„PR ist die bessere Werbung“, so der Titel eines Buches der beiden renommierten amerikanischen Marketingexperten Al und Laura Ries. Ihre These: Werbung wirkt immer weniger. Wegen der zunehmenden Diversifizierung der Medienlandschaft werden die Streuverluste und damit auch die Kosten klassischer Werbung immer größer. Zugleich werden die Verbraucher immer kritischer, so dass die klassische Werbung an Glaubwürdigkeit verliert. Wesentlich wirksamer, so ihre These, ist die PR.
Die Autoren der vorliegenden Studie haben insgesamt 50 internationale Vergleichs- und Einzelstudien über Werbung und PR untersucht und diese durch ein Experiment mit über 1.000 Probanden ergänzt.
Im Einzelnen wird der Frage nach dem relativen Wirkungsgrad von Werbung und PR mit Blick auf die folgenden Wirkgrößen nachgegangen:
– Aufmerksamkeit / Wahrnehmung
– Bekanntheit / Erinnerung
– Kenntnisse / Wissen
– Interesse am Leistungsangebot
– Glaubwürdigkeit / Vertrauen
– Einstellung / Image
– Emotionales Erleben
– Informationsverhalten
– Kaufabsicht / Kauf
– Weiterempfehlung
In einem Scoring-Modell werden die Ergebnisse der Studien zusammengefasst, und in fast allen Bereichen stellt sich heraus, dass PR wirksamer ist als klassische Werbung. Produkt-PR erhält insgesamt 194 Punkte, gegenüber 124 Punkten für die Werbung. Insbesondere ist die PR wesentlich glaubwürdiger (28 Punkte) als Werbung (16 Punkte), wie zahlreiche Studien belegen (S. 150). Dennoch empfehlen die Autoren nicht, einseitig nur auf PR zu setzen, sondern befürworten einen Mix aus beiden Komponenten.
Einige besonders interessante Ergebnisse im Einzelnen: Eine amerikanische Studie zeigt, dass die Erinnerungswirkung von Fernsehwerbung zwischen 1965 und 2000 um fast drei Viertel sank. Konnte sich 1965 noch mehr als ein Drittel der US-Fernsehzuschauer nach einer soeben gesehenen Sendung an mindestens ein Produkt oder eine Marke erinnern, so sank diese Quote im Jahr 2000 auf nur noch neun Prozent. Eine Untersuchung in Deutschland ergab, dass bereits im Jahr 2000 71 Prozent der befragten Leser nicht in der Lage waren, direkt nach dem Lesen eines Magazins auch nur eine einzige der darin beworbenen Marken zu nennen (S.46).
Das Problem ist jedoch nicht nur, dass viele Menschen die Werbung nicht mehr wahrnehmen, sondern dass diese immer kritischer gesehen wird. Redaktionelle Artikel sind dagegen sehr viel glaubwürdiger. Obwohl in unserem Zeitalter der Skepsis die meisten Menschen auf der einen Seite auch Journalisten und Medien ziemlich kritisch sehen, sind sie auf der anderen Seite dennoch in hohem Maße mediengläubig. Sie bilden sich ihre Meinung über Dinge, die sich außerhalb ihres unmittelbaren Erfahrungshorizonts befinden, selbstverständlich in erster Linie auf Basis von Medienberichten – woher auch sonst? Eine Studie zeigt, dass 93 Prozent der Amerikaner und 92 Prozent der Europäer Informationen aus Artikeln und Nachrichtenberichten mehr glauben und stärker vertrauen als Werbeaussagen (S. 62). Und immerhin 58 der Deutschen sagen, dass sie Empfehlungen der Redaktion einer Zeitschrift vertrauen. Jeder Dritte ist sogar schon mit einem Zeitschriftenausschnitt zum Händler gegangen, um nach dem Produkt zu fragen, über das dort berichtet wurde (S.85). Und während 52,6 Prozent der Befragten in einer in Deutschland durchgeführten Studie angaben, dass sie Berichte in Fach- und Themenzeitschriften für glaubwürdig halten, sagten das nur 9,8 Prozent über Werbung (S.127). Bei teuren sogenannten „High-Involvement-Produkten“ (also beispielsweise Finanzprodukten oder Versicherungen) geben 60 Prozent an, dass sie Zeitungsberichte als Informationsquelle bevorzugen – nur 6,8 Prozent nannten Werbung (S.142) als relevante Informationsquelle.
Wir leben in einer überkommunizierten Gesellschaft, in der so viele Marktteilnehmer Botschaften aussenden, dass die meisten von ihnen untergehen, ohne dass die potenziellen Kunden sie überhaupt auch nur beachten. Unser Gehirn wehrt sich gegen die Lautstärke und Intensität der Signale, die via Fernsehen, Internet, Zeitungen und anderen Medien auf uns einströmen, indem die meisten Informationen einfach ausgesondert werden. In den USA nutzen 70 Prozent der Fernsehzuschauer verschiedene Möglichkeiten, der TV-Werbung aus dem Weg zu gehen, allein jeder Dritte verlässt während der Werbeeinblendungen den Raum. 78 Prozent der Deutschen geben an, sich durch TV-Werbung gestört zu fühlen – und der Anteil derjenigen, die sich sehr gestört fühlen, steigt ständig (S.42 f.). Kein Wunder: Allein in den Jahren 2003 bis 2008 stieg die gesendete Werbezeit im deutschen Fernsehen von 45 auf 73 Stunden pro Tag an (S.39).
Das vorliegende Buch ist von großem Wert, da es dem Praktiker, der wissen will, ob bzw. in welcher Beziehung Werbung oder PR wirksamer ist, erspart, zahlreiche internationale Studien zu diesem Thema zu durchforsten. Hier hat er alles auf einen Blick. Die vorgestellten Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache und sollten bei den für die Kommunikation Verantwortlichen in den Unternehmen zu einem Umdenken führen, denn bisher wird in Deutschland wesentlich mehr Geld für Werbung als für PR ausgegeben – mit oft fragwürdiger Wirkung. Vielleicht ist das aber auch einfach ein Ausdruck von Bequemlichkeit und Risikoscheu: Werbung ist schließlich berechenbar und planbar. Ich kann die Botschaften, die ich aussenden möchte, 1:1 „kaufen“ und in Medien platzieren, was – zum Glück – mit PR nicht möglich ist.
PR ist darauf angewiesen, zu überzeugen, gute Argumente zu bringen und interessante Neuigkeiten aus Sicht des Lesers zu transportieren. Dafür muss sie den entscheidenden Filter unabhängiger Journalisten durchlaufen, die bewerten, ob die von Unternehmen ausgesendeten Nachrichten wirklich interessant und verlässlich sind. Genau aus diesem Grund sind redaktionelle Artikel über ein Produkt am Ende aber sehr viel glaubwürdiger und damit auch wirksamer als bezahlte Werbeanzeigen – insbesondere bei so genannten High Involvement-Produkten. R.Z.