Das ist ein tolles, motivierendes Buch, für Menschen mit und ohne Behinderung. Ein Buch, das zeigt, was möglich ist, wenn Menschen sich große Ziele setzen und ihren Traum leben – egal, welche Argumente auf den ersten Blick dagegen sprechen.
Felix Klieser war noch keine 30 Jahre alt, hatte aber schon seine Autobiografie geschrieben, vier CDs eingespielt und mehrere Awards gewonnen, unter anderem im Jahr 2014 den ECHO Klassik Preis in der Kategorie „Nachwuchskünstler des Jahres“. Der 1991 geborene Deutsche trat zusammen mit dem Sänger Sting auf und gibt Konzerte in Europa, Asien und den USA. Er gilt heute als einer der besten Hornisten.
Wohl keine Frage wurde Klieser so oft gestellt wie jene, wie er denn überhaupt darauf gekommen sei, Horn zu spielen. Die Antwort sind keine schön ausgeschmückten Anekdoten, sondern schlicht: „Ich weiß es einfach nicht.“ (S. 27) Was er und seine Eltern wissen: Dass er mit vier Jahren den großen Wunsch hatte, Horn zu spielen. Seine Eltern erfüllten ihm diesen Wunsch.
Das war insofern ein ungewöhnlicher Wunsch, als man zum Horn spielen normalerweise die Hände braucht, aber Klieser hat von Geburt an keine Arme. Klieser gehört zu den Menschen, die mehr vom Leben erwarten als eine Durchschnittsexistenz mit einem Brotberuf. „Ich verspüre immer den Drang, der Beste zu sein“, bekennt er und fügt hinzu: „Und wenn ich es bin, will ich ein besserer Bester sein. Ich achte nicht auf meine Erfolge oder Stärken, sondern schaue immer nur auf die Dinge, die nicht so funktionieren, wie ich das will.“
Es gibt Menschen, für die ist es genug, wenn sie „zufrieden“ sind. Erfolgsmenschen zeichnen sich indes durch eine produktive Unzufriedenheit aus, die sie vorantreibt. Klieser gehört zu diesen Menschen. Er schreibt, er „verspüre keinerlei Bedürfnis zufrieden zu sein. Mein Bedürfnis ist es, das zu erreichen, was ich will – selbst wenn sich meine Vorstellungen in der Realität nicht immer umsetzen lassen… Der erste Tag, an dem ich mit mir zufrieden bin, ist der erste Tag, an dem ich aufhöre, gut zu sein.“ (S. 25)
Er hat schon früh erste Erfolge, die Medien beginnen sogar schon über ihn zu berichten. Mit 16 Jahren gibt er ein Interview, sein Musiklehrer ist auch anwesend. Der Journalist fragt, ob er sich denn vorstellen könne, das Hornspielen zum Beruf zu machen. Felix gibt eine ausweichende Antwort, aber sein Lehrer sagt für ihn: „Mehr als ein Hobby ist aus meiner Sicht nicht drin.“ (S. 65)
Er ließ es sich nicht anmerken, aber dieser Satz traf ihn schwer. Wie sehr ihn die damals beiläufig geäußerte Bemerkung seines Lehrers getroffen hatte, merkt man daran, dass er noch zehn Jahre später in Interviews darauf zurückkam. Aber für ihn war dies kein Grund, seine geheimen Träume aufzugeben. Klieser reagierte ganz anders. Aber er wusste auch, dass an dem Satz des Lehrers etwas Richtiges war, weil er eine wichtige Technik beim Hornspielen wegen der fehlenden Arme nicht anwenden konnte. Denn er konnte zwar mit dem Fuß spielen, aber der Fuß konnte die Hand nicht bei einer anderen wichtigen Technik ersetzen, die Hornisten „stopfen“ nennen: Sie stecken die rechte Hand in den Schalltrichter, um auf diesem Wege neue Töne zu formen, die nicht in der Naturtonreihe vorhanden sind. Dazu formt der Hornist seine recht Hand zu einem Schnabel und propft diese dann in den Schalltrichter.
Dass er dies wegen der fehlenden Arme nicht konnte, war der Hintergrund der skeptischen Bemerkung seines Lehrers, er werde das Hornspielen nur als Hobby, aber nicht professionell ausüben können. „Wenn sich mir etwas in den Weg stellt oder ich merke, dass ein Plan nicht klappt, ziehe ich mich völlig zurück. Allerdings nicht aus Resignation, sondern aus Aggressivität. Ich kämpfe und rackere und beiße mich fest.“ (S. 72) Er gab nicht auf, sondern war „getrieben von einer Art Angriffslust, von dem unbedingten Willen, das Problem in die Knie zu zwingen“. (S. 73) Er redete mit niemandem darüber, auch nicht mit seinem Lehrer. Aber er begann, zu experimentieren.
Versuch und Irrtum hieß bei ihm konkret: Ein paar Töne spielen und die Position der Zähne, des Kiefers und der Zunge in immer neuen Varianten verändern und hören, wie das jeweils klingt. Da er nicht mit einer Hand „stopfen“ konnte, blieb ihm nichts anderes übrig, als es allein über den Mund und die Blastechnik zu regeln (S.72).
Sein Leben erinnert in vieler Hinsicht an das eines Leistungssportlers. Dazu gehört strenge Disziplin bei der Ernährung. Das fange schon beim Frühstück an: Eine Kiwi zum Nutellabrötchen sei für ihn tabu, denn die Säure von Zitrusfrüchten stelle die Rezeptoren der Mundhöhle auf den Kopf und mache so sein Körpergefühl kaputt. „Den meisten Menschen kann das leichte Prickeln auf der Zunge nach einem Stück Annanas egal sein, aber ich fühle mich damit sehr unwohl – beim Hornspielen wirkt sich das so aus, als würde ich mit Schwindel joggen gehen.“ (S. 41) Auch Alkohol vertrage sich nicht mit dieser absoluten Kontrolle – daher trinkt er niemals Alkohol.
Was kann man von Kliesers Erfolgsweg lernen? Vor allem eines: Dass es um Ziele im Leben geht. Viele Menschen setzen sich keine oder viel zu kleine Ziele. In einem Interview sagte Klieser: „Ich glaube das Problem ist ganz oft, dass den Menschen eine Perspektive fehlt… Eines der wichtigsten Dinge ist, dass man Menschen Hoffnung macht und dass man ihnen eine Perspektive zeigt und sagt: Man kann vieles verändern und vieles erreichen, wenn man daran glaubt und wenn man es will.“