Dieses Buch sollte in jeder Schule und in jeder Zeitungsredaktion gelesen werden. Denn ich habe bisher kein Buch gelesen, das sich in ähnlich verständlicher und klarer Weise mit den Vorurteilen des Antikapitalismus auseinandersetzt. Es ist in einer so einfachen Sprache geschrieben, dass es geeignet ist, auch Leser zu erreichen, die sich normalerweise nicht mit wirtschaftlichen Themen befassen. Das Interview, das unter anderem die Frage thematisiert warum der Kapitalismus einen so schlechten Ruf hat, finden Sie hier.
Der Aufbau des Buches: In jedem der 37 Kapitel wird zunächst mit wenigen Worten eines der typischen antikapitalistischen Klischees formuliert – um es dann zu widerlegen. Gerade im Zuge der Finanzkrise haben solche Klischees wieder an Zustimmung gewonnen. „Spiegelbild dieser Situation sind die politischen Talkshows. Jeder, der nicht umgehend in die allgemeine Kapitalismusschelte einstimmt, sieht sich schnell mit dem Rücken zur Wand. So kann man sich schon mit dem Hinweis, dass die große Mehrheit der Manager ihren Job gut und verantwortungsvoll macht, den Vorwurf einhandeln, man wolle die Probleme verharmlosen… Endgültig auf verlorenem Posten steht ein Verteidiger des Kapitalismus, wenn persönlich Betroffene anwesend sind. Im Beisein einer soeben arbeitslos gewordenen, allein erziehenden Mutter mit Migrationshintergrund zu erklären, dass der Kapitalismus grundsätzlich eine gute, soziale und menschliche Wirtschaftsordnung ist, grenzt an öffentlichem Selbstmord.“ (S. 11 f.)
Vorurteile und Meinungen, mit denen sich der Autor auseinandersetzt, lauten beispielsweise:
- „Hauptsache, die Arbeitsplätze bleiben erhalten.“ Gegenthese: „Noch schlim-mer aber ist, dass der künstliche Erhalt von Arbeitsplätzen den wichtigsten Motor unseres Wohlstandes außer Kraft setzt. Jede Innovation, jeder techni-sche Fortschritt und damit auch jeder neue, zukünftige Arbeitsplatz, werden verhindert. Der Strukturwandel, also die Ablösung alter, unproduktiver Metho-den durch neue und bessere, kann nicht stattfinden.“ (S. 76)
- „Im Kapitalismus kommt die Gerechtigkeit zu kurz.“ Gegenthese: „Wenn et-was, das vor 25 Jahren noch völlig normal war, heute bereits als Armut und Ungerechtigkeit wahrgenommen wird, so hat doch offensichtlich nicht die Ungerechtigkeit, sondern unser Wohlstand zugenommen.“ (S. 89)
- „Im Kapitalismus steigen die Aktienkurse, wenn Menschen entlassen werden.“ Gegenthese: „Studien über den Zusammenhang zwischen der Ankündigung von Entlassungen und dem Börsenkurs haben gezeigt, dass die Kurse nach einer Ankündigung in wenigen Fällen anstiegen, in der großen Mehrzahl der Fälle aber leicht fielen.“ (S. 209)
- „Die Gier ist an allem schuld.“ Gegenthese: „Die Gier beschränkt sich auch keineswegs auf die Bezieher hoher Einkommen. Wir finden sie überall, beim kleinen Angestellten ebenso wie beim Vorstandschef, beim Arbeitslosen ebenso wie beim Millionär. Nicht jeder, der es im Leben nicht zu Reichtum gebracht hat, ist deswegen frei von Gier, und natürlich ist nicht jeder Wohlha-bende automatisch gierig, nur weil er wohlhabend ist.“ (S. 192)
- „Die Globalisierung geht auf Kosten der armen Länder.“ Gegenthese: „Die Vereinten Nationen haben in einer Studie festgestellt, dass die Armut in der Welt innerhalb der letzten 50 Jahre mehr abgenommen hat als in den 500 Jahren davor. Globalisierung macht also reicher, vor allem die Armen.“ (S. 168 f.)
Der Autor äußert auch zu Recht Skepsis, ob die riesige Umverteilungsmaschine, die man Sozialstaat nennt, effektiv ist. Einer Studie der OECD zufolge betrage die Quote derjenigen, die weniger als 50% des Durchschnittseinkommens verdienen in den USA 19,5% und in Deutschland 26,5% – diese Zahlen beschreiben die Verhältnisse VOR der Umverteilung. NACH der Umverteilung liegen die Deutschen bei 10,2%, die Amerikaner bei 14,2%. Die Folgerung: „Während wir mit viel Geld und einem riesigen Umverteilungsapparat mühsam versuchen, Gerechtigkeit herzustellen, vertrauen die Amerikaner lieber den Kräften des Marktes, um auch die Armen in Lohn und Brot zu bringen, und erreichen damit ein besseres Ergebnis als wir.“ (S. 106 f.)
Bei nur wenigen Stellen des Buches bin ich anderer Meinung als der Autor – so etwa bei seinen Ausführungen zum Thema „Finanzkrise“. Die Finanzkrise ist nach Meinung des Autors ein „Ergebnis von zu viel Freiheit“, also von zu wenig staatlicher Regulierung (S. 123) – damit übernimmt er die derzeit in Medien und Politik vorherrschende Sichtweise. Ich sehe das jedoch ganz anders. Ein entscheidender Auslöser der Finanzkrise war die US-Hauspreisblase, die ohne zu starke staatliche Eingriffe niemals zustande gekommen wäre. Denn die sozialpolitisch motivierten Vorgaben des Staates an private und halbstaatliche Kreditinstitute, auch „benachteiligten“ sozialen Schichten Hypothekendarlehen zu gewähren, waren die Ursache der späteren Fehlentwicklungen. Hinzu kam die Niedrigzinspolitik der FED, mit der normale Marktzyklen in der Finanzwirtschaft konterkariert wurden und die schließlich zu einer weiteren entscheidenden Voraussetzung der Hauspreisblase wurde. Also auch hier, und dies würde die grundsätzliche Argumentslinie des Autors noch stärker machen, war nicht zu viel, sondern zu wenig Markt die Ursache der Fehlentwicklung.
Widersprechen würde ich auch der Meinung des Autors „Der Kapitalismus ist unser Wirtschaftssystem“ (S. 23). Das stimmt leider nur mit starken Einschränkungen. Viele Probleme resultieren meiner Meinung nach gerade daher, dass wir uns längst sehr weit von den Grundsätzen eines marktwirtschaftlichen, kapitalistischen Systems entfernt haben. Bei einer Neuauflage des Buches würde ich auch empfehlen, die etwas holzschnittartig und apodiktisch wirkenden Folgerungen am Ende eines jeden Kapitels zu modifizieren – „zu spitze Nadel sticht nicht mehr“. Manchmal sind die – im Kern absolut richtigen – Thesen des Autors so formuliert, dass sie an Überzeugungskraft eher verlieren („Der Kapitalismus braucht und fördert den Frieden“, „Der Kapitalismus ist das beste Mittel, die Natur zu schützen“, „Der Kapitalismus macht Menschlichkeit erst möglich“ u. ä.)
Diese wenigen Punkte, die ich an diesem ausgezeichneten Buch zu kritisieren habe, schmälern jedoch keineswegs dessen Wert. Es setzt einen guten Kontrapunkt zu der in Deutschland vorherrschenden Kapitalismus-Schelte. Und vor allem versteht es der Autor, die Funktionsweise eines marktwirtschaftlichen Systems in so leicht verständlicher Form darzustellen, dass wichtige Zusammenhänge, die den meisten Menschen leider nicht bekannt sind, verstehbar werden. Dem Buch wünsche ich eine größtmögliche Verbreitung. Und dem Verlag gratuliere ich zu dem Mut, ein solch wichtiges Buch herauszubringen.