Es gibt kaum einen Kommentator, dessen Kolumnen ich so sehr schätze wie Thorsten Polleit. Regelmäßig kann man in der FAZ, der BÖRSEN ZEITUNG, der WIRTSCHAFTSWOCHE und anderen Medien seine Kommentierung wirtschafts- bzw. finanzpolitischer Themen aus der Perspektive eines Anhängers der österreichischen Schule der Volkswirtschaft lesen. In dem vorliegenden Sammelband sind diese Aufsätze zusammengestellt. Immer wieder geht es darin um die verhängnisvollen Auswirkungen des Papiergeldsystems – für Polleit ein Fremd- und Störfaktor im Gefüge freier Märkte, das zwangsläufig für Finanz- und Wirtschaftskrisen sorge, für eine nicht marktgerechte Verteilung des Einkommens und das schließlich sogar die Gefahr von Inflation und Hyperinflation in sich berge.
Viele der Kolumnen befassen sich mit der Analyse der Ursache der Finanzkrise. Polleit wendet sich gegen gängige Deutungen der Politik und der Medien, wonach die Finanzkrise ein Ergebnis von zu wenig Regulierung sei. So falsch wie diese Diagnose sei auch die Therapie, die die Krise durch immer neue Staatseingriffe zu lindern suche. „Der Interventionismus breitet sich deswegen ungehemmt aus, weil in der Öffentlichkeit die von ihm verursachten Krisen als Folge des freien Wirtschaftsgeschehens (um)gedeutet werden. Und so werden die Finanz- und Wirtschaftskrisen, die das Staatsgeldsystem produziert, mit gerade den Mitteln ‚bekämpft’, die sie verursacht haben.“ (S. 15f.)
Polleit sieht die Ursache der Krise vielmehr als Folge eines Wirtschaftssystems, das sich in den letzten Jahrzehnten in nahezu allen entwickelten Volkswirtschaften immer stärker herausgebildet habe und das er mit dem Begriff „sozialdemokratischer Sozialismus“ bezeichnet: „Ein Wirtschaftssystem, in dem das Privateigentum nicht sakrosankt ist und staatliche (Markt-)Eingriffe, legitimiert durch die Mehrheitsmeinung, für eine ‚gerechte’ (Um-)Verteilung von Vermögen und Einkommen sorgen sollen“ (S.24). Und es ist die Möglichkeit, die Geldmenge per Kreditvergabe zu vermehren, was die Umverteilung im „sozialdemokratischen Sozialismus“ ganz erheblich erweitert.
Die Regierungen seien nur allzu bereit, den kurzfristigen Nutzen einer Geldmengenausweitung („Konjunkturschub“) gegen die damit verbundenen, allerdings erst später sichtbar werdenden Kosten („Geldentwertung“) auszuspielen (S. 87). Ein Papiergeldsystem ohne Golddeckung berge stets inhärent die Gefahr der Inflation, da es keinen Riegel für das Bestreben der Politik gebe, sich die Zustimmung der Bürger durch stets neue – kreditfinanzierte – Wohltaten zu erkaufen.
Ein Korrektiv könne theoretisch zwar die Unabhängigkeit der Zentralbank sein, doch in der Praxis sei es mit dieser Unabhängigkeit leider nicht weit her. Diese Unabhängigkeit der Zentralbank entpuppe sich als „Schönwetterregime“: „Gerade dann, wenn sie notwendig ist, erweist sie sich als nicht existent, denn vor die Wahl gestellt, einen Staatsbankrott hinzunehmen oder neues Geld zu schaffen, wird sich eine Zentralbank, die staatlich ist, letztlich für Ersteres und gegen Zweiteres entscheiden.“ (S.90).
Polleit warnt in seinen Beiträgen immer wieder vor einer Inflation oder Hyperinflation. Zwar ist diese in den Konsumgüterpreisen (noch) nicht zu beobachten, aber es sei falsch, den Begriff der Inflation nur darauf zu beziehen. Bereits 2005 schrieb Polleit: „Denn im Euroraum steigen die Preise für Vermögensbestände – Häuser, Grundstücke, Aktien, aber auch Rentenpapiere – mit Raten deutlich oberhalb des Anstiegs der Konsumentenpreise. Diese ‚Asset Price Inflation’ zersetzt die Kaufkraft des Geldes in gleicher Weise wie die ‚traditionelle’ Inflation der Konsumgüterpreise: Pro Geldeinheit kann immer weniger volkswirtschaftliches Vermögen erworben werden. Wer Geld hält, wird ärmer.“ (S.85). Die Währungshistorie zeige, dass das Finanzieren der Staatsverschuldung über die Notenbankpresse zu hoher Inflation führe. „Und weil zur Überwindung der aktuellen Misere in einer Inflationspolitik nur zu leicht das vergleichsweise ‚kleinste Übel’ erblickt werden könnte, ist ein Wiederaufleben der Inflation ein nicht von der Hand zu weisendes Gefahrenszenario. Es muss nicht so kommen, aber Geldhalter und Investoren in Schuldverschreibungen sollten wachsam bleiben.“ (S.65).