Diese Festschrift für den renommierten Publizisten von Wirtschaftsbüchern und ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung vereint 29 Beiträge von liberalen beziehungsweise libertären Autoren. Viele Autoren treibt vor allem eine Befürchtung um: Die Finanzkrise werde zu einer Verstärkung des bereits heute überbordenden staatlichen Interventionismus führen. Václav Klaus, Präsident der Tschechischen Republik, formuliert in seinem Beitrag, „dass ich mehr Angst vor den… vorgeschlagenen staatlichen Interventionen und regulierenden Eingriffen habe als vor der Krise selbst“ (Seite 67). Zustimmend zitiert er Gerhard Schwarz, der die Befürchtung geäußert hatte, dass „wir in einer Lage sind, in der die Medizin gefährlicher ist als die Krankheit“ (Seite 68).
Früher oder später, so Klaus, werde die Krise überwunden sein. „Ein langfristiger Schaden wird gerade durch die Errichtung dieser weitgehenden makroökonomischen und regulatorischen staatlichen Eingriffe entstehen.“ Den Gegnern des Marktes sei es wieder einmal gelungen, im Ergebnis der Finanzkrise ein massives Misstrauen in das System hervorzurufen. „Dieses Mal ist die Kritik jedoch nicht gegen den Kapitalismus des freien Marktes, gegen Laisser-faire, gegen den Kapitalismus von Adam Smith, Friedrich August von Hayek… gerichtet. Die Kritik richtet sich heute gegen den schon sehr stark regulierten, verstaatlichten Kapitalismus der Gegenwart. Die heutigen Kritiker erwecken den Anschein, dass das heutige System gar nicht reguliert ist, als ob es nicht unter einer immensen Beeinflussung des Staates ist, als ob es sich wirklich um ein System der Art ‚free market’ handeln würde, dies ist aber nicht wahr.“ (Seite 59).
Klaus-Werner Schatz zieht in seinem Beitrag über „Die Gefährdung der freiheitlichen Wirtschaftsordnung durch die Geldpolitik“ Parallelen zur großen Weltwirtschaftskrise in den 20er/30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Heute werde überall in Politik und Medien ein angebliches Versagen des „Neo-Liberalismus“ konstatiert. Damals, in den 30er Jahren, wurden der Bruch mit dem Liberalismus, die Abkehr vom Freihandel und die Wende zum Staatsinterventionismus vollzogen. „Heute werden Re-Regulierungen oder auch gänzlich neue Regulierungen gefordert und durchgesetzt. Damals wurde nahezu völlig verkannt oder bewusst ausgeblendet, dass falsche staatliche Geldpolitik in die Krise getrieben hatte, und so ist es auch heute.“ (Seite 313).
Die falsche Geldpolitik sei schon in den 20er Jahren die Ursache für die Krise und für die anschließende Depression gewesen, und der Interventionismus und der „New Deal“ der wesentliche Grund für ihre lange Dauer und die nachfolgende Stagnation (Seite 316). Auch die aktuelle Finanzkrise habe ihre Ursache in der verfehlten Geldpolitik der Notenbanken, insbesondere in der lang andauernden Niedrigzinspolitik der FED, gehabt. Die Analyse belege, dass „Notenbanken Marktentwicklungen immer wieder falsch eingeschätzt oder nicht gesehen, falsch interpretiert und prognostiziert haben, die Marktteilnehmer über die Motive für ihr Tun im Unklaren gelassen, schließlich überrascht haben, zum Teil mit schlimmen Folgen.“ (Seite 321). Dennoch stehe nicht die Geldpolitik der Notenbanken im Zentrum der Kritik von Medien und Politik, sondern das angebliche „Marktversagen“ beziehungsweise „Spekulanten“ und eine angeblich zu lasche Regulierung würden dafür verantwortlich gemacht. „Es geht um eine schlimme Vermengung von Ursachen und Konsequenzen. Verursacht worden ist die Finanzmarktkrise durch falsche Geldpolitik, verantwortlich gemacht wird jedoch die Liberalisierungspolitik in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten“, so stellt Schatz zu Recht fest (Seite 322).
Hier setzt auch Hans-Olaf Henkel mit seinem Beitrag an. Der Aktionismus der Politik habe die Krise nicht in den Griff bekommen, was allerdings nicht weiter erstaunlich sei. „Denn wer die Diagnose nicht kennt, wird zwangsläufig das falsche Mittel verschreiben.“ (Seite 395). Es sei, so Henkel, nicht die Marktwirtschaft, die versagt habe, weshalb nun eine weitere Einmischung des Staates nötig wäre, „es war vielmehr ein Mangel an marktwirtschaftlichen Regeln, der das Desaster erst ermöglicht hat“ (Seite 396). Bei fast allen Diskussionen in Deutschland werde allgemein davon ausgegangen, wir lebten in einer kapitalistischen Gesellschaft, die „neoliberalen“ Prinzipien folge. „In Wahrheit wird unser angeblicher Kapitalismus und ‚Neoliberalismus’ nur deshalb unablässig im Munde geführt, weil man den Bürgern damit die zentralistische Staatswirtschaft schmackhaft machen will, die immer mehr um sich greift“ (Seite 396). Die Vertreter des Egalitarismus und des Staatsinterventionismus führten die Auseinandersetzung heute unter dem unsinnigen Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ – ein Begriffspaar, das ihm „zutiefst zuwider“ sei, so Henkel (Seite 400). In Wahrheit gebe es gar kein Land, wo die Unterschiede zwischen Arm und Reich geringer seien als in Deutschland.
Roland Vaubel schreibt einen bemerkenswerten Beitrag über „Aufstieg und Fall des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts“. Messerscharf analysiert er die dümmlichen Widersprüche der von den europäischen Staatschefs vereinbarten Griechenland-Hilfe, mit welcher die No-Bailout-Klausel des Vertrages aushebelt wurde. Die seinerzeit – in einer ersten Phase – in Aussicht gestellten bilateralen Darlehen seien mit dem Vertrag unvereinbar. Es stelle sich indes überhaupt die Frage, ob es unter den in der Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten genannten Bedingungen überhaupt zu einer Kreditvergabe kommen könne. „Denn es wird vorausgesetzt, dass die Finanzierung über den Markt nicht ausreicht’, und dass die Zinssätze ‚kein Subventionselement enthalten’. Wenn sich Griechenland am Markt nicht mehr ausreichend finanzieren kann, also kein Geld mehr bekommt, ist der marginale Marktzins für Kredite an Griechenland unendlich. Folglich muss auch der Zins für die nicht-subventionierten koordinierten Darlehen der Euro-Staaten unendlich sein. Das heißt, die Euro-Staaten dürfen unter diesen Umständen keine Kredite an Griechenland vergeben.“ (Seite 291) Die weitere Entwicklung hat dem Autor Recht gegeben, denn inzwischen haben die Euro-Staaten die Maske fallen lassen und ganz offen gegen sämtliche Klauseln des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspaktes verstoßen. Dabei hätte es durchaus, wie der Autor überzeugend aufzeigt, Alternativen zum Griechenland-Bailout gegeben (Seite 293).
Der Band enthält viele weitere lesenswerte Beiträge zu verschiedenen Themen. Besonders hervorheben möchte ich den ausgezeichneten Beitrag des Schweizer Publizisten Roger Köppel, der zeigt, wie sich ein kleiner, freiheitlicher Staat wie die Schweiz immer wieder gegen eine erdrückende Übermacht zur Wehr setzen konnte. Gerd Habermann, der Herausgeber des Bandes, hat einen brillanten Beitrag zum Thema „Der Liberalismus und die Frauen“ beigesteuert, der unter anderem zeigt, dass Frauenquoten, „Gleichstellungsbeauftragte“ usw. unvereinbar mit dem Geist des Liberalismus sind. In vielen Beiträgen, so auch in dem von Peter Ruch über „Marktwirtschaft und Werte“ oder in dem von Franz Jaeger zum Thema „Marktversagen – gibt’s das überhaupt?“ geht es jedoch um die in dieser Rezension in den Mittelpunkt gestellte Frage, wie die Finanzkrise durch Politik und Medien (fehl)interpretiert wird und wie daraus schädliche Rezepte abgeleitet werden, die nicht nur ungeeignet sind, die Gefahr der Wiederholung ähnlicher Krisen zu mindern, sondern die den Keim neuer, massiver Probleme in sich bergen.
So ist das Buch eine überaus lesenswerte Festschrift für einen verdienten Liberalen, in der es den Herausgebern gelungen ist, kluge und kämpferische Wissenschaftler, Politiker und Publizisten zu vereinen, die allesamt vor einer Gefährdung der Freiheit durch den Staatsinterventionismus warnen.