Die Ereignisse seit Beginn der europäischen Schuldenkrise überschlagen sich. Versprechungen und Ankündigungen der Politik werden fast wöchentlich gebrochen, ein Rettungspaket folgt dem nächsten. In dem vorliegenden Buch werden diese Ereignisse dargestellt, hervorragend analysiert und in einen größeren historischen Kontext eingebettet.
Der Autor des Buches, Professor für Volkswirtschaft in Madrid, ist – so wie der Rezensent – ein dezidierter Anhänger der österreichischen Schule. Seine Analyse der Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise unterscheidet sich damit erheblich von den üblichen Deutungen, wie sie von Politik und Medien vorgetragen werden.
Das Euro-Projekt war aus seiner Sicht von Anfang an ein dezidiert politisches Projekt. Die nach außen vorgetragenen wirtschaftlichen Argumente waren nicht das bestimmende Motiv für die handelnden Politiker. Bagus unterscheidet zwei Europa-Modelle: Die klassisch-liberale Vision, deren Ziel der Wiederherstellung der Freiheiten des 19.Jahrhunderts in Europa war. Konkurrierende politische Systeme in Europa wurden dabei nicht als Nachteil empfunden. In direktemGegensatz dazu stand und steht die sozialistische Europa-Vision. „Sie will die Europäische Union zu einem Imperium oder einer Festung machen: Protektionistisch nach außen und interventionistisch nach innen. Diese Etatisten träumen von einem zentralisierten Staat, der von effizienten Technokraten – wie sich die herrschenden technokratischen Etatisten selbst sehen – verwaltet wird.“ (S.19) Ziel der sozialistischen Vision ist es, den Zentralstaat, also Brüssel, mit immer mehr Macht auszustatten. Für die Anhänger dieser Vision war der Euro von Anfang an ein Vehikel, um diesem Ziel näher zu kommen. In den ersten neun Kapiteln beschreibt der Autor – kritisch – die Entstehung des Euros. Spannend zu lesen sind besonders die letzten beiden Kapitel, in dem „Der Weg in den Zusammenbruch“ beschrieben wird. Wie, so fragt er, könnten die südeuropäischen Länder die Schuldenkrise in den Griff bekommen? Hier gäbe es sechs Wege (S.157 f.)
- Senkung der Staatsausgaben – ein Weg, der von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, da er mit erheblichen Einschnitten verbunden ist.
- Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, etwa durch niedrigere Löhne, Abschaffung von Gewerkschaftsprivilegien usw. Auch dies wird kaum durchzusetzen sein.
- Schuldenabbau durch Privatisierung. Ein guter Weg, der jedoch ebenfalls nicht konsequent gegangen wird, da etwa die Privatisierung von Staatsunternehmen mit einem Abbau der deutlich überhöhten Belegschaften verbunden wäre.
- Steuererhöhungen. Hierdurch wird das Wachstum eher behindert.
- Wachstum durch Deregulierung: Ein erfolgversprechender Weg, der jedoch viel Zeit braucht – Zeit, die die Länder möglicherweise nicht mehr haben.
- Hilfe von außen.
Das Problem bei Letzterem: Durch das Versprechen, notleidende Mitgliedsstaaten zu unterstützen und die Aufgabe des No-Bailout-Prinzips wurden die Anreize,Defizite zu beherrschen, gesenkt. „Es kann gut sein, dass die anderen EWU-Mitglieder meinen, dass sie, wie Griechenland, ein Recht auf Unterstützung durch die EWU haben. Wer kann ihnen dies jetzt noch verwehren? Ein Bailout scheint zum Anrecht verantwortungsloser Regierungen geworden zu sein.“ (S.160) Die Folgen für Deutschland wären katastrophal. „Reichere Länder zahlen den ärmeren Ländern Geld, um deren Defizite abzudecken, und die EZB monetarisiert die Staatsschulden. In anderen Worten, Deutschland zahlt und zahlt. Diese Entwicklung kann zu Protesten in reicheren Ländern führen und schlussendlich zu ihrem Austritt aus der Währungsunion… Ein anderes mögliches Ende der Transferunion ist eine durch einen Ansturm auf die Notenpresse ausgelöste Hyperinflation.“ (S.166)
Das Buch gibt einen ausgezeichneten Überblick über die jüngsten Entwicklungen, deutet sie überzeugend und unterscheidet sich in dieser Deutung wohltuend von den vorherrschenden Mustern. Es ist gleichzeitig in acht Sprachen erschienen – und ich wünsche diesem Buch eine weite Verbreitung.