Die Gefahr für Unternehmen, in einen öffentlichen Skandal zu geraten, über den alle klassischen Medien berichten, war früher deutlich geringer als heute. Privatpersonen waren davon praktisch gar nicht betroffen. Mit dem Internet und insbesondere mit dem Social Web hat sich das radikal geändert. Nahezu täglich wird in Printmedien, Radio und TV über „Reputationsangriffe“ auf Privatpersonen, Produkte oder Unternehmen im Internet berichtet. Für Kommunikationsprofis ist es daher unerlässlich, sich mit den Regeln der virtuellen Welt auseinanderzusetzen und diese zu verstehen. Allerdings, so die These des Autors, fehle es Vielen noch immer an entsprechendem Wissen darüber, was Personen im Internet widerfahren kann, welche Folgen dies im realen Leben möglicherweise nach sich zieht und wie die Mechanik der Meinungsbildung im Internet überhaupt funktioniert. Christian Scherg, der Autor des Buches, ist Dozent an diversen Universitäten und Gründer eines Unternehmens, das Unternehmen und Personen Online-Reputationsmanagement bietet. Scherg stellt zahlreiche Beispiele für Online-Rufschädigung vor und erläutert anhand der Beispiele, wie Kommunikation im Internet funktioniert und wie auf solche Rufschädigungen reagiert werden kann. Er zeigt, dass die Kommunikation im Internet sehr viel komplexer ist, als man gemeinhin glaubt. Sie ist vor allem anders als in der realen Welt. So funktioniert schon die Meinungsbildung im Internet völlig anders. Wir alle schätzen tagtäglich im persönlichen Kontakt Meinungsäußerungen und Gerüchte ab. Wir beobachten Mimik, Körpersprache, kennen die Stimmung zwischen beteiligten Personen und fällen schließlich unser Urteil. Im Internet sind die Regeln, nach denen in der realen Welt „Auseinandersetzungen geführt werden, die unsere Meinungsbildung prägen und nach denen das Geschäftsleben funktioniert“ (S. 10) jedoch außer Kraft gesetzt. Gerüchte verbreiten sich hier unter Umständen weltweit, aber auf jeden Fall extrem schnell. Dabei ist es kaum möglich, den Wahrheitsgehalt zu prüfen. Denn wir sehen tatsächlich nur „schwarze Punkte auf weißem Bildschirm“ (S. 8).
Diese „schwarzen Punkte“ in der virtuellen Welt haben jedoch enorme Auswirkungen auf die reale Welt. Die Reputation von Unternehmen und Personen kann Schaden erleiden oder sogar ganz zerstört werden. Dabei erinnert der Autor an den Fall des johnw, der im Internet die Meldung platzierte, Apple-Gründer Steve Jobs habe einen Herzinfarkt erlitten (S. 67). Der Aktienkurs von Apple brach daraufhin um knapp sechs Prozentpunkte ein und erholte sich nur langsam, nachdem klar war, dass diese Meldung nicht stimmte.
Das Beispiel des johnw zeigt nicht nur, dass Informationen im Web großen Schaden anrichten können. Es zeigt auch, dass das Web keine kommunikative Einbahnstraße ist. Ein wesentlicher Unterschied zu klassischen Medien und auch zum Internet von vor wenigen Jahren, besteht darin, dass Nutzer mit dem Social Web selbst Inhalte erstellen und anbieten können. PR- und Marketingprofis reagieren darauf oftmals immer noch hilflos und konzentrieren sich hauptsächlich auf klassische Massenmedien. Sie nehmen dabei hohe Streuverluste in der Ansprache in Kauf und nutzen nicht die Möglichkeiten des Social Web, den „Streuverlust bei der Ansprache von Nutzern oder Kunden zu minimieren“ (S. 92). Denn im Social Web haben sich längst Teilöffentlichkeiten gebildet. Dies ist eine Chance für die Kommunikation, birgt aber auch enorme Risiken für die Reputation eines Unternehmens. Wer beispielsweise ein Auto einer bestimmten Marke fährt und Probleme mit den Bremsen hat, findet im Internet schnell Leidensgenossen und eine große Anzahl von Mitmenschen, die dieselbe Marke (S. 85) fahren.
Scherg zeigt, dass gerade Kommunikationsprofis im Internet noch immer mit den klassischen Mitteln der Unternehmenskommunikation agieren, die längst nicht mehr ausreichen, um Reputationsschäden zu verhindern. Typisch hierfür war die Auseinandersetzung zwischen Nestlé und Greenpeace. Greenpeace warf Nestlé vor, die Lebensgrundlage der vom Aussterben bedrohten Orang-Utans zu entziehen. Grund hierfür sei, dass Nestlé für seinen Schokoriegel Kitkat Palmöl aus Indonesien nutze. Dies habe zu massiven Abholzungen des Urwalds geführt. Nestlé reagierte mit traditionellen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit. So sprachen PR-Verantwortliche zwar klassische Medien an und informierten darüber, dass ein Kitkat-Riegel nur ein Prozent Palmöl enthalte. Längst fand jedoch eine unkontrollierte und sehr kritische Diskussion auf den Kitkat-Fan-Seiten bei Facebook statt. Nestlé reagierte mit Sperrung der Facebook-Seiten wie auch der Löschung eines kritischen Greenpeace-Videos auf Youtube. Die Schließung der Kommunikationskanäle durch die Nestle-PR-Profis verschlimmerte jedoch nur die Situation. Das Video war längst im Web vervielfältigt und wurde nun erst recht verteilt. Darüber hinaus berichteten klassische Medien nicht nur über die Sachlage, sondern auch über die Kommunikationsfehler von Nestlé. Zu Recht weist Scherg daraufhin, dass das Unternehmen die Fan-Seiten nicht hätte schließen dürfen, denn hier hätte es zumindest eine Plattform gefunden, um die eigenen Argumente vorzutragen und dies „deutlich schneller als es mit herkömmlichen PR-Mitteln möglich wäre“ (S. 114). Auch sein Hinweis, dass die Löschung des Youtube-Videos ein Fehler war, ist richtig. Denn die Löschung selbst hat erst das Interesse der Öffentlichkeit auf dieses Video geleitet.
Ein Interview zur Bedeutung dieses Themas heutzutage und weshalb Opfer von Internet-Mobbing Hilfe durch spezialisierte Dienstleister in Anspruch nehmen sollten, finden Sie hier.