Das Hauptthema der Reden und Vorträge des tschechischen Staatspräsidenten ist die Gefährdung der Freiheit, die er vor allem in der immer stärkeren Einmischung des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft sieht. Diese Einmischung, so Klaus, erfolge unter dem Vorwand von Parolen wie „Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe“, „soziale Gerechtigkeit“ oder „europäische Einigung“.
Die Warnungen, die er in vielen Beiträgen formuliert, haben sich leider zwischenzeitlich bestätigt. Bemerkenswert ist beispielsweise ein Vortrag über „das langfristige Funktionieren der gemeinsamen europäischen Währung“, den er im November 2005 vor der Österreichischen Nationalbank hielt. Der Euro habe seine Vor- und seine Nachteile, so Klaus, und „man sollte in Europa nicht nur über Vorteile und positive Erträge sprechen, wie es oft der Fall ist und wie es ‚politically correct’ sein wird“ (S. 77).
Zur Geldpolitik führte er in diesem Zusammenhang aus: „Ich bin kein Befürworter des monetären Masterminding der Wirtschaft, aber die Zinsen und die Geldmenge müssen den ökonomischen Bedingungen im Lande entsprechen. Und diese Bedingungen unterscheiden sich in einzelnen Ländern und bewegen sich unterschiedlich in der Zeit. Sie können nicht uniform und konstant bleiben. Die Existenz des Euro vergrößert eine wichtige Dimension der Rigidität der europäischen Wirtschaft.“ (S. 79) Währungsunionen, so Klaus, waren in der Geschichte immer politische Unionen und Fiskalunionen. „Kurzfristig und mittelfristig können sie allein existieren, langfristig aber nicht. Das zu sagen ist mehr als eine unbestätigte Hypothese, das ist eine Lehrbuchwahrheit.“ (S. 79)
Klaus ist skeptisch gegenüber allen Versuchen einer Vereinheitlichung der Wirtschaft in Europa, da diese nicht unter dem Zeichen der Marktwirtschaft und der Freiheit erfolgten, sondern den Staatsdirigismus ausweiteten. „Das Europaprojekt hat in sich die Ambition, die spontanen Marktprozesse durch die politischen Umverteilungsprozesse zu ersetzen.“ (S. 81 f.) Klaus kritisiert die „Sozialdemokratisierung“ in Europa und hält nicht viel von dem Modell der sogenannten „sozialen Marktwirtschaft“. „Das in Europa dominierende Modell des Wirtschafts- und Sozialsystems, das weit von freien Märkten entfernt ist, das die freie Aktivität der Menschen bremst, das mehr an Staat als an Markt glaubt, das neue Methoden des Staatsinterventionismus einführt, dieses Modell bedroht unsere wirtschaftliche Leistung und Prosperität.“ (S. 17) In einer Rede vor dem Europäischen Parlament in Brüssel im Februar 2009 erklärte Klaus, „dass das heutige wirtschaftliche System der EU ein System des unterdrückten Marktes und der kontinuierlichen Stärkung der zentralen Lenkung der Wirtschaft ist“. (S. 53)
Aber es geht Klaus nicht nur um die wirtschaftliche Effizienz, es geht ihm auch und vor allem um Freiheit und Demokratie, die er in Europa gefährdet sieht. „Die Hauptfigur der EU“, so führte er in einer Rede 2007 aus, „ist nicht der Bürger, sondern der Beamte… Er bringt mehr Planung, Regulierung, Kontrollierung und Koordinierung mit sich.“ (S. 25)
Klaus kritisiert auch die Bedrohung der geistigen Freiheit durch das „Diktat der politischen Korrektheit“. Er wendet sich gegen all die „Ismen“, die heute den politischen Diskurs beherrschen. „Sozialdemokratismus“, „Multikulturalismus“, „Feminismus“, „Europäismus“ und „Ökologismus“ seien „populäre Ismen, die einmal mehr verschiedene Pläne und Projekte verabsolutieren und sie über die individuelle Freiheit stellen“ (S. 137).
Insbesondere setzt er sich immer wieder kritisch mit den Propheten der Klimakatastrophe auseinander, so in einer Rede im Jahr 2007. Die „Umweltbesessenheit“ beziehungsweise der „Ökologismus“ sei eine freiheitsfeindliche Ideologie. „Dieser Bewegung dient der Umweltschutz bloß als Vorwand. Hinter ihrer menschen- und umweltfreundlichen Terminologie verbirgt sich der Ehrgeiz ihrer Anhänger, die Welt, die Gesellschaft, unser Verhalten und unsere Werte radikal umzupolen und neu zu organisieren.“ (S. 139)
Was die Wirtschaft anlangt, so befürchtet Klaus, dass die Finanzkrise zu einer weiteren massiven Überregulierung führen werde. Diese Krise sei keineswegs, wie von der Politik behauptet, ein Ergebnis eines Marktversagens. „Die Krise entstand durch ehrgeizige, jedoch irrationale staatliche Eingriffe in die Zinssätze und in den Umfang des Geldangebotes in den USA, begleitet von einer fehlerhaften Regulierung des Finanzsektors.“ (S. 110)
Die Folgerungen, die aus der Krise gezogen würden, seien ebenso falsch wie die Diagnose. „Langsam“, so die Befürchtung von Klaus, „kommen wir dem realen Sozialismus immer näher. Der Markt wird nicht als autonomes System betrachtet, sondern als ein Instrument – in Händen Auserwählter – zur Herstellung ökonomischer Güter. In diese Richtung gehen Äußerungen wie ‚Die Wirtschaft muss den Menschen dienen’, ’Finanzsystem im Dienste der Menschheit’ usw.“ (S. 111).
Statt mehr Regulierung, wie sie derzeit von der Politik in Folge der Finanzkrise betrieben wird, solle man genau das Gegenteil tun. „Viel hilfreicher wäre es jedoch, alle Beschränkungen zu reduzieren, denen private Initiativen im Zeitalter der schönen neuen Welt von ‚sozial-ökologischer Marktwirtschaft’ unterworfen wurden. Am besten wäre es, vorübergehend die ‚Standards’ in den Bereichen Arbeit, Umweltschutz, Sozialwesen oder Gesundheit zu lockern oder ganz abzuschaffen, da sie rationales menschliches Handeln blockieren… Wir brauchen mehr Markt und weniger Intervention des Staates.“ (S. 104)
Die Beiträge, die Václav Klaus in diesem Band zusammengetragen hat, wirken überaus erfrischend und anregend. Hier spricht und schreibt ein nonkonformistischer, freier und liberaler Politiker und Denker, den die Sorge davor treibt, dass die Freiheit – ob in der Wirtschaft, in der Politik oder im geistigen Bereich – immer mehr eingeengt wird.
Ein Interview mit Herrn Klaus finden Sie hier.