In Ihrem Buch schildern Sie, wie Mitarbeiter oftmals die Akquisetätigkeit sabotieren. Wie soll eine Führungskraft mit solchen Situationen umgehen?
Diese Frage ist aus der Ferne sehr schwierig zu beantworten. Der Hintergrund für die vermeintliche Sabotage ist sehr individuell. Er kann in vier Hauptkategorien unterteilt werden:
1. Leistungsfähigkeit, d.h. dem Mitarbeiter fehlen die für die Akquise relevanten Qualitäten bzw. er selbst glaubt sie nicht zu haben. Hat er diese Fähigkeiten nicht (oder hält er sich für unqualifiziert) ist die Sabotage meist ein Hilferuf nach Qualifikation, der Ausdruck persönlicher Ängste und Befürchtungen oder eine präventive Maßnahme zur Verhinderung eines möglichen Statusverlustes bei Misserfolg seiner Akquise-Aktivitäten
2. Leistungswille, d.h. der Mitarbeiter hat die Fähigkeiten einmal erworben, will die Akquise allerdings nicht machen. Hintergründe sind hier eher „weiche“ Faktoren wie
- Fehlende Identifikation mit der Tätigkeit eines Akquisiteurs
- Ängste und Blockaden aufgrund von schlechten Erfahrungen und/oder Fantasien
- Fehlender Leidensdruck, Nichteinsehen der Notwendigkeit von Akquise (z.B. Ergebnisse stimmen auch so, kein unternehmerischer Blick u.a.)
- Passivität
- Sattheit/Faulheit
- Bestrafung des Unternehmens für empfundene Ungerechtigkeit etc.
3. Leistungsmöglichkeit, d.h. das Unternehmen hat keine unterstützende Wirkung sondern wird als Hemmschuh wahrgenommen.
Hierzu zählen (die häufigsten Fälle):
- die Führungskraft konzentriert sich bei der Bewertung des Akquiseerfolges ausschließlich auf (kurzfristige) Kennzahlen, die Qualität der Tätigkeit, der immaterielle Nutzen einer Akquise wird abgewertet bzw. ignoriert
- die Führungskraft vermeidet es, seinen Akquisiteur bei der Akquise zu begleiten, zu coachen, zu trainieren, Feedback zu geben. Sie geht davon aus, der Akquisiteur sei ein Profi und bräuchte keine Unterstützung
- das Unternehmen übt reinen Zahlendruck aus, hat unrealistische Erwartungen an den Akquiseerfolg, lässt keine Zeit für die Entwicklung von Kundenbeziehungen (wegen kurzfristig benötigten Erfolges) etc.
- es gibt keine Handlungsziele sondern nur Ergebnisziele
- die Vergütung der Akquise-Aktivitäten ist nicht eindeutig geregelt
4. Leistungsgerechtigkeit, d.h. die Akquisitions-Aktivitäten bzw. der Akquisitions-Erfolg wird nicht ausreichend honoriert.
Hier geht es darum, dass (Mehr-)Leistung nicht ausreichend gewürdigt wird. Ein „Wenig-Leister“ erfährt die gleiche Behandlung wie ein „Mehr-Leister“, was wiederum gefühlte Ungerechtigkeit verursacht, die oft dazu führt, dass sich der frühere „Mehr-Leister“der anderen Fraktion nähert.
Diese Beispiele sind ein kleiner Auszug aus den möglichen Hintergründen für eine vermeintliche Sabotage der Akquise-Aktivitäten. Daher lautet mein Tipp:
1. Analyse der Hintergründe:
- Liegt das Problem beim Akquisiteur allein?
- Liegt es am Gruppenzwang?
- Liegt es an den systemischen Voraussetzungen?
- Liegt es an der fehlenden (aktiven, unterstützenden) Führung?
- Liegt es am Können, Wollen, Dürfen?
2. Gespräch mit dem Mitarbeiter
- Wie ist sein „Sabotage“-Verhalten? Was tut er? Was tut er nicht (mehr)?
- Hintergründe für sein Verhalten?
- Wünsche seitens des Mitarbeiters zur Behebung des Problems?
- Wünsche (und Erwartungen) an den Mitarbeiter seitens der Führungskraft.
- Perspektivenwechsel einleiten, den systemischen Blick schärfen, Unternehmenserwartungen (auch iVm Stellenbeschreibung, Aufgabenprofil des Mitarbeiters) verdeutlichen, Perspektiven und Konsequenzen aufzeigen etc.
- Vereinbarungen treffen, Aktionsplan erstellen, Meilensteine festlegen (sowohl für die Aktivitäten des Mitarbeiters als auch für die der Führungskraft)
3. Umsetzung aktiv begleiten
- Aktionsplan regelmäßig mit den Aktivitäten abgleichen
- Die Führungskraft begleitet, coacht, gibt Feedback
- Handlungsziele integrieren (z.B. wieviel Kontakte pro Tag, welche Zielgruppen etc.)
- Bei positivem Verlauf werden die Aktivitäten gewertschätzt, bei negativen Verlauf wird unterstützt, bei Verweigerung bzw. Sabotage werden Konsequenzen gezogen
- Ggf. externen Profi miteinbeziehen, um eine neutrale Meinung einzuholen und/oder für den benötigten Input zu sorgen (beim Mitarbeiter und/oder der Führungskraft)
Sie sehen, wie komplex, und auch subtil, solche Prozesse ablaufen können. Entscheidend ist eine umfassende, alle beteiligten Faktoren berücksichtigende Analyse, denn oft ist es nicht nur der „böse“ sabotierende Mitarbeiter – meist ist es ein Hilferuf.
Was sind Ihre besten drei Tipps, wie man die Angst vor der Kaltakquise abbaut?
- 1. Tipp
Relativieren und umdeuten der aufkommenden Ängste
Die primären Ängste vor der Kaltakquise sind die Angst vor Zurückweisung und die Angst vor Beziehungsabbruch. Alle anderen Ängste (z.B. vor Misserfolg, Fehlern, Inkompetenz etc.) können den oben genannten zugeordnet werden. Die Erfahrung zeigt, dass die Ängste der Verkäufer vor der Kaltakquise entweder total aufgebauscht oder lediglich fantasiert werden. Sie werden der Realität eines Kaltakquise-Gespräches kaum oder gar nicht gerecht. Bei dieser Technik wir die fantasierte bzw. die erwartete Reaktion des Gegenübers auf Wahrscheinlichkeit überprüft.
Dabei helfen Fragen wie:- Woher kommt meine Überzeugung? Was davon ist selbst erlebt, was von anderen übermittelt?
- Welcher innere Dialog kommt zustande, wenn ich akquirieren soll?
- Wie wahrscheinlich ist meine vermutete Reaktion vom Gegenüber tatsächlich?
- Könnte es auch andere Reaktionen geben? (z.B. positive)
- Selbst wenn die von mir befürchtete Reaktion kommt, was würde dann mit mir passieren?
- Was bräuchte ich in einer solchen Situation?
Mit diesen oder ähnlichen Fragen wird die Vermutung über den Ausgang des Akquisegespräches relativiert. Zum einen dadurch, weil die Erfahrung zahlreicher Kaltakquisegespräche eine andere ist. Zum anderen dadurch, dass der Verkäufer merkt, dass er mit seiner Überzeugung und Haltung (geistig und körperlich) sehr wohl den Verlauf der Kaltakquise beeinflussen kann. Positiv, aber auch Negativ, je nach Wahl des Auftritts.
Im nächsten Schritt deutet er die bisher als Bedrohung (negative Bewertung) angesehene Kaltakquise als Herausforderung oder Lernfeld (positive Bewertung) um.
Statt: Ich kann das nicht
Besser: Ich werde diese Erfahrung machen, weil sie mich weiterbringt
Statt: Bisher hat es nie funktioniert
Besser: Ich weiß jetzt besser, worauf es ankommt. Jetzt strahle ich mehr Zuversicht und Neugierde aus. - 2. Tipp
Referenz-Erfahrung entwickeln
Bei dieser Technik geht es darum, eine positive Erfahrung aus der Vergangenheit, bei der man die eigenen Fähigkeiten sehr erfolgreich umgesetzt hat, so stark zu verinnerlichen, dass man sie bei einer erneut anstehenden Herausforderung wieder vergegenwärtigt, um die aufgetretenen Ängste und Fantasien, durch ein neues positives Erlebnis zu ersetzen, sich also seiner vorhandenen Stärken wieder zu erinnern.
Diese Referenz Erfahrung sollte stark mit den damals aufgetretenen Wahrnehmungen (sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen) und Gefühlen kombiniert werden, dies erhöht die starke Wirkung.
Diese starke Wirkung braucht es auch, denn die Akquise setzt die Menschen unter Stress. Unter Stress ist eine gute Leistung nicht zu erbringen, da der Körper sofort seine Schutzmechanismen hochfährt. - 3. Tipp
Sich immunisieren
Bei dieser Technik geht es darum, sich im inneren Dialog von Ängsten, Fantasien und Verunsicherungen abzuschirmen, mit dem Ziel, weiterhin konzentriert und focussiert bei der eigenen Linie zu bleiben.
Beispiele für den Umgang mit Ängsten vor der Kaltakquse:
„Je mehr die Angst vor der Akquise hochsteigt, desto mehr konzentriere ich mich auf meine Gesprächsstruktur/auf meinen Gesprächspartner.“
„Je mehr ich spüre, dass meine Gedanken ins Negative abdriften, desto mehr halte ich Blickkontakt zu meinem Gegenüber:“
„Je mehr ich in einen Zustand von Überforderung gerate, desto bewusster atme ich tiefer und vertraue darauf, dass mir wieder etwas Geniales einfällt … “ - schlechte Vorbereitung
- (Zielgruppen, Angebote, Alleinstellungsmerkmale, Unterschiede zum Wettbewerb etc.)
- kein Telefonscript/Gesprächsstruktur, daher keine Ordnung bzw. Leitfaden
- keine aktive Gesprächsführung, man überlässt die Initiative dem Gesprächspartner
- das Kalt-Telefonat dient nur der Terminvereinbarung – es soll nicht zu viel am Telefon erklärt werden, weil dadurch der Grund für ein persönliches Gespräch entfallen kann
(Ausnahme: es soll am Telefon verkauft werden) - es „aus dem Bauch heraus“ zu versuchen – das geht nur bei absoluten Profis gut
- zu viel reden, zu wenig fragen
- umständliche Formulierungen, zu lange Sätze, zu viele Fragen auf einmal, Fachchinesisch gebrauchen
- der Versuch, zu betteln oder zu überreden statt mit gescheiten Fragen zum Ziel zu führen
- Widerstände, Rückfragen, Vertröstungen u.ä. persönlich nehmen
- Telefonate mal einschieben zwischen anderen (Routine-)Aufgaben
Die Folge: zu überhastet, unvorbereitet, unkonzentriert, zu viele Störgeräusche uvm. - Die Ignoranz des Faktors Zeit für die Entwicklung von Geschäftsbeziehungen. Der Verkauf bzw. die Fortführung eines guten Erstkontaktes läuft nur über regelmäßige gute Folgekontakte
- Folgekontakte werden nicht eingehalten. Die Scheu ist übrigens ähnlich groß wie bei der Kaltakquise.
Am wirkungsvollsten sind diese Techniken, wenn man sie im Vorfeld mit der Führungskraft oder mit Kollegen trainiert. Es werden Situationen simuliert, die bisher Auslöser für die Ängste waren. Es wird versucht, die Situationen so darzustellen, dass auch der Stress ausgelöst wird, der die Umsetzung bisher so schwer gemacht hat (z.B. der Auftritt und die Reaktionen des Gesprächspartners, die hohe Hierarchie-Ebene eines Wunsch-Kunden, der Verkauf eines speziellen Produktes etc.)
Was sind die häufigsten Fehler, die bei der telefonischen Kaltakquise gemacht werden?
Die häufigsten Fehler sind: