsdruck. Der Finanzaufsicht liegt ein Schreiben vor, in dem AWD ‚irreführende Angaben zur Mitarbeiterzahl‘ vorgeworfen werden. AWD weist die Kritik zurück.“ (S. 69 f.) Im Wirtschaftsteil folgte dann ein großer Bericht.
Die Kampagne gewinnt Fahrt
Das Buch zeigt, wie die Gesetzmäßigkeiten im Medienbereich funktionieren. Hat einmal eine renommierte Zeitung eine große Geschichte gebracht, fühlen sich die Journalisten anderer Medien sicherer und springen auf die Geschichte auf. Nach dem Artikel in der „Süddeutschen“ war es viel einfacher, AWD-kritische Artikel zu generieren. „Bei der Süddeutschen Zeitung hatte ich dafür neun Monate gebraucht, beim Tagesspiegel klappte es in zwei Wochen. Mitte August 2005 erschien der Bericht mit der Schlagzeile: ‚Sauer auf den Finanzoptimierer‘.“ (S. 76) Es folgten zahllose Berichte in überregionalen Tageszeitungen und im Fernsehen. Natürlich verschwieg Schabirosky den Journalisten, dass er auf der Gehaltliste der DVAG stand. Sie hielten ihn für einen enttäuschten AWD-Vertreter.
Internet und die Finanzanalysten
Parallel zur „Pressearbeit“ erstellte Schabirosky eine Internetseite (achtungawd.com), auf der er interne Dokumente des AWD veröffentlichte. Damit sollten Kunden und Mitarbeiter des Unternehmens verunsichert werden. Zudem wollte er den AWD über die Kommunikation mit Finanzanalysten unter Druck setzen. „Ich nahm Kontakt zu einem UBS-Analysten auf, wir telefonierten, ich schickte ihm einen langen Brief mit Vorwürfen gegen den AWD. Dazu nutzte ich einen falschen Namen. Später hörte ich von einem Journalisten, dass UBS-Analysten besonders kritisch bei Investorenkonferenzen zum AWD nachfragten.“ (S. 82) Auch sprach er mit dem umstrittenen Hedgefonds-Manager Florian Homm, den er überreden wollte, AWD-Aktien Short zu verkaufen (S. 114). Aus meiner Sicht sind all dies strafbare Handlungen, da hier bewusst mit Falschinformationen versucht wurde, den Aktienkurs zu manipulieren.
Hoffnung auf den „Jackpot“
Der Beratervertrag mit der DVAG war zunächst mit 6000 Euro im Monat dotiert, wurde später auf 7500 Euro erhöht und in der Spitze wurden 15000 Euro im Monat gezahlt. Doch das war Schabirosky zu wenig. Er hoffte all die Jahre auf Millionenzahlungen für den Fall, dass es ihm gelang, den AWD „zu vernichten“ – er nennt das den „Jackpot“. Darüber gab es jedoch naturgemäß keine schriftliche Vereinbarung. Er bezog sich lediglich auf eine sehr vage und rechtlich irrelevante Formulierung über ein „einmaliges Erfolgshonorar“ in seinem Beratervertrag. Schabirosky war jedoch wie von dem Gedanken besessen, er habe Anspruch auf dieses „Erfolgshonorar“, das aus seiner Sicht spätestens fällig wurde, als Maschmeyer sein Unternehmen 2007 an die Schweizer Versicherung Swiss Life verkaufte. Als die DVAG nicht zahlen wollte, ging er zum AWD, enttarnte sich als der Rufmörder und hatte vor, mithilfe des AWD die DVAG auf Zahlung der ihm vermeintlich zustehenden Millionensumme zu verklagen (S. 156), was natürlich angesichts der vagen Formulierung im Vertrag aussichtslos war.
AWD kommt gut weg
Es fällt auf, dass der AWD in dem Buch sehr gut wegkommt, ganz anders als in ersten Entwürfen des Buches – wie der Autor einräumt. Durchgehend relativiert er alle kritischen Dinge, die er seinerzeit in der Rufmord-Kampagne gegen den AWD vorbrachte. Egal, um was es sich handelt, es sieht immer so aus, als ob an dem Vorwurf nichts dran war und der AWD völlig zu Unrecht kritisiert worden sei. Damit ist der Autor nicht minder einseitig wie seinerzeit in der Rufmordkampagne. Glaubwürdiger wäre er, wenn man auch lesen könnte, wo Kritik am AWD berechtigt war. Solche Stellen findet man in dem Buch jedoch nicht. Grautöne liegen dem Autor ganz offensichtlich nicht, erst zeichnete er alles Schwarz, heute zeichnet er alles Weiß.
Ein Beispiel für die einseitige Darstellung sind seine Ausführungen zu den vom AWD vermittelten geschlossenen Fonds. Er selbst hatte allein für den 94/17-Fonds des Initiators Kapital Consult Anteile in Höhe von 1,49 Millionen Euro vermittelt (S. 43). Mit dem Fonds erlitten zahlreiche Anleger erhebliche Verluste. In der Rufmord-Kampagne hatte er den Eindruck erweckt, die Anleger hätten einen Totalverlust erlitten, in seinem Buch legt er großen Wert auf die Feststellung, dies sei nicht der Fall gewesen, da sie ja Ausschüttungen und Steuervorteile bekommen und die Fondsanteile noch einen Restwert von 30 Prozent gehabt hätten (S. 105 f). Der „Restwert“ von 30 Prozent sagt dabei jedoch schon alles aus – es handelte sich bei dem Fonds in der Tat um ein Fehlinvestment, was auch durch den Hinweis auf erhaltene Ausschüttungen und Steuervorteile nicht wegdiskutiert werden kann. Zudem relativiert der Autor die Kritik mit dem Hinweis, dass auch viele andere Finanzvertriebe geschlossene Fonds vermittelt hätten (S. 104), was zwar richtig ist, die Sache aber nicht besser macht. Die DVAG beispielsweise vermittelte keine geschlossenen Fonds, sondern nur regulierte Produkte, weil sie die Haftungsrisiken scheute. Das wird in dem Buch nicht erwähnt.
Fragwürdig ist, wenn der Autor schreibt: „Dabei trug er [Maschmeyer] an der Schieflage einiger geschlossener Fonds keine Schuld. Verantwortlich waren diejenigen, die diese Fonds aufgelegt und konstruiert hatten, ebenso einige Anwälte und namhafte Wirtschaftsprüfer, die mitunter – mindestens – fahrlässig gehandelt haben.“ (S. 19) Diese Argumentation überzeugt nicht: Schließlich warb der „Finanzoptimierer“ AWD mit dem Argument, die für den Kunden besten Produkte auszuwählen. Das war ja die behauptete Kernkompetenz des AWD. Diesem Anspruch wurde er im Bereich der geschlossenen Fonds nicht gerecht, und es würde die Darstellung glaubwürdiger machen, wenn der Autor dies eingeräumt hätte. Der AWD hat immer wieder Fonds von schlechten Initiatoren vermittelt – nicht nur von Kapital Consult. Nach dem Flop dieses Fonds stieg der AWD später auf die Vermittlung von Falk-Fonds um, deren Initiatoren im Gefängnis landeten – auch eine Tatsache, die man in diesem Buch nicht erfährt. Grund für die wiederholten Flops im Bereich der geschlossenen Fonds war, dass für den AWD ein wichtiges Auswahlkriterium nicht der Kundenutzen war, sondern die Provisionshöhe. Diese war jedoch bei fragwürdigen Initiatoren wie Kapital Consult oder Falk deutlich höher als bei seriösen Initiatoren – wie etwa Jamestown oder US-Treuhand.
Skrupellos und unmenschlich
Das rechtfertigt natürlich in keiner Weise das Vorgehen des Autors, der sich aus meiner Sicht moralisch diskreditiert hat. Äußerungen, die er selbst zitiert, belegen seine Skrupellosigkeit: „Wir können das pressemäßig so steuern, dass CM bald an Selbstmord denken dürfte.“ Mit CM war Carsten Maschmeyer gemeint. Welches Wertesystem hat ein Mensch, der so spricht? Würde der Autor seine Anschuldigungen gegen die DVAG nicht mit zahlreichen Dokumenten belegen, dann würde man einem Menschen, der nach eigener Darstellung bislang immer gelogen hat, keinen Glauben schenken. Doch nicht nur die im Anhang abgedruckten Dokumente sprechen dafür, dass die Geschichte stimmt. Würde sie nicht stimmen, dann müssten die hier Beschuldigten, also die DVAG und Personen wie Ex-Kanzleramtsminister Bohl, mit juristischen Schritten wie mit Unterlassungserklärungen und Klagen wegen übler Nachrede gegen den Autor vorgehen. Davon ist jedoch nichts bekannt.
DVAG „prüft“ und schweigt
Monatelang schwieg Bohl zu den Vorwürfen, kürzlich äußerte er sich dann jedoch gegenüber dem „Manager Magazin“. Dabei räumt der DVAG-Manager erstmals ein, sich tatsächlich mit Schabirosky getroffen zu haben. „War es richtig, sich mit Schabirosky zu treffen und ihn zu verpflichten?“, fragt sich Bohl selbst im Gespräch mit dem Magazin. „Würde ich das noch einmal machen? Nein.“ Ich finde, das ist zu wenig, und die Öffentlichkeit kann eine Erklärung der DVAG zu den Anschuldigungen erwarten. Eigentlich wäre es die Aufgabe kritischer Journalisten, dort nachzubohren. Auf der Website des Unternehmens findet sich nur eine Stellungnahme, die mehr als drei Monate (!) zurückliegt: „DVAG weist Vorwürfe weiterhin zurück. Das Buch ‚Mein Auftrag: Rufmord‘ von Stefan Schabirosky liegt der DVAG seit gestern Nachmittag vor. Die behaupteten Inhalte liegen zum Teil über zehn Jahre zurück und werden sachlich und rechtlich überprüft. Bis zum Abschluss dieser Überprüfung wird die DVAG keine weitere Stellungnahme abgeben.“
Man stelle sich mal vor, VW hätte die Öffentlichkeit über drei Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe zur Manipulation der Abgasmessungen mit einem solchen Nicht-Statement vertröstet…
Rolle der Medien
Das Buch sollte auch Journalisten zu denken geben. Ja, sie wurden von Schabirosky getäuscht, aber sie gaben sich auch zu wenig Mühe, Ungereimtheiten in dessen Darstellungen zu hinterfragen und Fakten zu berücksichtigen, die nicht in die „Story“ passten. Sicher ist es schwierig, die komplexen Sachverhalte zu beurteilen, aber dann darf man eben im Zweifel auch nichts dazu schreiben. Oder man muss die Argumente der Gegenseite ernst nehmen. Zu selten reagierten Journalisten so wie Jonas Hetzer vom manager-magazin: „Wir können die Geschichte so nicht machen. Sie ist nicht hart genug. Ich habe mich heute mit Ihnen getroffen, weil ich Ihnen die Nachricht gern persönlich überbringen wollte. Schauen Sie, wir bezichtigen den AWD damit indirekt des Betruges. Das geht nicht, wenn ich keine internen Unterlagen habe, die das bestätigen.“ (S. 98).
Nicht logisch ist es, wenn einige in dem Buch erwähnte Journalisten jetzt argumentieren, man brauche die Vorwürfe gegen die DVAG und das Buch nicht ernst zu nehmen, da Maschmeyer der Nutznießer sei. Die gleichen Journalisten erklären jedoch, die seinerzeit gegen den AWD erhobenen Vorwürfe hätten sie weiterverbreitet, weil es eben nichts zur Sache tue, aus welchen Motiven heraus ein Informant handle. Das passt nicht zusammen.
Als Ergänzung zu diesem Buch empfehle ich jedem das ausgezeichnete Werk von Professor Mathias Kepplinger über Mechanismen der Skandalisierung: Totschweigen und Skandalisieren: